"Er sagt, sie sagt":Ich sehe keinen Dreck

popart teaser kolumne "er sagt, sie sagt"

Sie hätte es gern sauber, er wünscht sich mehr Ordnung. Beide halten sich gegenseitig für Chaoten.

(Foto: iStock)

Zwischen keimfreier Zone und Mikrobenaufzuchtstation: In Sachen Sauberkeit und Ordnung sind Frauen und Männer hin und wieder geteilter Meinung.

Von Violetta Simon

Sie hängt gerade ihren Mantel an die Garderobe und beobachtet ihn dabei, wie er mit suchendem Blick am Sideboard auf- und abtigert. Er hebt vorsichtig Papierstapel an, bückt sich schließlich und fixiert seitlich die Oberfläche des Möbelstückes.

Er: Hast du hier sauber gemacht?

Sie: Was soll der vorwurfsvolle Ton? Ja, allerdings habe ich hier sauber gemacht. Mal wieder. Wie immer. Immer ich.

Er: So ein Mist. Sie ist weg.

Sie: Was ist weg, was meinst du?

Er: Die PIN von meiner neuen EC-Karte.

Sie: Also ich habe nichts weggeworfen, nur damit das klar ist.

Er: Ja, aber du hast offensichtlich das Sideboard abgewischt. Und nun ist sie weg.

Sie: Da war aber kein Zettel!

Er: Es handelt sich auch nicht um einen Zettel, den Brief mit der PIN finde ich schon lange nicht mehr. Deshalb hatte ich sie sicherheitshalber in den Staub geschrieben, bevor ich sie vergessen konnte.

Sie: Du hast was?

Er: Na ja, ich hatte gerade keinen Stift zur Hand. Ich konnte doch nicht ahnen, dass du hier wieder gleich sämtliche Spuren von mir verwischst.

Sie: Und ich konnte nicht ahnen, dass du irgendwelche Botschaften in den Dreck kratzt. Soll ich mich auch noch dafür entschuldigen, dass ich hier mal ab und zu sauber mache?

Er: Du könntest mich zumindest vorwarnen.

Sie: Also bitte! Sooo überraschend war das auch wieder nicht. Die Staubschicht war fingerdick. Sonst hättest du nicht deine Notizen darin hinterlassen können. Und ich wäre gar nicht auf die Idee gekommen, hier zu wischen.

Er: Als müsste man dich erst auf die Idee bringen. Ha, dass ich nicht lache!

Sie: Das ist ja wohl die Höhe! Meinst du vielleicht, ich putze hier, weil es mir so viel Spaß macht? Ich mache das nur, weil du es nicht machst!

Er: Ich würde ja sauber machen. Aber dann, wenn ich es für richtig halte. Nicht, wenn dir gerade danach ist.

Sie: Es ist einzig und allein der Dreck, der hier die Vorgaben macht - nicht ich.

Er: Aber du lässt dich von ihm unter Druck setzen, das könnte mir nie passieren. Du hast einen Putzfimmel, sage ich dir! Zum Beispiel, die Zeitungen aus dem Klo zu verbannen, um Platz für Desinfektionsmittel zu schaffen. So etwas bringst nur du fertig. Ich käme auch im Leben nicht auf die Idee, eine saubere Klobrille zu desinfizieren, bevor ich sie benutze.

Sie: Wegen mir kannst du die Klobrille auch gerne desinfizieren, nachdem du sie benutzt hast. Ist mir noch lieber. Hauptsache, du nimmst überhaupt mal einen Lappen in die Hand! Bis du dich mal bequemst, hier sauber zu machen, sind wir hier im Schmutz versunken.

Sie kann es nicht erwarten

Er: Siehst du, genau das ist dein Denkfehler! Würdest du es endlich mal schaffen und lange genug warten, kämst du auch mal in den Genuss meiner Hausarbeit. Aber so schnell kann ich gar nicht sein, da warst du immer schon da.

Sie: Ach ja? Und wann hast du das letzte Mal den Staubsauger in der Hand gehabt - weißt du überhaupt, wo wir ihn aufbewahren?

Er: Das weiß ich sehr wohl. Erst kürzlich zum Beispiel hätte ich im Schlafzimmer um ein Haar gesaugt. Wenn da nicht überall deine Kleiderberge herumliegen würden. Wo man hinschaut: Häufchen, nichts als Häufchen. Auf dem Stuhl, am Fußende des Bettes, sogar auf der Kommode. Selbst an der Schranktür hängen Klamotten. Eigentlich müsste dein Schrank leer sein.

Sie: Ist er aber nicht. Er ist perfekt gefüllt. Genau darauf basiert das komplette Prinzip. Ein Teil meiner Garderobe muss sich draußen befinden und bewegt sich über ein ausgeklügeltes System von Zwischenstationen zurück in den Kleiderschrank.

Er: Was willst du damit sagen - dass du zu viele Klamotten hast?

Sie: Nein, dass mein Schrank zu klein ist. Nur dank meines Häufchensystems gelingt es mir, dieses Problem in Schach zu halten.

Er: Ich sehe hier nur Chaos.

Sie: Aber nein, ich kann es dir beweisen! Schau: Die Sachen auf dem Bett sind meine Wohlfühlklamotten, die liegen da nur, bis ich von der Arbeit komme, weil ich sie abends anziehe. Was auf der Kommode liegt, muss ausgebessert werden oder es fehlen Knöpfe. Auf den Stuhl lege ich Kleidungsstücke, die nicht mehr ganz frisch sind, aber die ich noch mal tragen kann.

Er: Und das Häufchen auf der Waschmaschine?

Sie: Das gehört in die Wäsche.

Er: Warum tust du es dann nicht in den Wäschekorb?

Sie: Das ist Feinwäsche, die darf sich nicht mit dem Rest vermischen. Dann wirfst du es wieder mit dem Rest zusammen in die Maschine, und alles ist kaputt.

Er: Aha, dann gibst du also immerhin zu, dass ich unsere Wäsche wasche?

Sie: Ich gebe gar nichts zu.

Er: Und was ist mit dem Zeug auf dem Fensterbrett?

Sie: Hm, das kenne ich nicht. Sieht aus wie deine Jogginghose.

Er: Ach, die suche ich schon seit Ewigkeiten (hebt sie hoch). Oh! Der Brief mit der PIN. Er war die ganze Zeit unter der Jogginghose. Das kommt davon, wenn man zu selten Sport macht.

Sie: Quatsch. Das kommt davon, wenn du Häufchenbildung ohne System betreibst.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: