Ausrüstungsmängel bei der Bundeswehr:Rüstungspolitik soll europaweit verzahnt werden

Ministerin von der Leyen empfängt rumänischen Amtskollegen Dusa

Bundeswehr unter Druck: Verteidigungsministerin von der Leyen

(Foto: Rainer Jensen/dpa)

Der desaströse Zustand der Bundeswehr zeigt das Scheitern nationaler Rüstungspolitik - das sagen Europapolitiker aus CDU und SPD. Sie fordern im Gespräch mit der "Süddeutschen Zeitung" eine radikale Europäisierung.

Von Daniel Brössler und Nico Fried, Brüssel/Berlin

Europapolitiker aus CDU und SPD haben als Konsequenz aus den Ausrüstungsproblemen bei der Bundeswehr eine radikale Europäisierung der deutschen Rüstungspolitik gefordert. "Keiner kriegt es mehr alleine hin. Die Vorstellung, eine nationale Rüstungspolitik betreiben zu können, ist gescheitert", sagte Elmar Brok (CDU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament, am Montag der Süddeutschen Zeitung. Dieses Scheitern müsse man sich eingestehen, wenn das größte Land der EU nicht in der Lage sei, Nato-Verpflichtungen nachzukommen. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte am Wochenende eine teilweise eingeschränkte Einsatzfähigkeit der Bundeswehr eingeräumt.

"Die aktuelle Debatte zum desaströsen Zustand unserer Flugzeuge und Hubschrauber unserer Armee zeigt auf, dass Deutschland gleich auf eine europäische Lösung setzen sollte", sagte der SPD-Europaabgeordnete Arne Lietz. Es gehe darum, "nicht mehr Geld zu fordern, sondern das vorhandene Geld besser und intelligenter auszugeben". Mehr Geld führe "nur zu Misswirtschaft auf einem höheren Niveau". Anstelle einer Erhöhung des Militäretats müsse Deutschland endlich das Ziel erreichen, 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Entwicklungszusammenarbeit bereitzustellen.

Nato-Anforderungen steigen noch

Die Anforderungen würden infolge der jüngsten Beschlüsse auf dem Nato-Gipfeltreffen in Wales sogar noch steigen, sagte Brok. Das Bündnis hatte sich in Newport auf eine höhere Einsatzbereitschaft als Antwort auf das militärische Vorgehen Russlands gegen die Ukraine verständigt. "Es kann nicht mehr sein, dass jede Armee alles kann und jede Armee alles anschafft", sagte Brok. Kleine Stückzahlen seien zu teuer. Überdies sei eine Erhöhung der nationalen Verteidigungshaushalte nicht absehbar.

Brok warnte vor einer "völligen Überschätzung Deutschlands", wie sie sich bei der Diskussion um das Vorgehen gegen die Terrormiliz Islamischer Staat gezeigt habe. "Wir müssen endlich begreifen, dass auch ein großes Land wie Deutschland nur ein Machtfaktor ist, wenn wir unsere Möglichkeiten mit anderen zusammenführen", sagte er. Bereits im Koalitionsvertrag hatten sich CDU/CSU und SPD für mehr europäische Kooperation ausgesprochen. "Wir setzen uns, soweit es sinnvoll und möglich ist, für eine gemeinsame Nutzung nationaler militärischer Kapazitäten im Rahmen der EU (pooling and sharing ) ebenso ein wie für eine stärkere Aufgabenteilung", heißt es dort. Auch entsprechende Pläne der Nato würden unterstützt.

Brok räumte ein, dass das Konzept des pooling and sharing nur längerfristig Entlastung schaffen werde. Umgehende gemeinsame "Schwächeanalysen" seien aber möglich und nötig. "Jeder versteckt das ja aus Stolz, weil das eine Souveränitätsfrage ist", kritisierte Brok.

Der Unterbau sei wenig beachtet worden

Von der Leyen bemühte sich am Montag, die dramatischen Einschätzungen der Lage bei der Bundeswehr zu relativieren. Die Probleme seien über mehrere Jahre entstanden, sagte sie dem Deutschlandfunk. Trotzdem könne die Bundeswehr ihren unmittelbaren Aufgaben nachkommen. "Bei den laufenden Einsätzen ist die Bundeswehr - das sehen wir an den 17 weltweit stattfindenden Einsätzen - voll dabei und eine hoch anerkannte Armee, übrigens auch von unseren internationalen Verbündeten hoch geschätzt und unverzichtbar", sagte die Ministerin.

In den vergangenen Jahren sei vor allem in die Auslandseinsätze und die verbesserte Sicherheit der Soldaten, zum Beispiel in Afghanistan, investiert worden. Dagegen sei "der Unterbau weniger beachtet worden, einfach beiseitegeschoben worden", sagte von der Leyen.

Als Beispiele nannte die Ministerin die Abschaffung der Wehrpflicht ohne Vorsorge für eine Nachwuchsrekrutierung, die Verschleppungen bei den Rüstungslieferungen und "dass im Grundbetrieb zu sehr runtergefahren worden ist". Es seien zu wenig Ersatzteile bestellt worden, weshalb es bei Wartung und Instandsetzung jetzt zu Staus komme. Alle Probleme müsse man nun "beherzt" angehen. "Das wird mich die gesamte Legislaturperiode beschäftigen, da mache ich mir keine Illusionen", so von der Leyen.

SPD und Grüne machen Ministerium verantwortlich

Regierungssprecher Steffen Seibert vermied am Montag eine klare Antwort auf die Frage, welche Schuld Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an den Defiziten der Bundeswehr treffe. Während von der Leyen erst seit einem Dreivierteljahr Verteidigungsministerin ist, trägt Merkel bereits im neunten Jahr Verantwortung als Regierungschefin. Es sei richtig, die Probleme der Bundeswehr offen aufzuzeigen und anzugehen, wie es von der Leyen tue, sagte Seibert. "Das ist ganz konkret Verantwortung übernehmen." Dieser Prozess habe die volle Unterstützung der Kanzlerin.

SPD und Grüne sprachen von Fehlern im Ministerium. Der Vize-Vorsitzende der SPD, Thorsten Schäfer-Gümbel, gab der Ministerin den "dringenden Rat (. . .), ein bisschen weniger Fototermine zu machen und sich mehr mit dem Handwerk zu beschäftigen". Er verwies darauf, dass 2013 etwa 1,5 Milliarden Euro im Bundeswehr-Etat nicht genutzt worden seien. In diesem Jahr werde es etwa eine Milliarde Euro sein. Daher gebe es kein Geldproblem, sondern ein Managementproblem. "Dafür gibt es eine zuständige Ministerin, die sich dann auch um diese Aufgaben kümmern muss." Der Grünen-Politiker Tobias Lindner sagte ebenfalls: "An Geld mangelt es mit Sicherheit der Bundeswehr nicht."

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