Gasstreit zwischen Moskau und Kiew:Ungarn setzt Gaslieferungen an Ukraine aus

Überraschend unterbricht Ungarn seine Gaslieferung an das Nachbarland. Stattdessen will es die Kooperation mit Russland ausweiten. In Berlin hält EU-Kommissar Oettinger eine Lösung im Streit zwischen Russland und der Ukraine für möglich.

  • Ungarn setzt seine Gaslieferungen an die Ukraine aus. Kritiker werfen der nationalkonservativen Orbán-Regierung vor, im Ukraine-Konflikt zur russischen Sicht der Dinge zu tendieren.
  • In Berlin nehmen die Chancen für eine Lösung zwischen Russland und der Ukraine zu. Sie setzen nach wochenlanger Pause ihre Gespräche im Gasstreit fort.
  • Für Aufregung sorgt, dass der Grünen-Europapolitikerin Rebecca Harms in Moskau die Einreise nach Russland verweigert wurde.

Ungarn setzt Gaslieferungen an Ukraine aus

Der ungarische Gasversorger FGSZ hat seine Gaslieferungen an die Ukraine ausgesetzt. Dies berichten mehrere Medien und berufen sich dabei auf eine Mitteilung des Unternehmens. Darin heißt es, die Lieferunterbrechung gelte "auf unbestimmte Zeit". Die Regierung in Budapest begründete den Schritt damit, dass die ungarischen Gasreserven aufgestockt werden sollten und die Kooperation mit Russland mit Russland im Energiebereich ausweiten wolle. In der Ukraine und in Brüssel rief die Entscheidung Kritik hervor.

Der konservativen ungarischen Regierung wird von Kritikern vorgehalten, im Ukraine-Konflikt zur russischen Sicht der Dinge zu tendieren. Regierungschef Viktor Orban hatte wenige Stunden vor der FGSZ-Entscheidung den Chef des russischen Gasriesen Gazprom, Alexej Miller, in Budapest getroffen.

Die Ukraine erhält momentan kein Gas aus Russland. Kiew hat Milliardenschulden bei Gazprom. Deshalb kauft das Land bei anderen Gazprom-Kunden aus Polen, der Slowakei und eben Ungarn. Allerdings sind diese Lieferungen in den Verträgen des Gazprom-Monopolisten verboten, weswegen dieser mit Konsequenzen droht.

Der ukrainische Versorger Naftogaz bezeichnete die Entscheidung aus Ungarn als "unerwartet und unerklärlich": Ungarn müsse "vertragliche Verpflichtungen und die Gesetzgebung der Europäischen Union befolgen", forderte das Unternehmen.

Neue Gespräche in Berlin

Die Chancen auf eine Lösung im Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine sind nach Angaben der EU-Kommission erheblich gestiegen. Es seien Eckpunkte für ein "Winterpaket" erarbeitet worden, um die Gasversorgung Europas über den Winter bis ins Frühjahr zu sichern, sagte EU-Energiekommissar Günther Oettinger nach Verhandlungen mit beiden Seiten in Berlin. Die Ukraine soll für die Winterperiode in den kommenden sechs Monaten einen Preis von 385 US-Dollar für je 1000 Kubikmeter Gas zahlen. Zudem verpflichtet sich die Ukraine nach Angaben Oettingers, für offene Gasrechnungen beim russischen Gasmonopolisten Gazprom bis Ende Oktober zwei Milliarden US-Dollar zu bezahlen. Die EU werde dafür eine Garantie beim Internationalen Währungsfonds (IWF) erwirken, sagte Oettinger. Bis Jahresende seien dann weitere 1,1 Milliarden Dollar von Kiew an Moskau fällig.

Bis Ende nächster Woche haben die Regierungen in Moskau und Kiew nun Zeit, diesem Paket zuzustimmen. Dann sollen die Verhandlungen bei einem weiteren Treffen in Berlin abgeschlossen werden. Der russische Energieminister Alexander Nowak sagte: "Die Details des Winterpakets sind für uns zufriedenstellend". Ein Teil der ukrainischen Altschulden werde beglichen, neue Gaslieferungen werde es nur gegen Vorkasse geben. Noch seien einige Punkte zu klären, bevor er der russischen Regierung eine Zustimmung empfehlen könne: "Wir wollen den Ereignissen nicht vorgreifen."

Nowak droht dem Westen mit Lieferunterbrechungen

Kurz vor dem Treffen hatte Russlands Energieminister Nowak den Ton noch einmal verschärft. Er drohte dem Westen mit Lieferunterbrechungen, sollten EU-Länder weiterhin russisches Gas an die Ukraine weiter verkaufen. "Die geschlossenen Verträge sehen keinen Re-Export vor. Wir hoffen, dass unsere europäischen Partner sich an die getroffenen Vereinbarungen halten. Nur das kann die unterbrechungsfreien Lieferungen an europäische Verbraucher garantieren", sagte Nowak dem Handelsblatt.

Jazenjuk: Russland will uns frieren sehen

Harsche Töne kamen auch aus Kiew: "Sie wollen, dass wir frieren", sagte Ministerpräsident Arseni Jazenjuk am Rande der UN-Vollversammlung in New York. Dies sei das Ziel Russlands für den kommenden Winter.

Grünen-Politikerin Harms in Russland "unerwünscht"

Für Aufregung sorgte am Vorabend des Gas-Treffens die verweigerte Einreise der Grünen-Europapolitikerin Rebecca Harms nach Russland. "Nach drei Stunden Warten am Moskauer Flughafen wurde ihr erklärt, dass sie eine "unerwünschte" Person in Russland sei und ihre Einreise ein "krimineller Akt" wäre", teilte ihre Fraktion in Brüssel mit.

Das Auswärtige Amt bewertete die "völlig unvermittelte" Einreise-Verweigerung als "inakzeptabel". Die Fraktionschefin der Grünen im EU-Parlament wollte an diesem Freitag als Beobachterin an einem Gerichtstermin in Moskau gegen die wegen Mordes angeklagte ukrainische Pilotin Nadeschda Sawtschenko teilnehmen. Harms sei trotz eines Diplomatenpasses abgewiesen worden, hieß es.

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