UN-Klimagipfel in New York:Große Worte, vage Zugeständnisse

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Der Eisbär steppt zum Protest: Beim Klimagipfel der Vereinten Nationen demonstrieren Gegner der weltweiten Umweltpolitik in New York. (Foto: Bryan Thomas/AFP)

Mehr als 120 Staats- und Regierungschefs tragen beim Klimagipfel in New York vor, was sie im Kampf gegen die Erderwärmung tun wollen. US-Präsident Obama bekennt sich zur besonderen Verantwortung der USA. Doch konkrete Ergebnisse bleiben aus.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Am Anfang steht die Schocktherapie. Der Chef des Weltklimarats IPCC tritt auf, Rajendra Pachauri, er braucht nur zwei Sätze für die zentrale Botschaft. "Wir haben reichlich Beweise, dass wir unser Klima verändern", sagt er. "Die Atmosphäre und die Ozeane haben sich erwärmt, Eis- und Schneemengen haben sich verringert, und der Meeresspiegel ist gestiegen."

Auch der amerikanische Klimakämpfer Al Gore kommt noch zu Wort, ebenso der Schauspieler Leonardo DiCaprio. Schließlich tritt eine junge Mutter von den Marshall-Inseln auf, mit einem Gedicht an ihr Baby. "Mami verspricht dir", sagt sie, "keiner verliert seine Heimat, keiner wird zum Klimaflüchtling - oder soll ich sagen: keiner sonst?"

"Nur einer ist im Weg", sagte Ban Ki Moon: "Wir."

Wenn der Stillstand in der globalen Klimapolitik nur daran gelegen hat, dass Staatenlenker den Ernst der Lage nicht verstehen, dann hat der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki Moon, zum Auftakt seines Sondergipfels in New York alles richtig gemacht. "Nur einer ist im Weg", sagt Ban selber: "Wir."

Und was machen "wir"? Mehr als 120 Staats- und Regierungschefs sind nach New York gekommen, sie sollen in jeweils vier Minuten vortragen, was sie zum Klimaschutz beizutragen haben. Und das sind im Schaufenster von New York zunächst große Worte. Da wäre etwa Barack Obama, der an die Warnungen des Morgens am Mittag nahtlos anschließt. "Wir sind die erste Generation, die die Folgen des Klimawandels spürt", sagt der US-Präsident. "Und wir sind die letzte, die etwas dagegen tun kann." Mehr noch, die USA, lange im Klimaschutz auf der Bremse, beanspruchen nun die Führung. "Wir, die USA und China, haben eine spezielle Verantwortung, zu führen", sagt er. "Das ist, was große Staaten tun müssen." Konkrete Klimaziele wolle er "Anfang nächsten Jahres" präsentieren.

Wenig später tritt der chinesische Vizepremier Zhang Gaoli ans Pult. Auch er spricht vom großen Ziel. "China ist bereit, mit anderen Staaten zusammen Verantwortung zu schultern und eine bessere Zukunft für die Menschheit zu bauen." Wie die Verantwortung konkret aussehen soll, will Peking bald klären. Sicher sei aber, dass China als "verantwortlicher Staat" noch mehr tun wolle als bisher - freilich entsprechend der eigenen "Fähigkeiten".

José Manuel Barroso, Chef der EU-Kommission. schließt sich allen Appellen an und lobt die Fortschritte der EU, die seit 1990 die Treibhausgas-Emissionen um 19 Prozent gesenkt habe, während die Wirtschaft um 45 Prozent wuchs. "Wachstum und Klimaschutz gehen Hand in Hand", sagt Barroso. Was er nicht sagt: Der Kollaps osteuropäischer Industrien hat das Seine beigetragen.

Barrosos Ziel für die Zukunft: 40 Prozent weniger klimaschädliche Emissionen

Für die Zukunft verspricht er neue, ambitionierte Klimaziele in Europa: ein Minus von 40 Prozent bei den klimaschädlichen Emissionen, weiteres Wachstum erneuerbarer Energien, Vorgaben für die effiziente Nutzung von Energie - alles endgültig zu vereinbaren beim EU-Gipfel im Oktober. Was er nicht sagt: Viele osteuropäische Staaten wollen davon bisher nichts wissen.

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Andere Staaten sind da schon weiter. Der Schwung für Klimaschutz in der EU drohe weiter abzunehmen, sagt Christoph Bals, Klimaexperte bei Germanwatch. Dafür gebe es aber bei den größten Klimasündern China und USA nun mehr Fortschritte als beim letzten großen Klimagipfel 2009 in Kopenhagen.

Das Treffen in New York soll auch helfen, dieses Trauma zu überwinden. Seinerzeit waren ebenfalls mehr als hundert Staats- und Regierungschefs angereist, sie sollten alles klarmachen für ein neues Klimaabkommen. Aber sie reisten mit leeren Händen ab - und werden im kommenden Jahr wohl wieder zusammenkommen, Mitte Dezember in Paris. Abermals soll dann ein Abkommen geschlossen werden. "Die Chancen stehen diesmal besser", sagt Bals.

Rousseff will, dass Industrieländer stärker in die Pflicht genommen werden

Allzu weit will sich aber jetzt noch kein Staatschef vorwagen, auch Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff nicht. In ihren vier Minuten redet sie nicht über künftige Verpflichtungen, sondern über die großen Fortschritte beim Schutz tropischer Regenwälder. Zwischen 2010 und 2020 würden so Emissionen von 650 Millionen Tonnen CO₂ vermieden, zwei Drittel des deutschen Gesamt-Ausstoßes. "Deswegen kündigen wir nichts an", sagt Rousseff, "wir reden über Resultate."

Ein verbindliches Abkommen wolle auch sie, sagt Rousseff noch. Aber eines, dass Industrieländer stärker in die Pflicht nimmt als Entwicklungsländer wie Brasilien. "Wir haben ein gleiches Recht auf Entwicklung", sagt Rousseff. Die Konfliktlinien im Klimaschutz sind ganz die alten, nur das Schaufenster ist neu.

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Auch Kanzlerin Angela Merkel war eingeladen, Ban Ki Moon hat mehrmals bei ihr nachgehakt. Merkel sprach stattdessen am Dienstag beim jährlich stattfindenden Tag der deutschen Industrie - und erwähnte das Treffen in New York mit keiner Silbe. Statt ihrer sollte dort in der Nacht Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) ans Mikrofon, Stunden nach den Staats- und Regierungschefs.

Was sie dort an Neuem auspacken würde, hatte sie schon vor Tagen angekündigt. Eine Finanzspritze etwa, für jenen Fonds, der Entwicklungsländer beim Aufbau einer nachhaltigen, klimafreundlichen Wirtschaft unterstützen soll. Auch soll die staatseigene Förderbank KfW nicht länger Kohlekraftwerke unterstützen, jedenfalls nicht als "Entwicklungshilfe".

Vage Versprechungen

Nicht viel Konkretes, aber immerhin doch mehr, als etwa Österreichs Bundespräsident Heinz Fischer mitbrachte. Der redete dreieinhalb Minuten über den Klimawandel im Allgemeinen und im Besonderen, ohne irgendetwas anzukündigen. Und dann beschwor er: "Lasst uns zusammen handeln!"

Nach Bans großen Worten klang all das am Ende kaum. "Wir sind nicht da, um zu reden, sondern um Geschichte zu machen", hatte er anfangs gefordert. Doch die Geschichte muss noch warten, bis 2015.

© SZ vom 24.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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