Leonardo da Vincis "Cecilia Gallerani":Zerfetzte Konventionen

Leonardo da Vincis "Cecilia Gallerani" in den ersten beiden vorläufigen Fassungen (links) und das Endergebnis (rechts).

Ein Gemälde kommt in Bewegung: Leonardo da Vincis "Cecilia Gallerani" in den ersten beiden vorläufigen Fassungen (links) und das Endergebnis (rechts).

(Foto: Pascal Cotte / Lumiere Technolog)

Die "Dame mit dem Hermelin" ist das berühmteste Frauen-Porträt Leonardo da Vincis neben der "Mona Lisa". Nun vermittelt das Bildnis Forschern neue Erkenntnisse über die Arbeitsweise des großen Malers. Es zeigt sich: Auch da Vinci musste sich an radikale Lösungen erst herantasten.

Von Kia Vahland

Ein Poster, ein digitales Foto ist ganz Oberfläche. Ein Gemälde dagegen hat ein Innenleben, und wenn ein sehr bekanntes Kunstwerk plötzlich etwas preisgibt vom eigentlich Unsichtbaren, dann ist das ein aufregender Moment der Indiskretion.

Das Pariser Institut Lumiere Technology hat nun Leonardo da Vincis "Cecilia Gallerani" (um 1490) technisch durchleuchtet, jene Dame mit Hermelin, die in Krakau beheimatet ist und kürzlich wider jede restauratorische Vernunft zu großen Ausstellungen nach Berlin und London reiste.

Das Institut hat bereits vor acht Jahren die "Mona Lisa" im Louvre behutsam untersucht, lag allerdings in anderen Fällen auch schon einmal daneben wie bei dem Bildnis einer "Bella principessa", das auch mit noch so viel technologischem Aufwand in den Augen seriöser Forscher nicht zu einem originalen Leonardo-Werk wird.

Bei der "Cecilia" entdeckten die Wissenschaftler, dass Leonardo sie erst ohne Tier auf dem Arm malte und ihr dann ein schlankes Wiesel gab, bevor er sich für das muskulöse Hermelin entschied, mit dem "Cecilia" letztendlich so eindrucksvoll Hand in Pfote agiert.

Hält man, wie in unserer Bildfolge (Foto: Pascal Cotte, Lumiere Technology), die Rekonstruktionen neben das Gemälde, so gerät die Szene in Bewegung. Erst verschränkt die Frau brav die Arme, ihre Finger wirken noch nicht so überlang wie später, wenn sie eine Bestie zu bändigen haben. Dann schenkt ihr Leonardo in erster Fassung ein dünnes, gut handhabbares Streicheltier, welches das Grazile seiner Herrin betont.

Merkwürdiges Keuschheitssymbol

Wiesel waren um 1500 gut bekannt, weil modebewusste Damen die Tiere gerne ausgestopft und mit Edelsteinen verziert an ihre Gürtel hängten. In der Antike wurden Wiesel als Haustiere gehalten wie später Katzen. Weil sie ihre Jungen im Mund transportieren, hielt sich lange die Überzeugung, sie würden durch das Maul gebären, worüber sich schon Aristoteles aufregte. Dieser Irrtum war nur schwer aus der Welt zu schaffen, zu sehr verband sich das Wiesel in Mythologie und Volksglaube mit dem Gebären.

Bei dem römischen Dichter Ovid wird die Frau, die durch eine List dem Herakles zur Geburt verhilft, zur Strafe in ein Wiesel verwandelt. Noch in der Renaissance reichte man Gebärenden feuchte Tücher auf Schalen mit Wieselmotiven. Merkwürdigerweise konnte das Wiesel - und erst recht seine majestätische Variante, das weiße Hermelin - sich zugleich als Keuschheitssymbol behaupten.

Züchtig wie verführerisch

Leonardo steigert die Ambivalenz des Motives ins Extreme: Seine fertige "Cecilia" wirkt so jugendlich und züchtig wie verführerisch, sie mag fruchtbar sein, vor allem aber erscheint sie mindestens so energiegeladen und gefährlich wie das Viech, das sie zu zähmen weiß.

Die beiden braunen Augenpaare schauen auf einen Betrachter neben dem Rahmen - er wird sich in Acht nehmen müssen vor diesem Doppelwesen, das ihm da eine bekrallte Pfote wie zum Handkuss hinreicht.

Diese radikale Lösung kannte auch Leonardo nicht von Anfang an, wie wir nun wissen - sollten die Pariser Forscher recht behalten. Demnach mühte sich der Künstler mit Konventionen (erst die tierlose Frau, dann ein gängiges Wiesel), bevor er diese mit geschärften Krallen zerfetzen konnte.

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