Nach dem Aus für designierte EU-Kommissarin:Juncker sucht eine Neue

Jean-Claude Juncker

Muss Ersatz suchen für die abgelehnte Kommissarskandidatin: Jean-Claude Juncker.

(Foto: AFP)

Die slowenische Kandidatin Bratušek ist dem EU-Parlament nicht gut genug für die EU-Kommission. Nun braucht dessen Präsident Juncker Ersatz. Informelle Wunschkandidatin ist eine frühere Journalistin.

Von Cerstin Gammelin, Brüssel

Die neue Europäische Kommission mit Präsident Jean-Claude Juncker wird wahrscheinlich später als geplant mit ihrer Arbeit beginnen. "Es besteht das Risiko, dass es Verzögerungen gibt", sagte Junckers Chefsprecher Margaritis Schinas am Donnerstag in Brüssel. Wie hoch das Risiko sei, werde sich in den nächsten Tagen klären.

Dass der Zeitplan obsolet zu werden droht, liegt daran, dass Fachausschüsse des Europaparlaments einer Kommissarskandidatin die Gefolgschaft verweigern. Am Mittwochabend fiel die Slowenin Alenka Bratušek (Liberale) bei der Abstimmung in den Ausschüssen klar durch. Die Abgeordneten hielten Sloweniens frühere Regierungschefin für nicht geeignet, das Amt einer Kommissarin auszuüben.

Was die Abstimmung für Konsequenzen haben wird, blieb zunächst offen. Das Votum in den Ausschüssen ist nur indikativ, bedeutet also nicht automatisch den Austausch der Kandidatin. Die Bewerberin kann offiziell nur von sich aus zurücktreten. Allerdings gibt es Möglichkeiten, dem nachzuhelfen. Die Kommissarskandidaten müssen sich bei ihrer Bewerbung verpflichten, von ihrem Kandidatenamt zurückzutreten, falls der Kommissionspräsident stichhaltige Gründe dafür anführe.

Bratušek verzichtet auf EU-Kommissarsposten

Bratušek zog dann auch folgerichtig die Konsequenz aus dem Votum; sie trat als Kommissarskandidatin Sloweniens zurück. Juncker teilte am Nachmittag mit, die Slowenin habe ihm ihren Rücktritt mitgeteilt. "Ihre Entscheidung zeigt ihr Engagement für die Europäische Union, für Slowenien und für das demokratische Verfahren", sagte Juncker. Ihr Rückzug helfe ihm, die Zusammensetzung seiner neuen Kommission abzuschließen.

In Brüsseler Diplomatenkreisen hieß es, der Rückzug der Kandidatin bedeute, dass sich Juncker und der slowenische Premierminister Miro Cerar auf einen Austauschkandidaten geeinigt hätten. In einem diplomatisch gebührenden zeitlichen Abstand, spätestens Freitagvormittag, werde der Name genannt werden.

Wunschkandidatin der informellen großen Koalition im Europaparlament ist die frühere Journalistin und jetzige Europaabgeordnete Tanja Fajon. Die Sozialdemokraten werben für sie, weil sie die Zahl der sozialdemokratischen Kommissare von mickrigen acht auf neun erhöhen würde. Die Christdemokraten sind mit Fajon einverstanden, weil sie als Abgeordnete den Betrieb in Brüssel kennt - was die Anhörung der Kandidatin in den Ausschüssen erleichtern würde. Fajon könnte schon bald befragt werden, sodass möglicherweise der Zeitplan für die Amtsübernahme der Kommission doch noch eingehalten wird.

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Die Liberalen wären die Verlierer des Austausches

Verlierer des Austausches wären die Liberalen, die bisher mit fünf Kommissaren mehr als angemessen - im europäischen Vergleich - bedient waren. Weil aber auch der slowenische Regierungschef Cerar einer liberalen Partei angehört, war am Donnerstag unklar, ob und unter welchen Bedingungen er eine Sozialdemokratin nach Brüssel schicken würde. Die Sozialdemokraten errangen bei den jüngsten Wahlen in Slowenien nur fünf Prozent.

Aus Junckers Umfeld war zu hören, er bestehe darauf, dass Ljubljana eine Frau für das Amt benenne. Ob die neue Kandidatin wie vorher Bratušek als Vizepräsidentin für die europäische Energiepolitik zuständig sein soll, blieb am Donnerstag zunächst offen.

Möglicher Tausch der Zuständigkeiten

In der Fraktion der Europäischen Volksparteien, zu denen CDU/CSU gehören, hieß es, womöglich werde auch der Zuständigkeitsbereich getauscht. Der Slowake Maroš Šefčovič, bisher als Vizepräsident der Kommission für die Verwaltung zuständig und in der neuen Kommission für Verkehr vorgesehen, könnte das Energie-Portfolio übernehmen, die neue slowenische Kandidatin das Ressort Verkehr.

Das Risiko für eine verzögerte Amtsübernahme bliebe so überschaubar. Die zusätzliche Anhörung könnte Ende kommender Woche stattfinden. Geht sie gut, könnte sich Junckers verändertes Team am 22. Oktober zur Abstimmung stellen. Stimmen die Volksvertreter mehrheitlich für das Kollegium, kann es am 1. November die Nachfolge der Barroso-Kommission antreten.

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