Nico Rosberg beim Großen Preis von Singapur:Schlangenlinien in der Nacht

Formel 1, Nico Rosberg, Lewis Hamilton

Erlebte in Singapur ein Rennen zum Vergessen: Nico Rosberg.

(Foto: dpa)

Nach einer Panne scheidet Formel-1-Pilot Nico Rosberg in Singapur früh aus, sein Mercedes-Rivale Lewis Hamilton übernimmt die WM-Führung - mit drei Punkten Vorsprung. Während Rosberg enttäuscht, kommt auch die positive Überraschung im 14. WM-Lauf aus Deutschland.

Von Elmar Brümmer, Singapur

Tag und Nacht, dieses Begriffspaar bietet sich für den Großen Preis von Singapur geradezu an. Aber es liefert auch die passende Umschreibung dessen, was in der Dunkelheit Südostasiens zwischen den Mercedes-Kontrahenten Nico Rosberg und Lewis Hamilton passiert ist. Hamilton fährt seinen siebten Saisonsieg ein, Rosberg scheidet früh aus. Mit vertauschten Plätzen in der Gesamtwertung endet der 14. WM-Lauf: Hamilton übernimmt erst zum zweiten Mal in diesem Jahr die Spitze, 241 zu 238 lautet der Punktestand. Spannender geht es nicht bei noch 150 zu vergebenden Zählern. Hamilton fährt Schlangenlinien, als das Rennen nach Erreichen des Zwei-Stunden-Limits eine Runde vor Schluss abgewunken wird.

Die erste Startreihe ist der denkbar ungünstigste Ort, um stehen zu bleiben. Alle anderen 21 Rennwagen sind schon auf der Formationsrunde, da hantiert Nico Rosberg noch ganz allein und ziemlich verzweifelt an seinem Lenkrad. Gnadenlos leuchtet das Flutlicht die aufkommende Panik des WM-Führenden aus, den die Mercedes-Mechaniker zurück in die Boxengasse schieben.

Das Problem war schon vor dem Start zur rasenden Nachtschicht erkannt worden, behoben werden konnte es so schnell nicht. Auch die Kupplung funktioniert nicht richtig, es ist ein grundlegendes elektronisches Problem. Mit 20 Sekunden Verspätung fährt Rosberg dem Feld hinterher. Lediglich die Ganganzeige funktioniert am Lenkrad richtig, das Schalten nicht. Rosberg quält sich.

Aber nur bis zum Boxenstopp in der 14. Runde. Dann wiederholt sich die öffentliche Demütigung. Motor aus, fassungslose Gesichter vom Kommandostand gegenüber. Ein paar Mal probiert der Pilot noch, an den Schaltwippen zu ziehen, der Motor heult jämmerlich auf. Nach 70 Sekunden winkt Rosberg ab. Das Aus. Offizielle Ursache: Kabelbruch in der Lenkradsäule. Den Helm in der Garage mag er nicht mal abnehmen, als ihn Kollegen trösten wollen. Ist das die Wende in der WM? "Ein doofes Gefühl", bekennt Rosberg, "aber es ist ja oft so, dass es eine Kleinigkeit ist, die einem ein Rennen kaputt macht. Ich verliere dadurch sehr viele Punkte. Das ist ein ernüchterndes Ergebnis."

Sein Rivale Lewis Hamilton, bis zu diesem Rennen mit drei Ausfällen der WM-Kandidat mit dem größeren Pannenpech, kommt mit der ungeahnten Einsamkeit vom Start weg gut klar - und krönt ein perfektes Wochenende. Schon bei der Qualifikation zu dem bislang spannendsten Rennen des Jahres hatte er vorne gelangen, wenngleich nur sieben Tausendstel Sekunden vor Rosberg.

Vettel schafft Platz zwei

Die positive Überraschung im 14. WM-Lauf kommt aber ebenfalls aus Deutschland: Sebastian Vettel schafft Platz zwei, seine beste Platzierung in dieser Saison. Es ist eine Mischung aus dem Frust über den Saisonverlauf und dem daraus entstandenen Trotz, einem fehlerfreien Rennen mit funktionierender Taktik - und der Charakteristik der fünf Kilometer langen Stadtrundfahrt mit ihren 23 Kurven: Der Nachteil des Renault-Motors macht sich hier nicht so sehr bemerkbar. Insgeheim hatte sich Vettel gar Chancen auf den Sieg ausgerechnet. Doch der Renningenieur gab früh die klare Anweisung, Hamilton nicht anzugreifen und lieber Benzin und Reifen zu sparen. Aber immerhin schafft Vettel ein paar Führungskilometer - und zusätzliche Genugtuung gibt ihm, dass er seinen Teamkollegen Daniel Ricciardo hinter sich hält.

Auch Ferrari kann den subtropischen Grand Prix als kleinen Stimmungsaufheller verkaufen: Platz vier für Fernando Alonso im ersten Rennen nach dem Rücktritt von Luca di Montezemolo von der Konzernspitze. Der Spanier hat aber beim Start Glück, dass sein zu optimistischer Angriff auf die Red-Bull-Fahrer nicht mit einer Zeitstrafe geahndet wird.

Nur einmal gerät der Erfolg von Lewis Hamilton in Singapur kurz in Gefahr. Als zur Halbzeit des Rennens ein zersplitterter Frontflügel am Auto von Sergio Perez zur Folge hat, dass es zu einer Safety-Car-Phase kommt - wie schon bei allen Auflagen des Singapur-Rennens. Hamilton wird von der Box vor den Trümmerteilen gewarnt, aber seine Souveränität kann das nicht erschüttern: "Danke, Jungs - nur ein bisschen spät. Bin gerade drüber gefahren . . ." Er übt sogar Druck auf das Safety-Car aus, um seine Reifen auf Temperatur zu halten, die Pneus können am Ende den Unterschied machen.

In Runde 37 beginnt ein neues Rennen, Hamilton jagt sich selbst, denn Mercedes muss ihn kurz vor Schluss noch mal zu einem Pflicht-Reifenwechsel reinholen. "Ist das Risiko nicht zu groß?", fragt Hamilton. Nein, antwortet der Taktiker, das Zeitpolster reiche locker. Er holt Hamilton neun Runden vor Schluss rein, mit 25,2 Sekunden Vorsprung. Vettel kommt an der Boxenausfahrt am Silberpfeil vorbei, allerdings auf den älteren Reifen. Hamilton behält die Ruhe, setzt sich in den Windschatten des Heppenheimers und lässt ihn auf einer High-Speed-Passage hinter sich. Eine Aktion, der zeigen soll: So konsequent gehen halt Champions vor.

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