Tumult beim Dano-Mordprozess:Richter ermahnt weinenden Großvater

Mordprozess um kleinen Dano aus Herford

Mordprozess um den kleinen Dano aus Herford: Der Angeklagte Ibrahim B. und seine Anwältin beim Prozessauftakt.

(Foto: dpa)
  • Am 14. März verschwand der fünfjährige Dano aus Herford spurlos. Erst drei Wochen später wurde seine Leiche entdeckt.
  • Als mutmaßlicher Täter wurde Ibrahim B., ein Nachbar des Opfers, festgenommen. Seit Mittwochmorgen muss er sich vor dem Landgericht Bielefeld verantworten.
  • Der Angeklagte wurde bereits vor sieben Jahren verdächtigt, die achtjährige Jenisa getötet zu haben. Vor knapp vier Wochen wurden die sterblichen Überreste des Mädchens gefunden.

Tumulte im Gerichtssaal

Überschattet von Tumulten hat in Bielefeld der Mordprozess im Fall des getöteten Jungen Dano begonnen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten Mord aus niederen Beweggründen und Verdeckung einer Straftat vor. Der Mann schwieg, seine Verteidigerin kündigte für den zweiten Prozesstag Mitte Oktober aber eine Erklärung ihres Mandanten an.

Die Verhandlung wird durch ein großes Polizeiaufgebot begleitet. Gleich zum Auftakt kam es zu Tumulten. Trauernde Familienmitglieder und Freunde der Familie mussten immer wieder beruhigt werden. Zunächst störte der Großvater des getöteten Jungen von einem Weinkrampf geschüttelt die Aussagen eines Polizisten mit lauten Rufen. Daraufhin ermahnte ihn der Richter. Anschließend verwies er zwei Zuhörer aus Danos Familienumfeld des Saales. Dabei gab es ein Gerangel mit Polizisten.

Als erster Zeuge schilderte der 53-jährige Beamte die Vernehmungen nach der Festnahme des Angeklagten. Das Gericht interessierte sich vor allem für die Widersprüche zwischen dessen Aussage und den Ergebnissen der Rechtsmedizin. Während der 43-Jährige den Jungen mit Bettzeug erstickt haben will, fanden die Ermittler Hinweise auf eine Erdrosselung und ausgeschlagene Zähne.

Angeklagter soll Dano nach Ohrfeige erdrosselt haben

Es war wohl eine Ohrfeige, die Dano das Leben kostete - davon geht zumindest die Anklage aus. Am 14. März klingelte der Junge an der Wohnungstür seines Nachbarn Ibrahim B., um dessen Sohn zum Spielen abzuholen. Doch Danos Spielkamerad wohnte damals schon gar nicht mehr bei seinem Vater. Ibrahim B. und seine Frau hatten sich nach Streitigkeiten getrennt, die Kinder hatte sie mitgenommen.

Nachdem der 43-Jährige den kleinen Dano vergeblich zum Gehen aufgefordert hatte, schlug er das Kind der Anklage zufolge ins Gesicht. Die Obduktion ergab, dass der Junge dabei schwere Frakturen erlitt, berichtete die Neue Westfälische. Aus Angst, der Fünfjährige könnte seinen Eltern von der Misshandlung erzählen, soll er den wehrlosen Dano anschließend erdrosselt haben.

Große Suchaktion in Nordrhein-Westfalen

Nachdem Dano nicht nach Hause gekommen war, alarmierten die besorgten Eltern die Polizei. Es begann eine der größten Suchaktionen der vergangenen Jahre in Nordrhein-Westfalen. Hundertschaften durchkämmten mehrmals das Ufer der Werre, Hubschrauber kreisten mit Wärmebildkameras über dem Stadtgebiet, Taucher und Hunde waren im Einsatz. Vergeblich: Die Spur verlor sich auf einem Spielplatz unweit des Flusses.

Wenige Tage nach dem Verschwinden wurden mehr als 100 Wohnungen und Keller in dem Wohnblock durchsucht, in dem Danos Familie lebt, auch die Wohnung des 43-Jährigen. Ein Spürhund schlug damals jedoch nicht an, da der Junge vermutlich nicht lange genug dort gewesen war. Erst drei Wochen nach Danos Verschwinden wurde seine Leiche in der Nähe seines Elternhauses am Fluss entdeckt.

Wenige Stunden später wurde Nachbar Ibrahim B. unter dringendem Tatverdacht festgenommen. Die Ermittler kamen ihm durch einen Zeugen auf die Spur, der den Verdächtigen am Tattag mit einem schwer beladenen Einkaufs-Trolley gesehen hatte, in dem sich offenbar die Leiche befand. Ibrahim B. legte daraufhin ein Geständnis ab, das von seiner am Leichenfundort sichergestellten DNA-Spur untermauert wurde, wie RP Online berichtete.

Ibrahim B. stand bereits einmal unter Mordverdacht

Als die Fahnder die Vergangenheit des mutmaßlichen Täters näher durchleuchteten, fanden sie heraus, dass er bereits sieben Jahre zuvor in Hannover unter Mordverdacht gestanden hatte.

Am 7. September 2007 verschwand dort die achtjährige Jenisa. Sie wollte ihre Tante besuchen, die aber nicht zu Hause war. Jenisas Spur verlor sich in einem Hochhauskomplex. Ibrahim B., der Lebensgefährte der Frau, geriet unter dringenden Mordverdacht. Er saß wochenlang in Untersuchungshaft, verstrickte sich in Widersprüche. Am Ende reichten die Ermittlungsergebnisse jedoch nicht für eine Anklage. Der Mann kam frei und zog mit seiner Lebensgefährtin nach Herford - in die unmittelbare Nachbarschaft von Dano.

Die Staatsanwaltschaft rollte den Fall Jenisa neu auf

Nach der erneuten Festnahme des 43-Jährigen wegen des Mordes an dem kleinen Jungen aus Herford nahm die Staatsanwaltschaft Hannover im Juli auch die Ermittlungen im Vermisstenfall Jenisa wieder auf.

Nur wenig später nahm der Fall eine überraschende Wendung: Mitinsassen von Ibrahim B. aus der Untersuchungshaft berichteten der Polizei, er habe ihnen den Mord an Jenisa gestanden und die Leiche in einem Wald bei Hannover vergraben.

Die Behörden begannen mit einer großangelegten Suchaktion in dem Waldgebiet. Doch erst Anfang September stieß die Polizei dort auf Leichenteile. Ein DNA-Abgleich brachte schließlich letzte Gewissheit: Es handelte sich um die sterblichen Überreste von Jenisa.

Für den Mord an Dano muss sich Ibrahim H. nun vor dem Landgericht Bielefeld verantworten. Für den Prozess sind nur fünf Verhandlungstage angesetzt. Nach derzeitiger Planung könnte das Urteil bereits am 22. Oktober fallen. Der Fall Jenisa wird in dem Verfahren keine Rolle spielen. Sollten die Indizien allerdings für eine zweite Mordanklage ausreichen, droht Ibrahim B. ein weiterer Prozess in Hannover.

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