G20-Treffen in Australien:Mit aller Macht für mehr Wachstum

G20-Treffen in Australien: Die Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde (re.), sagt: "Jeder muss mehr tun, nicht nur Europa."

Die Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde (re.), sagt: "Jeder muss mehr tun, nicht nur Europa."

(Foto: AFP)

Die Weltwirtschaft soll nach Ansicht der G20-Staatengruppe unbedingt schneller wachsen. Wie das gehen soll? So ganz genau wissen das die Politiker beim G20-Treffen im australischen Cairns auch nicht. Darum versuchen sie es nun mit knapp 1000 wirtschaftspolitischen Maßnahmen.

Von Guido Bohsem und Markus Zydra, Cairns

Es blieb dem australischen Finanzminister Joe Hockey vorbehalten, die im Detail meist recht komplizierten Pläne der G20-Staaten in einfache Worte zu fassen. "Wir dürfen nicht pessimistisch sein, wir müssen den Menschen Hoffnung geben", sagte Hockey, der seine Kollegen aus den führenden Industrie- und Schwellenländern (G20) seit neun Monaten mit einer recht ambitionierten Agenda auf Trab hält.

Mehr Wachstum für die Welt - so das erklärte Ziel der australischen G20-Präsidentschaft, dem die Finanzminister und Notenbanker am Wochenende in der ostaustralischen Küstenstadt Cairns einen kleinen, aber wichtigen Schritt näher gekommen sind. Es liegen nun knapp 1000 wirtschaftspolitische Maßnahmen auf dem Tisch, die das globale Wachstum bis 2018 um zwei Prozentpunkte höher ausfallen lassen sollen als 2013 prognostiziert. Die letzten Details sollen beim G20-Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs im November im australischen Brisbane beschlossen werden.

Mehr Ausgeben - oder weniger Regeln?

Die kitzelige Frage ist: Sollen die Regierungen schlicht mehr ausgeben, um die Nachfrage zu stärken? Oder sollen sie ihre Wirtschaftsstruktur durch Deregulierung grundlegend reformieren?

"Für eine nachfrageorientierte Politik und die Geldpolitik der Notenbanken ist der Spielraum weitgehend ausgeschöpft", sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in Cairns. Er wies auch Forderungen zurück, Deutschland müsse noch mehr Geld ausgeben: "Wir in Deutschland verstärken die Investitionen in die Infrastruktur in dieser Legislaturperiode und werden über die geplanten fünf Milliarden Euro hinausgehen." "Wir sind nicht im Fokus der Politik. Wir nicht, und Europa nicht", sagte Schäuble.

Der amerikanische Finanzminister Jack Lew sah das ein wenig anders. "Europa hat andauernden Gegenwind, die Inflation ist gefährlich niedrig und die Arbeitslosigkeit liegt auf Rekordniveau", sagte Lew in seiner Pressekonferenz. Europa müsse die Nachfrage kurzfristig ankurbeln und langfristig die Wirtschaft strukturell reformieren. "Wir haben deutlich gemacht, dass es gilt, beide Teile zusammenzubringen." In dieser Frage gebe es jedoch "philosophische Differenzen mit den Freunden in Europa."

Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, forderte, jedes Land müsse sich seine wirtschaftspolitischen Maßnahmen selbst gezielt zuschneiden. "Jeder muss mehr tun, nicht nur Europa", sagte Lagarde.

Die amerikanische Wirtschaft erholt sich zwar besser von den Folgen der globalen Finanzkrise als die in Europa, doch insgesamt stecken die Industriestaaten und auch die Schwellenländer in der Klemme. "Die Weltwirtschaft entwickelte sich im zweiten Quartal schwächer", sagte Bundesbankpräsident Jens Weidmann. Darüber hinaus gebe es Risiken durch die geopolitischen Spannungen, die Reformmüdigkeit in manchen Ländern der Währungsunion sowie die Ungleichgewichte in Schwellenländern.

Wider die Steuerflucht

Zweiter Schwerpunkt des Ministertreffens war der Kampf gegen die Steuerflucht großer Konzerne. Die G20-Vertreter stimmten einem ersten Vorschlagspaket der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) zu. Damit sollen Schlupflöcher geschlossen werden, die sich viele international tätige Großunternehmen zunutze machen. Ihnen gelingt es, mit - ganz legalen - Gewinnverschiebungen zwischen verschiedenen Ländern ihre Steuerlast auf ein Minimum zu drücken. Dies hat vielerorts für Empörung gesorgt.

In der Kritik stehen etwa die Internetkonzerne Amazon und Google sowie der US-Kaffeeröster Starbucks. Ziel der OECD ist es, dass Unternehmen, Einrichtungen und Privatpersonen ihre Steuern dort zahlen, wo sie ihr Geld verdienen. OECD-Generalsekretär Angel Gurria hatte von der ehrgeizigsten Modernisierung des internationalen Steuersystems seit 100 Jahren gesprochen.

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