Friedensnobelpreis:Papst? Kohl? Snowden?

So viele Menschen und Organisationen wie nie zuvor sind für den Friedensnobelpreis nominiert. Wer hat die besten Chancen? Stimmen Sie ab!

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Papst Franziskus

Pope Francis hugs a child as he arrives to lead the weekly audience in Saint Peter's Square at the Vatican

Quelle: REUTERS

Status: Katholischer Fürsprecher der Armen

Warum er den Preis verdient hat: Seit seiner Wahl vor etwas mehr als einem halben Jahr positioniert sich der aus Lateinamerika stammende Papst Franziskus deutlich auf Seiten der Armen und Ausgebeuteten. Statt moralischer Kategorisierung und Ausgrenzung (zum Beispiel von Homosexuellen oder Geschiedenen) verlangt er von der Kirche, in erster Linie den Menschen zu sehen und diesem mit Respekt zu begegnen.

Wie stehen seine Chancen? In vielen Internet-Wettbüros steht der Name des jesuitischen Papstes ganz oben auf der Liste möglicher Friedensnobelpreisträger. Der Chef des Osloer Friedensforschungsinstituts Prio, Kristian Berg Harpviken, nennt ihn einen würdigen Kandidaten. Allerdings seien konkrete Initiativen des Papstes bislang ausgeblieben. "Dass er Nobelpreisträger wird, halte ich deshalb für unwahrscheinlich", sagt Berg Harpviken.

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Malala Yousafzai

Malala Yousafzai

Quelle: dpa

Status: Pakistanische Kinderrechtsaktivistin in Lebensgefahr

Warum sie den Preis verdient hat: Die 17-Jährige Malala Yousafzai war bereits im vergangenen Jahr eine der Top-Favoriten. Sie wurde von norwegischen Politikern erneut nominiert. Yousafzai setzt sich für Bildungschancen für Mädchen in ihrer Heimat Pakistan ein. 2012 wurde sie deshalb von Taliban-Kämpfern angegriffen und bei bei einem Anschlag schwer verletzt.

Wie stehen ihre Chancen? Yousafzai gilt als aussichtsreiche Kandidatin. Ihr Schicksal und ihr Einsatz sind bewegend. Allerdings ist sie weniger bekannt als manch andere Nominierte.

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Japaner, die Artikel 9 bewahren

Protesters hold placards with pictures of Japan's Prime Minister Shinzo Abe, at a rally against Abe's push to expand Japan's military role in front of Abe's official residence in Tokyo

Quelle: REUTERS

Status: Erfolgreiche Graswurzelbewegung für dauerhaften Frieden

Warum die Bewegung den Preis verdient hat: Verfassungen wirken oft wie etwas recht Abstraktes. Dass die Japaner in ihrer jedoch ein konkretes Gut sehen, zeigt sich in der Debatte um Artikel 9. In diesem haben die Japaner nach der Niederlage im Zweiten Weltkrieg festgelegt, dass sie darauf verzichten wollen, je wieder Krieg zu führen. Premierminister Shinzo Abe strebt nun eine Neuinterpretation des Artikels an. Das weckt bei vielen Japanern Ängste. Um für ihre Kinder auch in Zukunft Frieden zu sichern, initiierte deshalb eine Mutter die Kampagne "Japaner, die Artikel 9 bewahren" (mehr dazu hier in den Japan Times). Die junge Bewegung hat Zehntausende Unterstützer.

Wie stehen ihre Chancen? Die Konflikte in der Ukraine und dem Nahen Osten zeigen, dass auch nach dem Ende des Kalten Kriegs weiterhin bewusst auf Frieden hingearbeitet werden muss. Das Friedensforschungsinstitut Prio sieht die Kampagne als einen der Favoriten für den Friedensnobelpreis. Doch die Initiative ist noch jung - und müsste sich gegen langjährige Kandidaten durchsetzen.

(Foto: Proteste gegen neue militärische Strategie von Japans Premier Shinzo Abe)

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Helmut Kohl

Former German Chancellor Kohl is seen in the former lower house of parliament Bundestag in Bonn

Quelle: Reuters

Status: Dauernominierter Kanzler der Einheit

Warum er den Preis verdient hat: Der ehemalige deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl ist seit Jahren im Gespräch für den Friedensnobelpreis. Als Bundeskanzler gelang es Kohl damals, nach dem Fall der Mauer mit den früheren Kriegsgegnern die Wiedervereinigung Deutschlands auszuhandeln.

Wie stehen seine Chancen? Glaubt man der Statistik, sieht es für Kohl gar nicht so schlecht aus. Denn danach mag das Nobelkomitee Jahrestage - und dieses Jahr feiert Deutschland das 25. Jubiläum des Mauerfalls. Derzeit macht der Altkanzler allerdings eher negative Schlagzeilen: Sein früherer Biograf enthüllte abwertende Äußerungen Kohls über seine ehemaligen Weggefährten. Zumindest im privaten Bereich sprechen die nicht für einen friedfertigen Charakter.

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Edward Snowden

AWARD WINNER Edward Snowden

Quelle: dpa

Status: US-Whistleblower auf der Flucht

Warum er den Preis verdient hat: Edward Snowden veröffentlichte 2013 Dokumente des US-Geheimdiensts NSA - und löste damit eine weltweite Debatte über Datenschutz aus. Mit Snowdens Enthüllungen gerieten der US-Geheimdienst, aber auch andere Nachrichtendienste in die Kritik: Wie viel müssen, wie viel dürfen Staaten über ihre Bürger erfahren? Wo fängt Sicherheit an und wo enden Demokratie und Freiheit? Snowden hat diese Diskussion angeregt, sie ist bis heute nicht beendet. Snowden selbst hat für seine Enthüllungen persönlich bezahlt: Er ist seitdem auf der Flucht - und hat Asyl in Russland.

Wie stehen seine Chancen? Viele Menschen würden Snowden gerne mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet sehen. Doch der US-Whistleblower hat auch Gegner. In den USA gilt er als Verräter. Eine Auszeichnung Snowdens wäre ein Affront gegenüber Washington. "Snowden ist umstritten, aber ein sehr interessanter Kandidat", sagt Kristian Berg Harpviken vom Friedensforschungsinstitut Prio in Oslo.

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Die Einwohner von Lampedusa

survivor of capzised boat

Quelle: dpa

Status: Inselbewohner im Zentrums des Flüchtlingsstroms

Warum Lampedusa den Preis verdient hat: Wohl an kaum einem Ort in Europa ist die Flüchtlingsproblematik so spürbar wie auf Lampedusa. Für Zehntausende Flüchtlinge aus Afrika bildet die kleine italienische Insel, die wie ein Vorposten der EU im Mittelmeer liegt, das Tor zu Europa. Trotzdem bemühen sich die nicht einmal 7000 Bewohner der Insel darum, die Asylsuchenden menschlich und solidarisch zu behandeln.

Wie stehen die Chancen der Inselbewohner? Der Jahrestag der Katastrophe von Lampedusa und die neuen Diskussionen um den politischen Umgang mit Flüchtlingen in Europa geben dieser Nominierung eine besondere Aktualität. Trotzdem werden die Menschen in Lampedusa in der Öffentlichkeit nicht als Favoriten für den Friedensnobelpreis gehandelt.

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Denis Mukwege

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Quelle: AFP

Status: Engagierter Arzt im Kampf gegen sexualisierte Kriegsgewalt

Warum er den Preis verdient hat: Kriege gehen oft einher mit systematisch verübter sexueller Gewalt - so auch in den Kongo-Kriegen. Der Gynäkologe Denis Mukwege ist Spezialist für innere Verletzungen nach brutalen Vergewaltigungen. Er behandelt seit mehr als einem Jahrzehnt Frauen, die im Kongo Opfer sexueller Gewalt wurden und benennt Ursachen und Verantwortliche auch öffentlich. Dafür erhielt er 2013 bereits den Alternativen Nobelpreis.

Wie stehen seine Chancen? Denis Mukwege ist einer der Favoriten, die das Osloer Friedensforschungsinstitut benennt. Auch bei den Buchmachern wird er hoch gehandelt. Er war allerdings schon mehrfach für den Friedensnobelpreis nominiert (zuletzt 2013) - und bekam ihn dann doch nicht.

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Dachverband der Lesben-, Schwulen-, Bisexuellen-, Trans und Intersexorganisationen (LGBTI)

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Quelle: AFP

Status: Weltweites Engagement gegen Diskriminierung von nicht-heterosexuellen Menschen

Warum die Organisation den Preis verdient hat: In zahlreichen Ländern werden Menschen, die nicht dem heteronormativen Denkschema entsprechen, immer noch diskriminiert. In den letzten Jahren machte vor allem auch Russland durch schwulenfeindliche Gesetzgebung auf sich aufmerksam. LGBTI setzt sich für diese Menschen ein. Der Verband koordiniert die Arbeit von 1100 Mitgliedsorganisationen in 110 Ländern auf der ganzen Welt.

Wie stehen die Chancen der Organisation? Das Thema Diskriminierung von homo-, bi- oder transsexuellen Menschen ist immer noch und wieder aktuell. Trotzdem erscheint es wohl weniger vordringlich und individueller als Folgen kriegerischer Konflikte.

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Gene Sharp

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Quelle: AFP

Status: Vordenker gewaltfreier Revolutionen

Warum er den Preis verdient hat: Der US-Politikwissenschaftler Gene Sharp gilt als der weltweit führende Experte für gewaltlose politische Umstürze. Seine zentrale Botschaft ist, dass erst die willige Unterwerfung der Bevölkerung Diktaturen ermöglicht - und Menschen, die Techniken entwickeln, einem Staat ihre Zustimmung zu verweigern, ein Regime stürzen können (mehr dazu in diesem BBC-Artikel). Die von ihm gegründete Albert Einstein Institution erforscht die Auswirkungen strategischer gewaltloser Aktionen in Konflikten.

Wie stehen seine Chancen? Auch Gene Sharp wird von den Buchmachern als möglicher Friedensnobelpreisgewinner gehandelt. Auch er war allerdings schon mehrfach nominiert (zuletzt 2013) und wurde es letztlich doch nicht.

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Russische Zeitung "Nowaja Gazeta"

VERHANDLUNGSFÜHRERIN ANNA POLITKOWSKAJA

Quelle: DPA

Status: Sprachrohr für Kreml-Kritiker

Warum das Blatt den Preis verdient hat: Die russische Zeitung Nowaja Gazeta ist bekannt für kritischen Journalismus. Sie berichtet über Korruption, Kriminalität und Menschenrechte in Russland. 2006 wurde die Journalistin Anna Politkowskaja ermordet, die für Nowaja Gazeta schrieb. Der Mord wurde nie aufgeklärt. Kreml-Kritiker vermuten die Hintermänner des Attentats in Regierungskreisen. Anna Politkowskaja berichtete über Kriegsverbrechen der russischen Armee in Tschetschenien.

Wie stehen die Chancen der Zeitung? Der Mord an Politkowskaja liegt Jahre zurück. Eine Auszeichnung der Zeitung wäre ein indirekter Aufruf an Russland, das Verbrechen aufzuklären - und ist daher politisch brisant. Friedensforscher Berg Harpviken sieht die Zeitung trotzdem oder gerade als einen der größten Favoriten für den Preis. Wie das Komitee in Stockholm letztlich entscheidet, ist aber selbst für die Mitarbeiter der Osloer Forschungseinrichtung Prio meist eine Überraschung - und das, obwohl sie doch die Experten auf dem Gebiet sind.

© SZ.de/DPA/gal
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