Nachlese zum Bodensee-"Tatort":Herzlos im Herbst

Tatort Konstanz Bodensee

Anna Wieler wurde entführt - wenn das nur das einzig Herzlose in diesem Bodensee-Tatort wäre.

(Foto: SWR/Martin Furch)

Sie wollen mitreden über den Sonntagskrimi? Hier erfahren Sie, warum Blut zwar dicker als Wasser, aber Geld manchmal dicker als Blut ist. Die "Tatort"-Nachlese - mit Zuschauerkommentaren.

Von Carolin Gasteiger

Darum geht's:

Zwei Tote liegen am Ufer des Bodensees, der eine niedergestreckt von Matteo Lüthi, dem Schweizer Kollegen von Klara Blum und Kai Perlmann, der andere von einem Unbekannten erschlagen und ins Wasser geworfen. An sich wäre es für die Kommissare der Kripo Konstanz genug Puzzlearbeit, zu ermitteln, wie diese beiden Mordfälle zusammenhängen. Doch da ist auch noch eine durchgeknallte Witwe ("Wann wird Markus denn aufgebahrt? Ich muss doch planen"), ein bunt bemaltes Fahrrad und die Entführung eines Mädchens, dessen Eltern partout nicht mit Blum und Perlmann kooperieren wollen.

Lesen Sie hier die Rezension von SZ-Tatort-Kritiker Holger Gertz:

Bezeichnender Dialog:

Die innerliche Kälte der zerrütteten Familie Wieler spiegelt sich in der kühlen Wohnungseinrichtung: schicke Designer-Möbel und eine freischwebende weiße Treppe. Reto Wieler hat soeben mit dem Entführer seiner Tochter telefoniert und ihm versichert, er werde alles tun, was dieser verlange. Zu seiner Tochter sagt er am Telefon lediglich: "Anna? Behandelt er dich auch anständig?"

Martha Wieler: Nicht einmal jetzt.

Reto Wieler: Was?

Martha Wieler: "Behandelt er dich auch anständig?" Nicht einmal jetzt kannst du ihr sagen, dass du sie liebst.

Reto Wieler: Mein Gott, wie oft muss ich das noch hören? Das sind Verbrecher. Verbrecher! Die haben Anna entführt, weil wir reich sind. Nicht, weil ich ein schlechter Vater bin.

Martha Wieler: Nicht einmal jetzt, nicht einmal jetzt, nicht einmal jetzt ... (schlägt auf ihren Mann ein, lässt dann von ihm ab und tippt ins Telefon)

Reto Wieler: Wir waren uns einig, dass wir die Polizei aus dem Spiel lassen.

Martha Wieler: Waren wir das? Das hast doch ganz allein du entschieden, das mit der Polizei. Wie alles.

Die beste Szene:

Anna wird in einem Käfig in einem alten Pumpwerk festgehalten. Akribisch dreht sie jede einzelne der Schrauben locker, die die Gitterwände ihres Gefängnisses zusammenhalten. Irgendwann schwindet ihre Kraft, die Finger drehen langsamer. Als sie sich mit voller Wucht, die ihr nur die Verzweiflung verleihen kann, gegen die Gitterwände wirft, kommt sie schließlich frei. Sie schleppt sich mit letzter Kraft an einen Fleck auf dem Boden, auf den Licht fällt. Und weint hemmungslos.

Die Erkenntnis:

Blut ist zwar dicker als Wasser, aber Geld manchmal dicker als Blut. Besonders dann, wenn sich väterliche Profitgier und töchterlicher Idealismus in den Weg kommen.

Die besten Zuschauerkommentare:

Top:

Der Herbst. Nein, nicht Christoph Maria, sondern die Jahreszeit. Matteo Lüthi verfolgt den Verdächtigen Schmeisser durch dicke Nebelschwaden; Anna flüchtet vor ihrem Entführer durch kniehohes buntes Laub. Immer wieder liegt der Bodensee still da, seine Oberfläche schimmert grau. Warum nur haben die Macher sich für den Titel "Winternebel" entschieden? "Herbstnebel" trifft es viel besser.

Flop:

In diesem Tatort geht ... einfach ... alles ... sehr ... langsam. Irgendwann fragt Klara Blum "Könnten die zwei Morde zusammenhängen?" Stille. Fragende Blicke. Ja hallo?! Aufwachen! Bezeichnend ist auch die Verfolgungsjagd eines Verdächtigen durch die Konstanzer Innenstadt. Viele Beamte, ein scheinbar leicht überschaubares Gebiet - und doch schaffen Blum und ihr Team es nicht, den Mann zu kriegen. Aber er war ja auch ... schwups ... schon ...weg.

Schon mal irgendwo gehört:

"Das war Notwehr."

Bester Auftritt:

Benedict Freitag lässt als herzloser Reto Wieler keine Gefühlsregung zu und wirft beim Zuschauer Fragen auf: Dieser Typ ist Ehemann, sogar Familienvater? Seine Frau verschreckt er und seine Tochter interessiert ihn nicht - hat der überhaupt ein Herz? Als Klara Blum bei seinem konstanten Schweigen die Geduld verliert und ihn anschreit: "Du altes Arschloch - du riskierst das Leben deiner Tochter", hört man sich innerlich aufatmen. Und zustimmen.

Die Schlusspointe:

Anna, das Lösegeld in der Hand, steigt in ein fremdes Auto und fährt davon. Dieses Ende kommt wie mit dem Holzhammer. Aber bei so einer zerrütteten Familie ist es das einzig plausible.

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