Übergriffe in Flüchtlingsheimen:Sicherheitsfirma entlässt verdächtige Mitarbeiter

In drei Flüchtlingsheimen in Nordrhein-Westfalen sollen private Wachmänner Asylbewerber misshandelt haben. Eine betroffene Sicherheitsfirma hat den verdächtigen Mitarbeitern nach eigener Aussage nun gekündigt. Innenminister Jäger von der SPD stellt mehr Kontrollpersonal in Aussicht.

  • Die vom Wachleute-Skandal betroffene Firma SKI stellt sich demonstrativ auf die Seite der Ermittler und entlässt nach eigenen Angaben die verdächtigen Mitarbeiter.
  • Der Innenminister von NRW, Ralf Jäger (SPD), stellt mehr Personal zur Überwachung der Standards in Flüchtlingsheimen in Aussicht.
  • CDU-Landeschef Armin Laschet greift die rot-grüne Regierung wegen der Vorfälle an.
  • Linke und Grüne stellen die Eignung privater Sicherheitsdienste infrage.
  • In NRW ermittelt die Polizei wegen Übergriffen von Mitarbeitern privater Sicherheitsdienste auf Asylbewerber - in Burbach, Essen und Bad Berleburg.

"Vorfälle sind niederträchtig"

Im Misshandlungsskandal in nordrhein-westfälischen Flüchtlingsheimen will die Sicherheitsfirma SKI Polizei und Staatsanwaltschaft bei den Ermittlungen gegen eigene Wachleute unterstützen. "Die bekanntgewordenen Vorfälle sind niederträchtig", teilte die Firma mit. "Selbstverständlich haben wir unmittelbar die uns zur Verfügung stehenden arbeitsrechtlichen Konsequenzen gezogen." Alle betroffenen Mitarbeiter sind laut einem Sprecher fristlos entlassen worden.

Alle SKI-Mitarbeiter würden laufend durch das Ordnungsamt Nürnberg überprüft. Dazu nehme die Behörde etwa in regelmäßigen Abständen Einsicht in das Bundeszentralregister. Bei der Bewachung von Erstaufnahmeeinrichtungen für Asylbewerber und Flüchtlingsheimen habe SKI zudem teilweise mit Polizei und Ordnungsämtern darüber hinaus gehende Prüfungen vereinbart. SKI will so sicherstellen, dass auch schwebende Verfahren gegen Mitarbeiter "rechtzeitig bekannt" würden.

NRW-Innenminister verspricht mehr Personal

Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) will sofort mehr Personal zur Überwachung der Standards in Flüchtlingsheimen bereitstellen. "Wir müssen feststellen, dass wir noch mehr kontrollieren müssen, dass unsere Vertragspartner nicht alle vertraglichen Bedingungen eingehalten haben", sagte Jäger nach Berichten über Misshandlungen in Asylbewerberheimen. Das Kontrollpersonal sei bereits in der Vergangenheit aufgestockt worden, sagte der Minister. "Wir tun das jetzt nochmal mit dem klaren Auftrag, die vereinbarten Qualitätsstandards kontinuierlich kontrollieren zu können." Dass so viele Flüchtlinge nach Nordrhein-Westfalen kommen, dürfe nicht dazu führen, Standards und die Verpflichtung, eine menschliche Unterkunft zu bieten, zu vernachlässigen.

Der Minister erklärte, überwiegend hätten Vertragspartner, darunter auch viele karitative, in den vergangenen Jahren seriöse Arbeit abgeliefert. "Aber was nicht geht ist, dass diese Unternehmen sich Subunternehmen bedienen, deren Tätigkeit sie nicht kontrollieren, und wir anschließend feststellen müssen, dass sich unter dieses Personal auch Kriminelle gemischt haben." Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) zeigte sich "fassungslos" und versprach: "Wir werden jedem einzelnen Verdacht nachgehen".

"Regierung hat die Aufsichtspflicht nicht wahrgenommen"

Für die Misshandlungsfälle macht CDU-Landeschef Armin Laschet auch die rot-grüne Landesregierung verantwortlich. "Die Regierung hat die Aufsichtspflicht nicht wahrgenommen wie das erforderlich wäre", sagte Laschet, der auch CDU-Bundesvize ist. "Was diese privaten Sicherheitsdienste da machen, das erfordert jetzt eine schnelle Aufklärung." CDU- und Piratenfraktion beantragten für diese Woche eine Aktuelle Stunde im Düsseldorfer Landtag.

Laschet beklagte, Kommunen in NRW würden mit der Flüchtlingsbetreuung alleingelassen. So gebe es - anders als etwa in Bayern - keine komplette Kostenerstattung durch das Land. Auch andere Spitzenpolitiker der CDU zeigten sich entsetzt über die Vorfälle. Parteivize Julia Klöckner sagte, wenn das das Ergebnis von Outsourcing sei, müsse man sich ernsthaft Gedanken machen.

Auch die Bundesregierung meldete sich zu Wort: "Es ist vollkommen klar, diese Vorfälle müssen rasch und sie müssen dringend aufgeklärt werden", sagte Sprecher Steffen Seibert. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums betonte, die Unterbringung der Asylbewerber sei Aufgabe der Bundesländer.

Linke und Grüne üben Kritik an Praxis mit privaten Firmen

Die Sicherheit in Flüchtlingsunterkünften gehört nach Ansicht von Linke-Chef Bernd Riexinger nicht in die Hände privater Wachdienste. "Ich finde, private Sicherheitsdienste haben da nichts verloren", sagte Riexinger. In der Branche gebe es nicht selten unmögliche Lohnverhältnisse und einen Mangel an Ausbildung. In so einem sensiblen Bereich brauche man aber "gut ausgebildete und im Kern hoheitliche Kräfte". Die Sicherheit der Flüchtlinge sei in seinen Augen auch eine Angelegenheit der Polizei.

Es sei zu fragen, ob private Sicherheitskräfte tatsächlich geeignet seien für diese Anforderungen, sagte Grünen-Chefin Simone Peter. Vor allem der Staat sei gefragt. Die Bedingungen in den Erstaufnahmestellen für Flüchtlinge seien aber auch in staatlicher Hand teils miserabel. Peter forderte dezentrale Unterbringungen, klare Regeln sowie eine Schulung des Personals.

Ermittlungen in Burbach, Essen und Bad Berleburg

Am Sonntag war bekannt geworden, dass Wachmänner in der Notunterkunft im nordrhein-westfälischen Burbach Asylbewerber misshandelt und gedemütigt haben sollen. Die Polizei in Hagen machte am Sonntag zwei Fälle öffentlich. Demnach wurde ein Mann gezwungen, sich auf eine Pritsche mit Erbrochenem zu legen - dieser Fall wurde auf einem Video festgehalten, das der Polizei vorliegt. Ein anderer Flüchtling wurde in demütigender Pose mit Handy-Kamera fotografiert: Er liegt gefesselt am Boden, den Fuß eines - laut Polizei grinsenden - Wachmanns im Nacken.

Inzwischen wird gegen sechs Verdächtige ermittelt. Das gab die Staatsanwaltschaft Siegen bekannt. Demnach wurden anhand ihrer Stimmen auch die beiden Männer gefunden, die das Handy-Video aufgenommen haben, das die Ermittlungen auslöste. Von der Vernehmung der beiden erhoffe man sich, den Zeitraum eingrenzen zu können, in dem der Vorfall in Burbach passierte, sagte Oberstaatsanwalt Johannes Daheim. "Dann können wir hoffentlich auch das Opfer finden und vernehmen."

Auch in Essen ermittelt die Polizei wegen des Verdachts von Übergriffen auf Asylbewerber. "In den letzten 14 Tagen sind drei Strafanzeigen wegen einfacher Körperverletzung eingegangen", sagte eine Sprecherin der Essener Polizei SZ.de auf Anfrage - und bestätigte damit einen Bericht der Nachrichtenagentur dpa. "Einfache Körperverletzung" bezeichne eine Körperverletzung ohne Einsatz von Waffen.

Alle drei Anzeigen beziehen sich der Sprecherin zufolge auf Vorgänge in der gleichen Unterkunft. Ermittelt werde gegen Mitarbeiter eines Subunternehmens der Firma "European Homecare". Ob es sich dabei um das Sicherheitsunternehmen SKI handelt, konnte die Sprecherin nicht sagen. Gegen diese Firma wird dem WDR zufolge wegen Misshandlungen in Burbach ermittelt, die bereits am Sonntag bekannt wurden.

Oberstaatsanwalt Johannes Daheim zufolge soll es auch im nordrhein-westfälischen Bad Berleburg einen Zwischenfall gegeben haben. Gegen zwei Beschäftigte eines Sicherheitsunternehmens werde wegen gefährlicher Körperverletzung ermittelt, sagte er. Die Firma soll eine andere als im Fall Burbach sein, der Übergriff sich vor etwa zwei Wochen zugetragen haben.

Erste Konsequenzen aus Burbach

Die Deutsche Polizeigewerkschaft fordert mehr Unterstützung für die Kommunen. Diese müssten in die Lage versetzt werden, eine größere Zahl von Flüchtlingen auch aufnehmen zu können, sagte ihr Vorsitzender Rainer Wendt im Fernsehsender n-tv. "Mit dem vorhandenen Personal geht das nun mal leider nicht immer. Deshalb ist es auch notwendig, mitunter private Unternehmen zu beschäftigen. Die sind auch nicht alle schlecht." Man müsse sie aber sorgfältig auswählen und genau überwachen und dafür brauche es Personal. Die Beschäftigung von Subunternehmen müsse vertraglich verboten werden.

Nach Ansicht der Gewerkschaft der Polizei (GdP) zeigen die Übergriffe, dass strengere Kontrollen notwendig sind. "Es reicht eben nicht, jemanden für fünf Euro pro Stunde an eine Tür zu stellen, nur weil er Muskeln hat", sagte der GdP-Bundesvorsitzende Oliver Malchow. Wer, anstatt das Hausrecht durchzusetzen, "menschenverachtende Gewalt" anwende, müsse bestraft werden. Malchow sprach sich aber dagegen aus, den Schutz der Flüchtlingsunterkünfte zu einer Polizeiaufgabe zu machen. "Die Polizei könnte das in diesem Umfang gar nicht leisten", sagte er. Aufgrund der gestiegenen Asylbewerberzahlen herrsche in vielen Unterkünften Platznot.

Das Land NRW und die Betreiber haben inzwischen erste Konsequenzen gezogen. Dem Sicherheitsdienst sei gekündigt worden, teilte die Bezirksregierung Arnsberg mit, die in der Region für die Asylunterkünfte des Landes zuständig ist. Eine Sprecherin des Betreibers der Aufnahmeeinrichtung, der über NRW hinaus Unterkünfte betreut, betonte am Sonntagabend im ZDF, es seien neue Standards verabschiedet worden, um solche Vorfälle künftig zu vermeiden. Die Bezirksregierung hat zur Auflage gemacht, dass nur noch geprüftes Sicherheitspersonal mit Führungszeugnis die Flüchtlinge schützen darf. Außerdem ist ein Mindestlohn zu zahlen.

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