"Bulle von Tölz"-Museum:Pilgerstätte des perfekten Klischees

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Gute alte Zeit: Die Serie "Der Bulle von Tölz" mit Ottfried Fischer als Kommissar Benno Berghammer und Ruth Drexel als seine Mama lief 13 Jahre lang. (Foto: Sat1)

Der Bulle von Tölz hat sein eigenes Museum, wo Fans in Videos, Filmausschnitten und Schaubildern viel über ihre Lieblingsserie erfahren. Aber Requisiten suchen sie vergebens.

Von Heiner Effern, Bad Tölz

Ein Mord unter weiß-blauem Himmel, so appetitlich angerichtet, dass man sich ihn auf der Fernsehcouch reinziehen kann wie eine Brotzeit im Biergarten. Die Almwiesen grün, das Kloster barock, die Kleinstadt pittoresk. Die Sprache natürlich Bairisch, für einen großen Privatsender sogar in manchen Szenen erstaunlich authentisch. 13 Jahre lang funktionierte dieses Konzept, von 1996 bis 2009 liefen die Krimis um den Bullen von Tölz erfolgreich im deutschen Fernsehen.

Noch immer hat Ottfried Fischer alias Kommissar Benno Berghammer viele Fans, die in Bad Tölz vorbeischauen, um auf seinen gewichtigen Spuren die Marktstraße hinauf zu wandeln. Von diesem Freitag an haben diese nun in der oberbayerischen Kurstadt eine Anlaufstelle, um alles über ihre Lieblings-Serie zu erfahren: das Bulle von Tölz-Museum.

Ottfried Fischer
:Ein Museum für den "Bullen von Tölz"

Ein Privatunternehmer will Requisiten aus der TV-Serie präsentieren. Ausstellungsmacher Peter Syr und Amtsleiter Klaus Pelikan planen zudem einen neu gestalteten Brunnen und eine Ausstellung über Ottfried Fischer.

Klaus Schieder

Videos mit Filmausschnitten und Hintergründen zu den Dreharbeiten, große Portraits der Protagonisten mit Texten von Ottfried Fischer, Drehbücher. Besucher erfahren jede Menge über die insgesamt 69 Krimis, sehen aber erstaunlich wenig Requisiten. Diese seien lange herumgelegen und der Stadt nicht nur einmal angeboten worden, sagt Ausstellungskurator Peter Syr. Doch passiert sei nichts. Als schließlich ein Geschäftsmann aus Bad Tölz, Peter Seidel, privat das Museum aufbaute, "fuhr gerade der Lkw mit dem letzten Container davon. Zum Entsorgen", sagt Peter Syr. Also nähert er sich dem Thema nicht aus der Kulisse, sondern mit dem Blick von außen.

Ein großes Schaubild zeigt zum Beispiel die Drehorte für den Bullen von Tölz. Die roten Punkte reichen von Garmisch-Partenkirchen bis nach Berchtesgaden. Wo Oberbayern mit landschaftlicher Schönheit glänzt, da ermittelt dieser bedauernswerte Bulle aus Tölz, der sich in seiner Kleinstadt mit einer Mordrate herumschlagen muss wie die Kollegen im Münchner Polizeipräsidium.

Nah dran an der bayerischen Wirklichkeit

Überhaupt spart die Serie, die über mehr als ein Jahrzehnt das Bayernbild in Restdeutschland stärker geprägt haben dürfte als jede Imagebroschüre der Staatsregierung, nicht mit Klischees. Landrat Toni Rambold ist ein hinterfotziger Bazi, der aus jedem Geschäft einen Gewinn herausschlagen will. Nicht weniger auf seinen Vorteil bedacht ist hinter seiner bigotten Fassade der Kirchenmann Prälat Hinter. Und der Landtagsabgeordnete sticht vor allem dadurch hervor, dass er sich in seiner Freizeit gerne im knappen Lederoutfit von seiner Domina auf allen Vieren durchs Etablissement führen lässt.

Gegen diese Clique ermittelt ein Team, bestehend aus einem begriffsstutzigen Streifenpolizisten, einer norddeutschen Kommissarin mit herbem Charme und einem übergewichtigen Benno Berghammer, dessen ödipaler Komplex nur von seiner Liebe zu einem perfekten Schweinsbraten übertroffen wird.

Drehorte in Bayern
:Zu Besuch in den Kulissen

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Dass die Serie nicht in diesem Holzschnitt ein frühes Ende fand, lag zum einen an Schauspielern wie Ruth Drexel (Mutter) oder Michael Lerchenberg (Prälat Hinter), zum anderen an der bayerischen Wirklichkeit, die besonders in der Politik nur ungerne ein Klischee auslässt. Ein Landrat in unmittelbarer Nachbarschaft hätte mit einem gesponserten Geburtstagsfest, einem handfesten Betrug bei seiner Doktorarbeit oder einem Schwarzbau bestens ins Serienkonzept gepasst. "Natürlich sind die Personen satirisch überzeichnet. aber der Bulle von Tölz ist wahr", sagt Kurator Syr. Und nennt noch so ein Beispiel aus der Politik. "Wer hätte sich denn ausdenken können, dass eine bayerische Ministerin zurücktreten muss, weil ihr Mann als Landgerichtsarzt Mörder im Gefängnis Modellautos bauen lässt und dann auf eigene Rechnung verkauft?"

Die Tölzer selbst waren anfangs übrigens skeptisch. Dass Ottfried Fischer sich für einen solchen Dreck hergebe, fragte man sich öffentlich nach dem Serienstart. Als Hinterwäldler oder Dumpfbacken fühlten sich die Einheimischen verunglimpft. Sobald sie jedoch bemerkten, dass wegen der Serie auch zahlende Gäste in die Stadt kamen, sollen diese Töne leiser geworden sein. Aber sicher ist das auch nur ein Klischee.

© SZ vom 26.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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