Panne bei der Europawahl:Di Lorenzo und die knifflige Lücke

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Eine Million Deutsche könnten theoretisch bei der Europawahl zweimal abstimmen, ohne dass es die Behörden merken - so wie es Journalist Giovanni di Lorenzo vorgemacht hat. Damit das nicht passiert, soll die Lücke im Wahlrecht geschlossen werden. Wenn das nur so einfach wäre.

Von Robert Roßmann, Berlin

Doppelte Stimmabgaben durch Doppelstaatler bei Europawahlen lassen sich offenbar nicht durch nationales Recht unterbinden. Das hat ein Treffen des Bundeswahlleiters mit den 16 Landeswahlleitern und Vertretern des Bundesinnenministeriums ergeben.

Am Abend der jüngsten Europawahl hatte Zeit-Chefredakteur Giovanni die Lorenzo in einer Talkshow erklärt, zweimal gewählt zu haben, einmal in einer Hamburger Grundschule und einmal in einem italienischen Konsulat. Eine solche doppelte Stimmangabe ist verboten, trotzdem hatte niemand den Deutsch-Italiener di Lorenzo davon abgehalten. Der Fall offenbarte eine Lücke im Wahlrecht: Den deutschen Behörden ist es wegen des unzureichenden Informationsaustausches zwischen den EU-Staaten unmöglich, derartige doppelte Stimmabgaben zu unterbinden.

Seit der Europawahl wird deshalb darüber diskutiert, wie man diese Lücke schließen kann. Immerhin leben in Deutschland mehr als eine Million Bürger, die außer der deutschen Staatsbürgerschaft auch die eines anderen EU-Landes besitzen - und damit heimlich doppelt abstimmen könnten.

Nationale Lösungen scheint es nicht zu geben

Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) hatte angekündigt, dass bei dem Treffen der Wahlrechtsexperten in Wiesbaden auch nach "innerstaatlichen Maßnahmen" gesucht werden solle, mit denen man die Einhaltung des Verbots der doppelten Stimmabgabe künftig sicherstellen kann. Doch solche nationalen Lösungen scheint es nicht zu geben, stellten die Experten fest. Das Problem müsse auf europäischer Ebene gelöst werden. Dafür fehle der EU aber bisher die "europarechtliche Regelungskompetenz", erklärte das Bundesinnenministerium. Ein klassisches Dilemma.

Schuld daran ist der AEUV , der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union. Er überträgt der EU nur die Regelungskompetenz für Unionsbürger, die ihren Wohnsitz in einem Mitgliedsland haben, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen - also etwa für einen Italiener, der in München lebt. Dieser Italiener darf frei entscheiden, ob er in Italien oder in Deutschland seine Stimme für das Europaparlament abgibt.

Wenn er in München wählen will, muss er dort die Eintragung ins Wählerverzeichnis beantragen. Deutschland meldet dies dann der zuständigen Behörde in Italien, damit diese den Mann aus dem italienischen Wählerverzeichnis streichen kann. Dadurch soll eine doppelte Stimmabgabe unmöglich gemacht werden.

Die Krux mit den Doppelstaatlern

Doppelstaatler wie di Lorenzo sind jedoch nicht in diesen Informationsaustausch einbezogen, weil sie ja auch die Staatsangehörigkeit ihres Wohnsitz-Landes besitzen. Sie fallen damit in eine Regelungslücke.

Deutschland werde deshalb "die Frage der Doppelstaatler beim nächsten Treffen der Wahlrechtsexperten der Mitgliedstaaten mit der EU-Kommission erneut ansprechen", teilte das Bundesinnenministerium mit. Dabei wolle man "erörtern, wie mit dem Thema auf Ebene der Europäischen Union umgegangen werden soll".

Der Bundeswahlleiter hatte bereits vor dem Treffen in Wiesbaden eine europäische Lösung gefordert. Die Doppelstaatler "müssten sich für die Wahl der Abgeordneten eines Landes entscheiden" und in den Informationsaustausch zwischen den EU-Staaten einbezogen werden, erklärte der Experte. Außerdem müssten die Wahlämter Mitteilungen über die mehrfache Staatsangehörigkeit der bei ihnen wahlberechtigen Doppelstaatler erhalten.

Zu diesem komplizierten Verfahren gibt es nach Ansicht des Bundeswahlleiters aber noch eine Alternative. Man könnte festlegen, dass Doppelstaatler nur noch in ihrem "Wohnsitzmitgliedstaat" wählen dürfen. Doch gegen eine derartige Beschränkung der bisherigen Wahlfreiheit dürfte es Widerstand geben. Ob eine solche Regelung "durchsetzbar wäre, vermag ich nicht abzuschätzen", muss deshalb auch der Bundeswahlleiter konzedieren.

Und so dürfte es dauern, bis die Lücke im Wahlrecht tatsächlich geschlossen ist. Aber die nächste Europawahl findet ja auch erst 2019 statt.

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