Europaweite EM 2020:Platinis Querbeet-Turnier

Europaweite EM 2020: Weiß noch nicht viel über die EM 2020: Uefa-Präsident Michel Platini

Weiß noch nicht viel über die EM 2020: Uefa-Präsident Michel Platini

(Foto: AP)

Michel Platinis Idee von einer europaweiten EM 2020 klingt rührend solidarisch. Dabei ist dieses Format nur eine kreative Verzweiflungstat - und ein Beweis dafür, dass der Uefa-Präsident das Gegenteil von dem bewirkt, wofür er einst angetreten ist.

Kommentar von Christof Kneer

Football's coming home - das ist eine schöne Zeile, hinter der sich alle Fußballfans versammeln können. Es ist der Refrain eines selbstironischen, romantischen Liedes aus dem Fußballmutterland England, das nichts mit den anderen Fangesängen zu tun hat, in denen Schiedsrichter darauf hingewiesen werden, dass es sich bereits herumgesprochen habe, wo ihr Auto steht.

Der Freitag ist auf den ersten Blick ein guter Tag gewesen für romantische Lieder, am Freitag wurde verkündet, dass der Fußball wieder nach Hause kommt. "Wir sind erfreut. Es ist schön, zu gewinnen!" sagte Greg Dyke, Chef des englischen Fußball-Verbandes, der beim lustigen Stadt-Land-Fluss-Spiel der Uefa den Hauptpreis gewann. Die Engländer werden bei der europaweiten EM 2020 die Finalrunde ausrichten dürfen.

Die Frage ist jetzt aber, ob die Engländer überhaupt da sein werden, wenn ihr Fußball mal wieder nach Hause kommt. Wenn es so kommt, wie es beim englischen Nationalteam meistens kommt, dann könnte es passieren, dass die Engländer im beinahe benachbarten Baku (Aserbaidschan) im Viertelfinale ausscheiden, im Elfmeterschießen möglicherweise. Es könnte passieren, dass die Engländer dann mit ansehen müssen, wie ihr Fußball andere mit nach Hause nimmt ins Londoner Wembleystadion - Italiener, Spanier oder sogar Deutsche.

Platini wollte die Kleinen stärken - und ist dabei, das Gegenteil zu erreichen

Gut möglich, dass den Engländern bei der Stadt-Land-Fluss-Zuteilung ein umgekehrtes Wembley-Tor gelungen ist: Sie gehen davon aus, dass sie ein Tor geschossen haben, aber der Ball war leider doch nicht drin. Das umgekehrte Wembley-Prinzip gilt im Grunde für die gesamte Idee der EM 2020, die sich Uefa-Chef Michel Platini unter Vortäuschung rührender Gedankentiefe hat einfallen lassen.

Schon die Genesis dieses Querbeet-Turniers lässt erkennen, dass das EM-Format keiner solidarischen Idee entsprang, sondern eher einem Akt kreativer Verzweiflung. Der genaue Turnier-Modus (wer spielt wo, wie oft, warum?) sei noch offen, der würde erst allmählich erarbeitet, hat die Uefa am Freitag eingeräumt - müsste über die Art der Austragung nicht schon mehr bekannt sein, wenn eine große, überwölbende Idee dahinterstünde? Die große, überwölbende Idee lautet aber eher: Wenn es keinen Bewerber gibt, der so ein 24er-Turnier stemmen kann oder will, dann müssen es jetzt halt mal irgendwie alle machen.

Nur die Großen können noch eine große EM ausrichten

Michel Platini läuft Gefahr, ein umgekehrter Wembley-Tor-Präsident zu werden. Er glaubt, dass der Ball drin ist, aber das Tor zählt leider nicht. Platini ist gerade dabei, das Gegenteil dessen zu erreichen, wofür er einst antrat. Platini wollte die Rechte und den Wert der kleinen Nationen stärken und hat jetzt erreicht, dass nur noch die ganz großen Nationen seine aufgemotzte 24er-EM ausrichten können.

Und jetzt hat er den ganz großen Nationen bei der EM 2020 auch noch einen schicken Wettbewerbsvorteil verschafft. Die Deutschen spielen zwei Drittel der Vorrunde in München, die Spanier in Bilbao, die Italiener in Rom. . . Nur die Engländer, die müssen vielleicht nach Baku.

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