Französisch-Polynesien:Urlaub auf dem Marlon-Brando-Atoll

Bei den skandalträchtigen Dreharbeiten zu "Meuterei auf der Bounty" verliebte sich Hollywood-Legende Marlon Brando in eine 19-jährige Tänzerin - und in eine Insel. Zu Besuch auf dem Südsee-Atoll Tetiaroa bei Tahiti.

Von Jochen Temsch

Genau hier könnte es gewesen sein. Ein langer, sandiger Streifen am Ende des Strandes. Das Wasser so warm wie die Luft. Eine kleine Palme, unter der Kokosnüsse liegen. Genau so eine Stelle beschreibt Marlon Brando in seiner Biografie "Songs My Mother Taught Me": Eines Nachts streckte er sich unter so einer Palme aus, legte seinen Kopf auf eine Kokosnuss, tauchte die Füße ins Wasser und schaute in den Himmel. "Hier bin ich nun", schreibt er in seinen Erinnerungen, "auf einem winzigen Fleckchen Erde mitten in einem riesigen Ozean, auf einem Planeten, der in der Mitte eines unvorstellbar großen Areals liegt, das wir Weltraum nennen, und ich schlafe auf Tierskeletten (denn nichts anderes sind Korallenriffe)."

Das winzige Fleckchen Erde, von dem er berichtet, war sein privates Atoll Tetiaroa in Französisch-Polynesien. Ein Fluchtort, acht Flugstunden entfernt von Los Angeles, seiner Villa am Mulholland Drive, den Paparazzi, Ex-Ehefrauen, zahlreichen Geliebten und einem heftigen Sorgerechtsstreit. Rund 30 Jahre lang kam er regelmäßig für ein paar Wochen hierher. Das Atoll war tabu für die Öffentlichkeit. Jetzt hat ein Hotelresort darauf eröffnet.

Der Sand ist geharkt, keine Insekten stören die allzu perfekte Kulisse

Die sechssitzige Turboprop startet in Tahitis Hauptstadt Papeete. Nach 20 Minuten Flug taucht das Atoll auf: ein rundes, für Schiffe unüberwindbares Riff und ein Ring von zwölf kleinen Inseln voller Kokospalmen, gesäumt von mehlweißen Stränden. Die Inselchen, Motus genannt, haben eine Landfläche von zusammen sechs Quadratkilometern. Sie schließen die Lagune ein, die in allen Schattierungen von Türkis glüht, als wäre sie elektrisch aufgeladen.

Marlon Brandos Insel in Tahiti

Endstation Sehnsucht: Das Resort liegt auf der Hauptinsel Onetahi.

(Foto: TahitiFlyShoot/TMK, Warner Brothers)

Selbst der Bodenkontakt auf der kurzen Landebahn der Hauptinsel Onetahi zerstreut nicht den komplett surrealen ersten Eindruck. Die Gäste werden vom süßen Duft frisch gepflanzter Tiaré-Büsche begrüßt, mit tahitianischen Gesängen und kalten Handtüchern. Ein junger Mann mit nacktem Oberkörper reicht sie. Er ist mit Federschmuck als Häuptling verkleidet - und hat Politologie studiert, wie er später sagt.

Im Golfbuggy geht es auf einem asphaltierten Weg durch einen Palmenhain ins neue Resort The Brando. Dabei sind die Entfernungen durchaus gut zu Fuß zu machen. In 40 Minuten ist man um Onetahi herumgegangen. Aber zu viel Schweißverlust will man den Gästen hier nicht zumuten. Und noch etwas fällt sofort auf: Jeder Quadratzentimeter Sand ist geharkt, kein Blatt liegt am Boden, nicht einmal herumschwirrende Insekten stören die perfekte, einen Tick zu perfekte Kulisse.

35 Villen mit bis zu drei Schlafzimmern stehen dezent zurückgesetzt und unter Palmen versteckt entlang von zwei Buchten. Jede Villa hat ein eigenes Strandareal, einen Pool, Wohn- und Arbeitsräume und mindestens zwei Flachbildfernseher. Dazu gibt es ein Spa, zwei Restaurants und Bars. Doch viele Urlauber bevorzugen den Roomservice, sagt der Concierge Jean-Philippe Gaud: "Einmal hatten wir Gäste, die blieben drei Wochen und verließen ihre Villa kein einziges Mal."

Brando entdeckte Tetiaroa beim Dreh zu "Meuterei auf der Bounty"

Marlon Brando fand die Insel weniger geschleckt vor. Er hatte Tetiaroa während der spektakulär aus dem Ruder laufenden Dreharbeiten von "Meuterei auf der Bounty" im Jahr 1961 entdeckt. Der mächtige Oscar-Preisträger, damals 37 Jahre alt, mimte den rebellischen Offizier Fletcher Christian, verschliss einen Regisseur, nervte die Crew mit Starallüren und wurde beschuldigt, die Produktionskosten ausufern zu lassen, die das Filmstudio MGM fast ruinierten. Und er verliebte sich in die 19-jährige Tänzerin Tarita Teriipaia aus Bora Bora, die im Film umwerfend schön aussieht und höchstens vier Sätze spricht. Sie heirateten und bekamen zwei Kinder.

Marlon Brando und Tarita Teriipaia, hier bei den "Bounty"-Dreharbeiten

Marlon Brando und Tarita Teriipaia, hier bei den "Bounty"-Dreharbeiten, hatten die Strände für sich.

(Foto: Warner Brothers)

In seiner Biografie schreibt Marlon Brando: "Wenn ich je wirklich nahe am Glück war, dann auf meiner Insel unter lauter Tahitianern." Er bezahlte 270 000 Dollar für Tetiaroa. Das Atoll gehörte den Erben eines kanadischen Zahnarztes, der es wiederum vom letzten König von Tahiti, dem Lebemann Pomaré V., zur Begleichung einer Behandlungsrechnung erhalten hatte.

1966 wurde Brando Eigentümer. Er ließ sich mit einem Schiff ans Atoll bringen und stieg in ein Ruderboot, um über das Riff zu gelangen, das sich 30 Kilometer lang wie eine Mauer um die Lagune schließt. An Bord hatte er alles, was er auf einer einsamen Insel nützlich fand: einen Stromgenerator, eine Schaufel, ein Bierfass. Die Wellen schmetterten ihn auf das Riff, das Boot zerschellte, und Brando verletzte sich so schwer, dass er zurück nach Papeete musste.

Erst mit Brandos Erben kam ein Tourismusunternehmen ins Geschäft

Auch die Erbauer von The Brando hatten mit dem Riff zu kämpfen. Das Material für das Resort wurde mit Schiffen ans Atoll geliefert und über einen hölzernen Steg in die Lagune verfrachtet. Außerhalb des Riffs ist das Meer 1000 Meter tief, in der Lagune maximal 30 Meter, und an den Stränden der Inselchen reicht es nur bis zu den Knien.

Hinter dem Resort steht das polynesische Hotel- und Kreuzfahrtunternehmen Pacific Beachcomber. Dessen Gründer und Chef Richard Bailey war schon ab 1999 in Verhandlungen mit Marlon Brando darüber, was sich aus dem Atoll machen ließe.

Erst mit den Verwaltern von Brandos Erbe kam Bailey ins Geschäft, acht Monate nach dem Tod des Schauspielers im Jahr 2004. Bailey bezahlt den Erben die Nutzung der Insel und die Verwendung des Namens Brando. Ehemalige Vertraute des Schauspielers kritisierten, Brando hätte so einem Personenkult nie zugestimmt.

Marlon Brandos Insel in der Südsee
(Foto: SZ Grafik)

Brando wünschte sich, dass die Insel ein Rückzugsort der Tahitianer bleibt

Seine eigenen Vorstellungen beschreibt er in seiner Biografie: "Wenn es nach mir ginge, würde Tetiaroa auf ewig ein Ort bleiben, der die Tahitianer daran erinnert, was sie sind und schon vor Jahrhunderten waren." Brando verfügte, dass seine Asche teils auf dem Atoll, teils im Death Valley in der Wüste Kaliforniens verstreut wird.

Einer der letzten Absätze seiner Erinnerungen liest sich wie ein Testament. Er wünscht den Tahitianern, "dass sie an einem Ort leben, an dem man sich erholen und fortpflanzen und das Leben genießen kann, ohne von Außenstehenden ausgebeutet zu werden. Ich hätte es gern, dass die Insel ein Meerespark mit technologischen Systemen wird, die dazu beitragen, die Einwohner mit Nahrung zu versorgen . . . Wenn ich das schaffe, freut mich das mehr als alles andere, was ich in meinem Leben erreicht habe."

An den technischen Systemen wird heute tatsächlich gefeilt. Zum Resort gehört eine "Eco Station", eine Arbeits- und Wohnstätte für Wissenschaftler. Unter den Gästen ist Lauren Brandkamp, eine Graduierte von der University of Washington. Sie untersucht die von CO₂ verursachte Säurebildung in der Lagune, unter der die Korallen leiden. "Korallenriffe sind die Regenwälder der Ozeane", sagt sie. Tetiaroa findet sie besonders spannend für ihre Arbeit: "Das Riff ist unberührt, die Natur noch intakt."

Steinerne Plattformen der Ureinwohner und exotische Tiere

Das liegt auch daran, dass bislang kaum Besucher hier waren. Nur Onetahi ist bewohnt, die anderen elf Motus sind so wild wie vor Hunderten Jahren. Auf einer Insel haben Archäologen steinerne Plattformen der polynesischen Ureinwohner entdeckt. Sie belegen, dass Tetiaroa einst die Sommerresidenz der tahitianischen Königsfamilie war und Schauplatz archaischer Rituale.

Auf einer anderen Insel gibt es einen Urwald voller seltener Bäume und riesiger Kokoskrabben. Auf wieder einem anderen Motu nisten exotische Vögel wie Noddis, Pazifik-Kuckucke und Rotfußtölpel, die keine Angst vor Menschen kennen. Zwischen zwei Inseln verläuft ein schmaler Kanal, der die Lagune mit frischem Meerwasser versorgt. Er ist knietief, badewannenwarm, und wenn man durch ihn watet, scheucht man harmlose, kleine Zitronenhaie auf.

Marlon Brandos Enkelin erklärt den Gästen die wilde Natur des Atolls

Die Bootstouren zu den Motus werden von Mitarbeitern der Umweltschutzorganisation "Te Mana O Te Moana" geleitet. Marlon Brandos Enkelin Tumi Brando ist eine davon. Sie sagt: "Ich wundere mich, wie schnell sich unsere Besucher aus hektischen Städten an den ruhigen Lebensrhythmus des Atolls gewöhnen."

Die 26-Jährige lebt bei ihrem Vater, Marlon Brandos Sohn Teihotu, auf Onetahi, in einer einfachen, achteckigen Hütte, vom Resort durch die Landebahn getrennt. Teihotu Brando arbeitet als Guide für Wissenschaftler und fährt mit Resort-Gästen zum Fischen hinaus. Er kennt jeden Quadratmeter des Atolls, auf dem er aufgewachsen ist. Aber er spricht nicht mit Journalisten.

Zu viel haben sie über seine Familie geschrieben. Über die tödlichen Schüsse, die sein Halbbruder Christian auf den Freund seiner Schwester Cheyenne abgegeben hat. Über ihren Suizid. Ab 1990 mied Marlon Brando Tetiaroa, weil er von den Angehörigen des Getöteten, einer einflussreichen tahitianischen Familie, bedroht wurde.

Ein Playboy-Journalist war damals schon auf dem Atoll, jetzt ist er wieder da

Die achteckige Hütte an der Landebahn ist das Überbleibsel eines primitiven Resorts, mit dem Marlon Brando in den Siebzigerjahren selbst versucht hatte, Besucher auf sein Atoll zu locken. Das Projekt scheiterte an mangelnder Nachfrage. Einer der wenigen, die Tetiaroa von früher kennen, ist der Journalist Larry Grobel aus Los Angeles. 1978 wohnte er zehn Tage bei Marlon Brando, um ihn für den Playboy zu interviewen und ein Buch über ihn zu schreiben.

Jetzt ist er wieder hier, um das neue Resort zu testen. Sein Kinnbart ist grau geworden, aber den Indiana-Jones-Schlapphut trägt er immer noch lässig schief. "Damals beklagte sich ein Gast darüber, dass seine Hütte zu stickig sei und zu wenig Fenster habe", erzählt Grobel, "Marlon wies einen Mitarbeiter an, mit der Machete ein Loch in die Wand zu schlagen - das hatte echt Stil!"

Im neuen Resort gibt es Klimaanlagen in den Villen. Dafür kann man nur wenige Fenster öffnen. Die schweren Gerüche der Tropennächte, der Sternenhimmel, das ferne Meeresrauschen am Riff, überhaupt die ganze wunderbare Atmosphäre des Atolls bleibt ausgesperrt - das fördert keine Südseeträume. Grobel sagt, er schlafe lieber draußen auf einer Sonnenliege.

Umweltfreundlichkeit ist natürlich so eine Sache

Immerhin werden die Klimaanlagen ökologisch innovativ mit kaltem Meerwasser betrieben, das eine Pumpe vor dem Riff aus 900 Meter Tiefe fördert. Die gesamte Energieversorgung läuft über Solarzellen und bei zu vielen Wolken über Kokosöl-Generatoren. The Brando soll nach den Worten seines Erbauers Bailey "das luxuriöseste umweltfreundliche Resort der Welt" werden. Aber Umweltfreundlichkeit ist natürlich so eine Sache, wenn man bedenkt, wie viel CO₂ die Gäste aus Europa auf ihrem 20-stündigen Flug über rund 17 000 Kilometer in die Atmosphäre blasen.

Und nicht nur sie kommen diesen weiten Weg, sondern beispielsweise auch das italienische Mineralwasser und die Trüffel, die es zum Kalbsfilet im formelleren der beiden Restaurants gibt. Bis auf Kokosnüsse, Honig und Lagunenfische werden alle Zutaten von außerhalb des Atolls gebracht.

Teihotu Brando isst nicht im Resort. Aber man sieht ihn jeden Tag auf seinem kleinen Motorboot in der Lagune. Sein Profil, seine Körperfülle, seine Cäsar-Nase sind die des Vaters als Colonel Kurtz, nur mit Surfershorts und Strohhut. Wahrscheinlich könnte er auch woanders, in einer großen Villa statt in einer Strandhütte auf dem Atoll leben. Aber warum sollte er?

Informationen

Anreise: Flug mit Air Tahiti Nui ab Paris CDG über Los Angeles nach Papeete und zurück ab ca. 1900 Euro, www.airtahitinui.co.uk, von deutschen Flughäfen nach Paris und zurück mit Air France ab ca. 110 Euro, www.airfrance.de, bei längerem Stopover Tageszimmer im Hotel Sheraton am Pariser Flughafen CDG ab 150 Euro, www.sheratonparisairport.fr; von Papeete nach Tetiaroa mit Air Tetiaroa, einfach ca. 150 Euro.

Übernachtung: Villas ab 3000 Euro pro Nacht, Verpflegung all-inclusive (Mahlzeiten und Getränke, dazu ein Ausflug und eine Spa-Behandlung pro Tag).

The Brando: Reservierung unter Tel.: 00689/40 86 63 66, www.thebrando.com

Weitere Auskünfte: Naturschutz und Forschung im Atoll: www.tetiaroasociety.org/

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