Führungswechsel bei der JU:Paul statt Philipp

Paul Ziemiak

Paul Ziemiak, der neue Vorsitzende der Jungen Union, auf seinem offiziellen Parteifoto

(Foto: dpa)

Der neue Vorsitzende der Jungen Union kommt aus Polen, trägt gern Kapuzenpullis - und wettert erst mal gegen "Mulitkulti-Mentalität". Kanzlerin Merkel zeigt, was sie von der Jugendorganisation ihrer Partei hält.

Von Robert Roßmann, Inzell

Es ist ein Satz, der seine ganze Wirkung erst im Abgang entfaltet. Angela Merkel ist nach Inzell gekommen. Die Junge Union trifft sich in den Bergen zu ihrem Deutschlandtag. Auf der Tagesordnung steht die Wahl eines neuen Vorsitzenden. Philipp Mißfelder hat "Löschgrund Nummer 9" der Satzung ereilt, wegen der Altersgrenze muss er die Junge Union verlassen. Es ist das Ende einer Ära, in der Geschichte der Jugendorganisation war niemand länger Vorsitzender als Mißfelder. Zwölf Jahre lang führte er die JU, bei seiner ersten Wahl war Merkel noch nicht einmal Kanzlerkandidatin. Jetzt soll er verabschiedet werden. Bei solchen Gelegenheiten spricht man eigentlich nur das Herzlichste. Egal, was war.

Aber was sagt Merkel zu Mißfelder und seinen Deutschlandtagen? "Ich bin fast immer bei Ihnen - und wenn ich nicht da bin, dann ist es noch schlimmer, als wenn ich da bin."

Es soll natürlich ein Scherz sein, aber er sagt doch viel über das Verhältnis Merkels zur Jungen Union. Mit den konservativen Positionen und der Helmut-Kohl-Verehrung der JU kann die CDU-Chefin nicht viel anfangen. Ihr ist auch das organisierte Jugendgewese eher fremd. Gut möglich, dass sich Merkel bei Besuchen der Deutschlandtage denkt, dass die DDR doch einen Vorteil hatte: Sie hat ihr eine Jugend in der JU erspart. Beim Fall der Mauer war Merkel 35, so alt wie Mißfelder jetzt.

Lieblose Abschiedsworte für Mißfelder

Merkels Abschiedsworte für Mißfelder sind auch sonst ziemlich lieblos. "Es ist Zeit, Danke zu sagen für zwölf erfolgreiche Jahre", sagt die Kanzlerin zwar. Die JU habe in dieser Zeit ihre Mitgliederzahl fast halten können. Aber dann erinnert Merkel gleich an Mißfelders "unglücklichen Start" - seine Forderung, Senioren keine Hüft-Operationen mehr zu bezahlen.

Als wichtigste Leistung des JU-Chefs fällt ihr nur die Organisation eines deutsch-französischen Jugendtreffens vor fünf Jahren ein. Mißfelder habe "an der Spitze einer nicht immer einfachen Organisation" gestanden, sagt sie noch - auch keine Liebeserklärung an die JU. Das war's. 4355 Tage an der Spitze der Jungen Union hätte man auch herzlicher würdigen können.

Paul Ziemiak weiß also, auf was er sich eingelassen hat.

Der 29-Jährige setzte sich auf dem Deutschlandtag in einer Kampfabstimmung um den JU-Vorsitz deutlich gegen den bisherigen Mißfelder-Stellvertreter Benedict Pöttering durch. Ziemiak erhielt 196 Stimmen, Pöttering nur 115. Die beiden hatten sich einen langen Wahlkampf mit vielen Sticheleien geliefert. "Ich hoffe, dass so viel Bier da ist, um den Graben wieder zuzuschütten", sagte Mißfelder in Inzell nicht ohne Grund. Es war die erste Kampfabstimmung in der JU seit mehr als 40 Jahren. Die Organisation ist derlei nicht gewöhnt.

Kapuzenpullis und abgebrochenes Jurastudium

Ziemiaks Biografie ist für die Junge Union durchaus ungewöhnlich. Der 29-Jährige ist gebürtiger Stettiner. Seine Familie kam erst 1988 aus Polen nach Deutschland, mit wenigen Koffern als Gepäck. In Warschau regierte da noch ein kommunistischer General als Staatsratsvorsitzender. Die ersten Wochen in Deutschland lebte die Familie in einem Auffanglager. Ziemiak lernte erst im Kindergarten Deutsch.

Die Mutter starb als er 23 war. Sein Jurastudium hat er wegen Erfolglosigkeit abgebrochen. Jetzt probiert er es an einer Privat-Universität mit Unternehmenskommunikation. Er trägt gerne Kapuzenpullis und gibt sich auch sonst gerne leger. Woanders mag das normal sein. In einer Jugendorganisation, deren Mitglieder oft schon in der Pubertät die ersten Anzüge kaufen, ist das ungewöhnlich.

Wer allerdings glaubt, Ziemiak könnte deshalb weniger konservativ als das Gros der JU-Mitglieder sein, täuscht sich.

Wie die JU tickt, konnte man am Freitagabend in Inzell wieder erleben. Die Delegierten durften Merkel nach deren Rede Fragen stellen. Drei meldeten sich. Der erste beklagte sich vehement, dass Deutschland keine Luftangriffe im Irak fliege, der zweite verlangte eine strikte Haltung gegen Sterbehilfe. Der Dritte stellte fest, dass die AfD viele frühere CDU-Positionen vertrete, und empfahl deshalb der CDU, wieder "mehr Konservative nach vorne zu schieben".

Ziemiak war bisher Chef der mächtigen NRW-JU. In seiner Heimat Iserlohn ist er CDU-Vorsitzender. Die Stadt hat fast 100 000 Einwohner. Ziemiak ist also durchaus führungserfahren, die neue Aufgabe ist aber auch für ihn eine Herausforderung. Mit 117 000 Mitgliedern ist die JU so groß wie Grüne und Linke zusammen.

Gegen "Multikulti-Mentalität" und "verkappte Kommunisten"

"Heute beginnt die Zukunft der Jungen Union", skandierte Ziemiak nach seinem Triumph. Wie sich die von der Vergangenheit unterscheiden soll, konnte er aber noch nicht so recht erklären. Er wolle sich vor allem um die Bildungs-, die Energie-, die Gesellschafts- und die Rentenpolitik kümmern, sagte er. Unterschiede zum Kurs Mißfelders nannte er aber keine.

Aber das war auch egal. Den größten Applaus bekam Ziemiak in Inzell sowieso für die Passagen, mit denen er den konservativen Mainstream in der JU streichelte. Er wetterte gegen die "Multikulti-Mentalität" und warb für Deutschlands Soldaten: "Ich habe eine Riesenwut im Bauch, wenn ich Jusos, Grüne oder irgendwelche verkappten Kommunisten höre, die unsere Soldaten beleidigen."

Und dann beschrieb er, was für ihn DNA der Jungen Union sein müsse: Deutschland sei das "Land der Möglichkeiten". Die JU müsse alles dafür tun, dass das auch so bleibe. "Wenn du hart arbeitest, dann kannst du es schaffen." Das sei "der Geist der Jungen Union". Na dann.

Merkel war da übrigens schon längst wieder abgeflogen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: