Zweikampf um die Parteispitze:Grüne Kuschel-Kämpfer

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Das Armdrücken der beiden Kandidaten Markus Büchler (links) und Eike Hallitzky ist wohl eher symbolisch zu verstehen. (Foto: Robert Haas)

Nur einer von beiden kann bayerischer Grünen-Chef werden. Doch Eike Hallitzky und sein Kontrahent Markus Büchler gehen miteinander so betont freundlich um, dass ihr Ringen um Wählerstimmen eher einer Umarmung gleicht.

Von Heiner Effern und Frank Müller, München

Die beiden Männer, von denen jeder nun bayerischer Grünen-Chef werden will, sitzen im Biergarten am Wiener Platz in München schon eine ganze Weile nebeneinander. Da schiebt Eike Hallitzky seinem Mitbewerber Markus Büchler die Reste seines griechischen Salats hinüber: eine Handvoll dunkler Oliven. Hallitzky kommt am Wortspiel nicht vorbei. "Die schwarzen mag ich nicht." Anders als die grünen. Büchler mag die schwarzen. Er greift zu. Teller leer, beide sind bedient.

Wäre es vorstellbar, dass ein Markus Söder einer Ilse Aigner seinen halb leeren Teller rüberschiebt? Wenn, dann nur als Gemeinheit. Bei den Grünen ist es praktizierter Kuschel-Wahlkampf. Am nächsten Wochenende muss ein Grünen-Parteitag einen Nachfolger für den nach acht Jahren an der Spitze ausscheidenden Grünen-Landeschef Dieter Janecek finden.

Es stehen zwei recht unterschiedliche Charaktere zur Wahl: Hier Hallitzky, langjähriger früherer Landtagsabgeordneter für Passau-Land. Dort Büchler, ein Mann aus dem Hintergrund, Mitarbeiter im Wahlkreisbüro von Bundestagsfraktionschef Anton Hofreiter. Würde der Wettkampf nur nach Bekanntheit ausgehen, müsste es Hallitzky werden. Aber es geht nicht nur darum.

Grüne Idylle

Und überhaupt: Was heißt hier Kampf? Für die SZ setzen sich beide zwei Stunden lang an den Biertisch und verhalten sich wie zwei alte Kumpel, für die es um nichts Besonderes geht. Wenn etwas aufblitzt, dann Koketterie. Büchler trinkt eine Radlerhalbe, Hallitzky eine Apfelschorle. "Genussverweigerer", frotzelt Büchler. Hallitzky kontert spielerisch: Büchler habe wohl ein Alkoholproblem. Alles nur Spaß. Es gibt Parteien, in denen Machtkämpfe so entschieden werden. Bei den Grünen herrscht Idylle. Kann das wahr sein?

Seit Wochen sind die beiden gemeinsam unterwegs und stellen sich der Grünen-Basis im Land vor. Mitunter reisen die beiden Kandidaten zusammen an. Größere Streitereien sind von diesen Castingrunden nicht überliefert, und die Grünen-Mitglieder wollten das auch so. Das Gehabe der Talkshows, in denen jeder sofort auf den anderen einprügeln muss, hätten doch alle satt, finden beide. "Wir sehen uns nicht als Gegner", sagt Hallitzky. "Wir sind halt zwei Wett-, äh Mitbewerber, die beide gerne dieses Amt ausfüllen möchten und jeweils davon überzeugt sind, dass sie das am besten können", sagt Büchler.

Die sanfte Tour ist das eine, was dahintersteht das andere. Zwar heben auch Menschen, die sich sehr gut auskennen im Landesverband, hervor, dass Büchler und Hallitzky keine aufgesetzte Wohlfühlshow abzögen. "Die sind beide wirklich so", heißt es in der Partei. Auf der anderen Seite fällt vielen auch auf, wie stark die Kräfte sind, die gerne Büchler am Ruder sähen. Er ist ein Mann, der von unten kommt und keinem der großen Platzhirsche mit ausgeprägten eigenen Ambitionen im Weg wäre: nicht seinem bisherigen Arbeitgeber Hofreiter, nicht dem scheidenden Landeschef Janecek, der als Abgeordneter in Berlin noch viel weiter nach vorne will. Und auch nicht dem ehrgeizigen Ko-Fraktionschef im Landtag, Ludwig Hartmann, der als möglicher Spitzenkandidat für die Bayernwahl im Jahr 2018 gilt.

Bei ihnen und vielen anderen in der Partei kommt Büchlers Zusage gut an, er strebe in den nächsten vier Jahren kein anderes Amt an. Bei Hallitzky kann man da nicht so sicher sein. Ihn kostete das schlechte Wahlergebnis von 2013 sein Landtagsmandat. Seitdem ist Hallitzky Ex-MdL, viele glauben, er sei auf der Suche nach einem Bundestags- oder Europamandat. Er bestätigt das nicht, weist es aber auch nicht von sich. Hallitzky ist ein profilierter landespolitischer Kopf, der womöglich stärker nach vorne drängen würde.

Die Zeiten von Seilschaften seien längst vorbei, sagt Hallitzky. Neben ihm nickt sein Mitbewerber Büchler. Es gehe um die Partei, sagen die beiden. Noch ist offen, wer das Rennen macht. Vielleicht liegt Büchler vorne, aber bei einem Parteitag kann die Tagesform viel entscheiden. Hallitzky gilt jedenfalls als sehr guter Redner.

Neidischer Blick zu den Nachbarn

Auf die sanften Kämpfer wartet viel Druck: Bei der wichtigen Landtagswahl vor einem Jahr blieben sie mit 8,6 Prozent weit unter ihren Möglichkeiten und unter dem Ergebnis von 2008. Viele der bayerischen Grünen blicken neidisch zu den Nachbarn: In Hessen haben sich die Grünen strategisch klug in eine schwarz-grüne Koalition gearbeitet, in Baden-Württemberg stellen sie gar den Ministerpräsidenten, in Österreich sorgen clevere Kampagnen für Aufsehen. Und in Bayern? Man will sich in interne Arbeit stürzen: Ein Reformprozess läuft, es geht wie immer in solchen Fällen um mehr Professionalisierung, schnellere Reaktionsfähigkeit in den Medien, stimmigeres Auftreten.

Erste Ergebnisse einer Arbeitsgruppe sollen beim Wahlparteitag im oberfränkischen Hirschaid mit vorgestellt werden. Es mehren sich die Stimmen derer, die ungeduldig sind. Fraktionschef Hartmann will die Grünen viel mehr im Licht der Öffentlichkeit sehen. Bislang werde in der Partei zu viel an Antworten auf Fragen gearbeitet, die sich für 90 Prozent der Bevölkerung noch gar nicht stellen, sagt Hartmann. Er wolle lieber die Fragen angehen, die im Land aktuell sind.

Vorsichtiges Taktieren und strategische Fragen

Zuletzt gingen die Grünen da häufig unter. In der Debatte um Energiewende und Stromtrassen, ein Grünen-Kerngebiet, spielten sie kaum eine Rolle. In der Partei wurde spürbar, dass der bisherige Landeschef Janecek nach seiner Wahl in den Bundestag vor einem Jahr vorwiegend in Berlin ist. Schon vor einem Jahr gab es zudem den zweiten Wechsel an der Grünen-Doppelspitze: Sigi Hagl löste Theresa Schopper ab, die nach Baden-Württemberg ging.

Auf der Bierbank reden sich Hallitzky und Büchler warm, es ist nicht so, dass jeder aus Höflichkeit dem anderen den Job überlassen würde. "Wir sind nicht doof", sagt Hallitzky, "nur fair". Er wuchert mit seiner landespolitischen Erfahrung und großen Namen. Willy Brandts Motto "links und frei" zieht ihn an, Schwarz-Grün könne er sich zwar vorstellen, aber keinesfalls unter einer von Seehofer oder auch Söder geführten CSU. Büchler taktiert vorsichtiger. Er halte nichts von "Ausschließeritis", weder personell noch was Parteien betrifft. Ob mit der SPD oder der CSU mehr umzusetzen sei, sei eine strategische Frage. "Ich finde beide blöd."

Parteitag in Augsburg
:Grüne wählen Sigi Hagl zur neuen Landesvorsitzenden

Ärmel hochkrempeln und zurück zu den Kernthemen: Sigi Hagl ist zur neuen Landesvorsitzenden der bayerischen Grünen gewählt worden - mit 86,9 Prozent. Bei der Debatte über die Ursachen der Wahlniederlagen im September herrschte auf dem Parteitag dagegen weniger Einigkeit.

Einmal müssen beide selbst über ihren Harmoniekurs lachen. Hallitzky will über seine Frau sprechen und sagt versehentlich "unsere Frau". Das geht selbst bei diesen beiden doch zu weit.

© SZ vom 13.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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