Verbot von Rüstungsexporten:Kampfansage an den Minister

Verbot von Rüstungsexporten: Ein Leopard-II-Panzer in der Fabrikhalle der Krauss-Maffei Wegmann GmbH & Co. KG in München im Jahr 2008

Ein Leopard-II-Panzer in der Fabrikhalle der Krauss-Maffei Wegmann GmbH & Co. KG in München im Jahr 2008

(Foto: Imago)

Die deutsche Waffenindustrie leidet. Wirtschaftsminister Gabriel blockiert ihre Geschäfte. Nun arbeitet die Branche am Gegenangriff.

Von Christoph Hickmann und Klaus Ott, Düsseldorf

Das Gespräch dauert noch keine fünf Minuten, als Armin Papperger aus seinem Sessel aufsteht. Das passiert nicht spontan und nicht im Überschwang, er hat sich das offensichtlich genau so vorgenommen. Er geht zum Flipchart, einer Art Tafel aus Papier, die in der Ecke seines Büros steht, nimmt einen grünen Stift in die Hand und malt ein Viereck. "Wir brauchen Leitplanken aus der Politik", sagt er. "Das will ich mit meinem magischen Viereck verdeutlichen."

Leitplanken? Magisches Viereck? Papperger, 51, ist weder Dozent für Volkswirtschaftslehre noch für angewandte Geometrie, sondern Chef von Rheinmetall, jenes Düsseldorfer Unternehmens, das zwar auch Automobilzulieferer ist, öffentlich aber vor allem als Rüstungskonzern wahrgenommen wird. Zugleich ist er Präsident des Bundesverbands der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, also auch oberster Repräsentant der Branche. Die fürchtet um ihre Geschäfte, seit Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) seine Ankündigung umsetzt, heikle Rüstungsexporte nicht mehr so einfach zu genehmigen, sondern entsprechende Anträge auch mal abzulehnen oder aufzuhalten. Was das für die Industrie genau bedeutet? Darum geht es am Dienstagmorgen bei Pappergers kleinem Vortrag in seinem Büro.

Er tippt mit dem Stift auf eine Ecke des Dreiecks. "Punkt eins ist die Kernfähigkeit: Wozu soll die deutsche Rüstungsindustrie in der Lage sein?" Nächste Ecke. "Punkt zwei: Was braucht Deutschland für seine Sicherheit?" Er schaut vom Flipchart auf. "Es geht um unsere nationale Sicherheit. Wollen wir uns darauf verlassen, dass diese aus dem Ausland kommt?" Nächste Ecke. "Punkt drei: Der Export. Wenn Punkt zwei größer ausfällt, kann Punkt drei kleiner werden."

Heimische Abssatzmöglichkeiten für die Rüstungsindustrie schrumpfen

Soll heißen: Je mehr das heimische Militär der deutschen Rüstungsindustrie abnähme, desto weniger wäre diese auf den Export angewiesen. Wenn aber der Export, wie derzeit, rigide gehandhabt wird, müsste, damit das Geschäft weiter läuft, aus Sicht der Industrie national aufgerüstet werden. Das passiert aber nicht. Papperger sagt: "Gabriel hat Punkt drei geändert, das macht die Punkte eins und zwei wichtiger."

Verbot von Rüstungsexporten: Im Visier: Rheinmetall rüstet die Bundeswehr mit dem Elektroniksystem Gladius aus.

Im Visier: Rheinmetall rüstet die Bundeswehr mit dem Elektroniksystem Gladius aus.

(Foto: oh)

Dass die heimischen Absatzmöglichkeiten geschrumpft sind, ist für die Industrie nicht neu, das ist so, seit der Kalte Krieg vorbei ist. Sie hatte es dann allerdings eine ganze Weile recht bequem, was den Export anging. Der Sozialdemokrat Gabriel legt nun wieder strenge Maßstäbe an, wenn es um den Export in Drittstaaten geht, also in Länder, die weder Mitglied der EU noch der Nato und auch nicht, wie etwa Australien, der Nato gleichgestellt sind. Also in Länder, die, was Rüstung betrifft, fatalerweise oft das sind, was man Wachstumsmärkte nennt. Menschenrechte zählen dort häufig nicht viel, deshalb besteht stets die Gefahr, dass deutsche Waffen zur Unterdrückung verwendet werden könnten und nicht etwa zur Abwehr etwaiger Aggressoren.

Papperger hat erst kürzlich mit Gabriel geredet. Einmal traf er ihn in der Gruppe mit anderen Rüstungsbossen, darüber hinaus hat er auch mit ihm allein gesprochen. "Gabriel ist ein intelligenter Politiker, der seine persönlichen Standpunkte hat", sagt Papperger. "Man kann mit ihm Klartext reden." Und: "Wir diskutieren sehr konstruktiv und offen mit ihm."

"Alle großen Rüstungsunternehmen prüfen, ob sie auf Dauer im Lande bleiben können"

Nach dem Treffen mit den Spitzen der Rüstungsindustrie neulich in Berlin versprach Gabriel schnelle Abhilfe an zwei Punkten: Die Anträge für die Ausfuhr sogenannter Dual-Use-Güter sollten schneller bearbeitet werden, Anträge also für den Export solcher Produkte, die zivil wie militärisch genutzt werden können. Für Ersatzteile soll das Gleiche gelten.

Also alles gut? Eher nicht. "Bei internationalen Rüstungsmessen werben Hersteller inzwischen mit 'German Free'", sagt Papperger, man könne sich schließlich nicht darauf verlassen, dass Produkte mit deutschen Komponenten auch exportiert werden dürften.

Was das heißt? "Alle großen Rüstungsunternehmen in Deutschland prüfen, ob sie auf Dauer im Lande bleiben können", sagt Papperger. "Wenn mein Land bei mir nicht kauft und mir gleichzeitig sagt, du darfst nicht exportieren, dann halte ich das nicht lange durch."

Was also tun? "Wir haben zwei Alternativen: Entweder wir bauen weiter Kapazitäten und damit noch mehr Arbeitsplätze ab, oder wir gehen ins Ausland." Der Rheinmetall-Chef und Verbandspräsident legt nach: "Andere Länder wie die Schweiz, Frankreich oder die USA wären froh, würden wir dort investieren. Dort könnten wir auch leichter exportieren." Die deutsche Rüstungsindustrie sei "sehr flexibel".

Rheinmetall - Jahreszahlen 2012

Armin Papperger, Chef des Rüstungskonzerns Rheinmetall.

(Foto: Ralph Sondermann/dpa)

Ritualisiertes Muskelspiel zwischen Politik und Wirtschaft

Man kennt diese Drohungen aus anderen Branchen, sie sind ein Teil des ritualisierten Muskelspiels zwischen Politik und Wirtschaft. Die eine Seite stellt Rahmenbedingungen auf, die andere droht mit dem Abbau von Arbeitsplätzen oder gar mit Abwanderung - und wenn die schlimmen Rahmenbedingungen dann trotzdem kommen, stellt sich am Ende raus, dass sie so verheerend doch nicht sind. Oder das Abwandern einfach nicht funktioniert.

Trotzdem ist die Lage der Rüstungsindustrie eine besondere. Mit ihren Leistungen will sich kein Politiker schmücken, ihr öffentliches Ansehen ist verheerend. Das ist nicht verwunderlich, schließlich geht es um Produkte, mit denen man Menschen töten und verletzen kann. Zugleich gibt es ein nationales Interesse an einer funktionierenden Rüstungsindustrie; nicht umsonst ist sie mancherorts fest in staatlicher Hand. "Ich habe die Regierung gefragt, ob wir uns im Ernstfall von England, Frankreich oder wem auch immer verteidigen lassen. Jeder sagt mir dann, nationale Sicherheit ist wichtig", so erzählt es Papperger. Aber: "Diese pauschale Antwort reicht nicht."

Stattdessen, und da ist er wieder bei Punkt eins seines Vierecks, müsse erst definiert werden, was die Kernfähigkeiten der hiesigen Industrie sein sollten. Seit Jahren ruft die Branche danach, nun kommt offenbar Bewegung in die Sache. Demnächst, sagt Papperger, wolle das Verteidigungsministerium eine solche Liste erstellen.

Müsste es nicht einen deutschen Rüstungsriesen geben?

Und die letzte Ecke des Vierecks? "Punkt vier: "Konsolidierung", sagt Papperger - und zwar erst mal national. Erst danach könne man über eine Konsolidierung der Industrie auf europäischer Ebene reden. Also kann ihm nicht gefallen, dass die deutsche Panzerschmiede Krauss-Maffei Wegmann (KMW) mit dem französischen Konkurrenten Nexter fusionieren will. "KMW und Rheinmetall passen auch gut zusammen", sagt Papperger. In der deutschen Politik sähe man solch eine Fusion lieber, zumal Rheinmetall und KMW ohnehin diverse Produkte gemeinsam bauen. Und müsste es nicht einen deutschen Rüstungsriesen geben, neben Airbus für die Luftfahrt? Zuletzt gab es Meldungen, Rheinmetall wolle von Thyssen-Krupp den Marineschiffbau übernehmen, U-Boote inklusive, und zugleich doch noch mit KMW zusammenkommen. Papperger sagt, dass man in der Branche immer miteinander rede. Aber: "Gewisse Dinge diskutieren wir hinter verschlossenen Türen."

Für die Rüstungsindustrie gilt ein zynischer Grundsatz: Krisenzeiten sind gute Zeiten. Tatsächlich, sagt Papperger, drehe sich gerade die kritische öffentliche Stimmung, "weil die Weltlage sich ändert". Faktisch allerdings brachte die neue Lage im Osten erst einmal einen Nachteil: Gabriel widerrief die Genehmigung zum Export eines Gefechtsübungszentrums nach Russland. Ausdrücklich widerspricht Papperger Berichten, wonach große Teile davon ohnehin bereits geliefert gewesen seien. "Das steht alles auf einem Betriebsgelände von uns in Bremen, fertig verpackt in mehr als 70 voll beladenen Lkws. Die stehen nach Gabriels Exportveto wahrscheinlich noch längere Zeit dort."

In den kommenden Wochen wolle man beginnen, mit dem Wirtschaftsministerium über Schadensersatz zu verhandeln. "Der Vertrag hat einen Wert von 135 Millionen Euro. Jeder Euro weniger ist für uns ein Verlust", sagt Papperger. Er gehe davon aus, "dass es eine faire Lösung gibt", wolle aber "nichts verschenken".

Bleibt die Frage, warum es zwischenzeitlich hieß, es gehe um ungefähr eine Milliarde Euro. Pappergers Antwort lässt einen beinahe frösteln: "Russland hätte gerne acht solcher Zentren", sagt er.

Acht Zentren, um für Gefechte zu trainieren? Wenn man Papperger beim Wort nimmt, könnte er die nun ohnehin nicht mehr liefern, selbst wenn es eine Genehmigung gäbe. "Wir wollen keine Länder beliefern, in denen Krieg geführt wird und keine Kriegspartei Partner der Nato ist."

Womöglich wird er sich an diesem Satz noch messen lassen müssen.

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