Elektrogeräte:Siemens verabschiedet sich vom Endkunden

Mit dem Rückzug aus der Haushaltsgeräte-Sparte verabschiedet sich Siemens endgültig vom Geschäft mit dem Endkunden. Das ist nur konsequent: Der Konzern ist dann besonders gut, wenn es um langfristige Projekte geht.

Kommentar von Christoph Giesen

Als die alten Herren bei Siemens noch das Sagen hatten, gab es im Zentralvorstand eine einfache Regel: Je besser die Marge eines Bereichs war, desto später beschäftigte sich das Gremium in seinen Sitzungen damit. Die Problemfälle wurden immer eifrig diskutiert; Osram oder der Geschäft mit den Haushaltsgeräten kamen oft zum Schluss dran, die Renditen waren schließlich solide und die alten Herren nickten milde.

Seitdem hat sich jedoch einiges verändert: Einen Zentralvorstand gibt es seit der Korruptionsaffäre nicht mehr, Osram ist längst eine eigene Firma, und auch das Haushaltswarengeschäft gehört schon bald nicht mehr zu Siemens. Bis Mitte 2015 will der Konzern seine 50-prozentige Beteiligung am Gemeinschaftsunternehmen BSH an den Joint-Venture-Partner Bosch abtreten. 3,25 Milliarden kassiert Siemens im Gegenzug, das Geld steckt der Konzern auch gleich wieder in die Übernahme des amerikanischen Kompressorenherstellers Dresser Rand.

Fürs Endkundengeschäft war der Münchner Konzern oft zu langsam

Mit dem Rückzug aus dem Haushaltsgerätegeschäft verabschiedet sich Siemens endgültig aus dem Endkundengeschäft. Man mag meinen, dass Siemens Gefahr läuft, den Bezug zum realen Leben zu verlieren - ein Industriekonglomerat, das nur noch an Großkunden liefert, vielleicht noch an Fachärzte. Da ist etwas dran und doch ist die Entscheidung nachvollziehbar, nach fast 50 Jahren aus dem Verbund mit Bosch auszuscheiden.

Die Wahrheit ist doch: Siemens ist dann besonders gut, wenn es um langfristig angelegte Projekte geht. Etliche Beispiele zeigen, dass sich der Konzern schwer tut mit Geschäften, die kurze Entwicklungszyklen haben. Da ist zum Beispiel das Handygeschäft. Lange zögerten sie bei Siemens, die verlustreiche Sparte abzustoßen - emotional war das nachvollziehbar, schließlich war es einst Unternehmensgründer Werner von Siemens, der die ersten Telegrafenleitungen in Europa errichten ließ. Und doch trennte sich Siemens zu spät. Die Käufer aus Taiwan führten das Geschäft schnurstracks in die Insolvenz.

Etliche Hersteller aus Asien fertigen preiswerter

Im Fall von Osram gelang die Trennung gerade noch rechtzeitig. Im vergangenen Jahr ging der konzerneigene Lampenladen an die Börse. In diesem Sommer dann brach das Geschäft ein, nun folgt Kündigungswelle auf Kündigungswelle. Gab es noch vor wenigen Jahren im Wesentlichen drei Glühlampenhersteller, die den Weltmarkt unter sich aufgeteilt hatten, ist mit dem Wechsel zur LED-Technik das Rennen neu eröffnet. Etliche Hersteller in Asien fertigen preiswerter, teures Equipment und Jahre lange Erfahrung sind nicht mehr von Nöten. Ähnliche, wenn auch weitaus weniger dramatische Veränderungen zeichnen sich auf dem Haushaltsgerätemarkt ab. Auch hier kommen neue Spieler hinzu.

Zum Beispiel Samsung. Der koreanische Konzern fertigt seit 2010 und greift die traditionellen Hersteller mit technischer Raffinesse an. Apps, die den Bräunungsgrad des Bratens auf dem Smartphone anzeigen oder computergesteuerte Kühlschränke, die automatisch Einkaufszettel verfassen und warnen, wenn die Milch abzulaufen droht, werden schon bald überall zu kaufen sein. Das ist die Premiumkonkurrenz.

Wer mitspielen möchte, muss investieren

Unstrittig ist, dass der Markt insgesamt größer wird: In den Schwellenländern können sich immer mehr Menschen Waschmaschinen und Kühlschränke leisten. Doch davon profitieren oft die preiswerten Hersteller. Einer der Erfolgreichsten ist Haier aus China, in Europa ist die Marke nahezu unbekannt, in der Volksrepublik agiert die Firma jedoch auf Augenhöhe mit den etablierten Herstellern. Und das Geschäft in China ist relevant: Wer künftig Geld verdienen möchte, muss in Asien präsent sein. Für diese Märkte müssen spezielle Produkte entwickelt werden. Einen Backofen zum Beispiel findet man in einer chinesischen Küche nur selten - kaum jemand backt dort einen Kuchen oder schiebt eine Tiefkühlpizza in die Röhre. Dafür müssen die Flammen, die ein Gasherd in Peking oder Shanghai erzeugt, weitaus stärker sein als in Europa: In den Woks in China wird schließlich heiß gegart.

Wer diese Herausforderungen annehmen möchte, muss bereit sein, Geld zu investieren. Siemens ist es nicht. Nie hat der Konzern Geld nachschießen müssen, die Rendite stimmte immer.

Die alten Herren werden die Trennung vielleicht nicht nachvollziehen können, doch die Zeiten, sie sind andere.

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