Asylbewerber in Deutschland:Kretschmann will Flüchtlinge in Europa anders verteilen

  • Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann warnt vor einer Flüchtlingskrise.
  • Bayerns Innenminister Herrman fordert mehr Personal beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.
  • Bundesinnenminister De Maizière will ein Bleiberecht für Asylbewerber einführen.
  • Burbach: Der gequälte Asylbewerber befindet sich in U-Haft, der Wachmann darf weiterarbeiten.

Kretschmann begrüßt Hilfsangebote von Privatpersonen

Jetzt wird in der EU erstmal zwei Wochen lang verschärft kontrolliert: Polizeibeamte fast aller Staaten der Europäischen Union weiten von 13. Oktober an ihre Kontrollen aus. Auch Deutschland ist an der Aktion beteiligt, die den Namen "Mos Maiorum" trägt. Ziel ist es, Fluchthelfer sowie Menschen ohne gültige Aufenthaltspapiere aufzuspüren.

Menschenrechtsorganisationen kritisieren das Vorgehen. Doch nun warnt zunächst Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann vor einer Flüchtlingskrise in Deutschland. Der Grünen-Politiker rief die Bürger dazu auf, bei der Unterbringung der Menschen zu helfen. Er sei "sehr dankbar", dass es in großen Teilen der Bevölkerung Empathie für die Flüchtlinge gebe, sagte Kretschmann der Welt am Sonntag. Es gebe bereits erste Angebote von Privatpersonen, ihre Liegenschaften zur Verfügung zu stellen. "Darüber sind wir sehr froh, und die brauchen wir auch", sagte der Grünen-Politiker. Deutschland sei "nicht weit weg" von einer Krise.

Kretschmann forderte zugleich, die Flüchtlinge in Europa "solidarischer" zu verteilen. Bislang seien es "nur wenige europäische Länder, die überhaupt Flüchtlinge aufnehmen", sagte Kretschmann dem Blatt. Er nannte es "das Gebot der Stunde", die Flüchtlinge in Europa sinnvoller zu verteilen - etwa nach der Steuerkraft. "Sonst können wir diese große Herausforderung nicht bewältigen", warnte er. In Zukunft sei noch "mit weit größeren Flüchtlingsströmen" zu rechnen.

Bayerns Innenminister verlangt mehr Personal

Eine deutliche Aufstockung des Personals beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) fordert hingegen Bayerns Innenminister Joachim Herrmann. Laut Koalitionsvertrag der Bundesregierung soll innerhalb von drei Monaten über Asylanträge entschieden werden; derzeit dauere das vielfach länger als ein Jahr, so Herrmann. Mittlerweile stauten sich beim Bamf 120 000 Anträge. Obwohl der Zustrom neuer Asylbewerber nicht abreiße, sei die Onlineplattform zu deren Registrierung beim Bundesamt am Wochenende nicht erreichbar. "Das Bamf muss auch an den Wochenenden Personen bereithalten", fordert der CSU-Politiker laut Spiegel.

Zudem kritisierte der bayerische Innenminister, dass Italien regelmäßig Tausende Flüchtlinge unkontrolliert in den Zug nach München setze. Das sei ein "krasser Verstoß gegen das Schengener Abkommen". Sein sächsischer Amtskollege Markus Ulbig (CDU) fordert Italien auf, die Aktion "Mare Nostrum" zur Rettung von Flüchtlingen vor der afrikanischen Küste aufzugeben. Sie befördere das kriminelle Geschäft von Schleusern, die ihre Opfer in noch schlechteren Schiffen und mit noch weniger Treibstoff auf die gefährliche Reise schicken. Ulbig: "Es gehört zur Ehrlichkeit der politischen Debatte, dass Europa nicht allen Flüchtlingen weltweit Schutz bieten kann."

De Maizière fordert Bleiberecht für Asylbewerber

Bundesinnenminister Thomas de Maiziere will ein dauerhaftes Bleiberecht für abgelehnte Asylbewerber schaffen. "Wir haben einige zehntausend abgelehnte Asylbewerber, die wir nicht abschieben können, oder Menschen, die aus anderen humanitären Gründen hier sind", sagte der CDU-Mann dem Focus. Per Gesetz solle für diese seit Jahren in Deutschland lebenden Menschen ein Bleiberecht geschaffen werden, sofern sie nicht straffällig geworden sind und ihren Lebensunterhalt weitgehend selbst verdienen.

Burbach: Gequälter Asylbewerber in U-Haft. Wachmann darf weiterarbeiten

Eines der Misshandlungsopfer aus dem Asylbewerberheim im nordrhein-westfälischen Burbach wird sich laut Spiegel demnächst wegen Diebstahls vor Gericht verantworten müssen. Der 18-Jährige ist angeklagt, zusammen mit einem 32-Jährigen Ende Mai in ein Juweliergeschäft in Iserlohn eingebrochen zu sein. Die beiden Männer konnten nach Angaben aus Justizkreisen in der Nähe des Tatorts gefasst werden. Seither sitzen sie in Untersuchungshaft. Der 18-Jährige soll der bislang unbekannte Flüchtling aus der Unterkunft im Siegerland sein, dessen Martyrium Ende April auf einem Video festgehalten worden war. In dem Film ist zu hören, wie zwei Wachleute den Asylbewerber auffordern, sich in sein Erbrochenes zu legen. Zuvor soll ihr Kollege den Nordafrikaner geschlagen haben. Die Staatsanwaltschaft Siegen ermittelt gegen die Sicherheitsmänner.

Die Aufnahme empört seit Ende September die Öffentlichkeit. Nur im Ordnungsamt der Stadt Nürnberg scheint sie niemandem aufgefallen zu sein. Denn Tage nach Bekanntwerden der Vorgänge attestierte die Behörde Markus H. die Vertrauenswürdigkeit. "Nach Abwägung aller Gesichtspunkte betrachten wir Herrn H. als zuverlässig", beschied das Ordnungsamt am 2. Oktober 2014 dem Arbeitgeber des Wachmannes, der Nürnberger Firma SKI Wach- und Sicherheitsgesellschaft. Das entsprechende Schreiben liegt der Süddeutschen Zeitung vor. Ihm ging die gewerberechtliche Überprüfung des Wachmannes voraus. Dabei hatte die Behörde wenig zu beanstanden. Schließlich habe ihr ein "unbeschränktes Führungszeugnis" über Markus H. vorgelegen. Nach jetzigem Stand muss man wohl sagen: Markus H. könnte wahrscheinlich weiter als Sicherheitsmann in Flüchtlingsheimen arbeiten. Obwohl es dieses abscheuliche Foto von ihm gibt.

"Äußerst unglücklich" nennt eine Sprecherin des Nürnberger Ordnungsamtes den Vorgang. Die Ereignisse hätten sich zeitlich überschnitten. Bereits Anfang August habe man auf Betreiben der Firma SKI das Prüfungsverfahren eingeleitet, das die Gewerbeordnung für Wachleute vorschreibt. Bis zuletzt habe es "keinen Anlass gegeben, der die Unzuverlässigkeit von Herrn H. begründen würde", so die Behördensprecherin. Die Vorgänge in Burbach habe man zwar mitbekommen, "aber wir hatten nie eine Information über die vollständigen Namen" der Männer, die dort Flüchtlinge misshandelt haben sollen. Nun werde man die Zuverlässigkeitsbescheinigung für Markus H. "unverzüglich widerrufen."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: