CDU und Friedrich Merz:Sehnsucht nach einfachen Lösungen

Friedrich Merz Vorsitzender des deutsch amerikanischen Netzwerks Atlantik Brücke in der ZDF Talksh

Friedrich Merz, Vorsitzender des deutsch-amerikanischen Netzwerks Atlantik-Brücke, in einer Talkshow im Mai dieses Jahres

(Foto: Imago Stock&People)

Friedrich Merz hält in Berlin einen Vortrag. Das reicht, um Wirbel zu verursachen. Kein Wunder: Der ehemalige Unionsfraktionschef verkörpert vieles, was die CDU bei Kanzlerin Merkel vermisst.

Kommentar von Robert Roßmann, Berlin

Gelassenheit gehört sicher nicht zu den größten Tugenden im politischen Berlin, rund um den Reichstag wird alles aufgeregter verhandelt als im Rest der Republik. Der Wirbel um Friedrich Merz ist dafür ein besonders gutes Beispiel.

Am Montag kam der ehemalige Unionsfraktionschef nach Berlin, um einen Vortrag zum eher unspektakulären Thema "Digitalisierte Wirtschaft und Gesellschaft" zu halten. Viele feierten seinen Auftritt aber beinahe wie den Einzug des Erlösers. Ein absurdes Schauspiel.

Um es vorwegzunehmen: Merz kehrt nicht in eine führende CDU-Position zurück. Er wird nächstes Jahr 60 - und verdient sein Geld längst als Anwalt und Aufsichtsrat. Merz ist lediglich zu einem von 40 Mitgliedern in einer von drei Programmkommissionen berufen worden. In dieser Eigenschaft durfte er jetzt einen Vortrag in seiner Kommission halten, das war's. Warum also die ganze Aufregung?

Mit Merz verbinden viele in der CDU all das, was ihnen an Merkel fehlt. Er ist ein mitreißender Redner. Er schafft es, auch komplexe Zusammenhänge einfach zu erklären. Er hat ein klares wirtschaftspolitisches Profil. Und er bedient den Wunsch nach einfachen - manchmal auch schlichten - Lösungen.

Wer sehnt sich nicht nach einer Steuererklärung, die man auf einem Bierdeckel erledigen kann? Vor allem aber offenbart Merz die schlechte Lage der heutigen Wirtschaftspolitiker.

Die CDU brüstet sich zwar gerne damit, die Partei Ludwig Erhards zu sein. Ihre Wirtschaftspolitiker sind aber erschreckend schwachbrüstig. Christian von Stetten, der Chef des Wirtschaftsflügels in der Bundestagsfraktion, hat es bisher nur einmal landesweit in die Schlagzeilen geschafft: Vor zwei Jahren holte er Bushido als Praktikanten ins Parlament.

Plumpe Attacken statt kluger Politik

Auf dem letzten CDU-Parteitag traute sich Stetten nicht einmal ans Rednerpult, als es um die ungeliebten Rentenbeschlüsse der Koalition ging. Dabei könnte sein "Parlamentskreis Mittelstand" ziemlich einflussreich sein: In ihm sind 188 der 311 Unionsabgeordneten organisiert.

Auch Carsten Linnemann, der Chef des Wirtschaftsflügels in der Partei, ist kein Schwergewicht. Er ist erst seit einem Jahr im Amt und muss noch immer die Scherben beseitigen, die sein Vorgänger Josef Schlarmann hinterlassen hat. Schlarmann hatte die Mittelstandsvereinigung der Union nur für plumpe Attacken auf die Kanzlerin genutzt - und damit den Ruf der Vereinigung ruiniert.

Wirtschaftspolitische Schwergewichte fehlen der CDU

Wie unbedeutend der Wirtschaftsflügel der CDU geworden ist, hatten schon die Koalitionsverhandlungen mit der SPD gezeigt. Stetten und Linnemann saßen weder in der Wirtschaftsarbeitsgruppe noch in der entscheidenden großen Runde.

In den Ländern sieht es kaum besser aus. Früher konnte die Union noch mit dem wirtschaftspolitischen Profil von Ministerpräsidenten wie Roland Koch oder Edmund Stoiber reüssieren. Und heute?

Stanislaw Tillich verlässt sein sächsisches Reich nur in Notfällen. Und Christine Lieberknecht, Annegret Kramp-Karrenbauer, Reiner Haseloff und Volker Bouffier stehen für vieles, aber sicher nicht für eine besonders große Expertise in der Wirtschaftspolitik.

Vorbei die Zeit des Ausruhens

Das Problem hat inzwischen auch die CDU-Spitze erkannt. Spätestens seit den alarmierenden Konjunktur-Zahlen, die die Wirtschaftsforscher vergangene Woche präsentiert haben, ist auch den Bequemen in der Parteiführung klar, dass die Zeit des Ausruhens auf guten Wirtschaftsdaten vorbei ist.

Jetzt muss es wieder darum gehen, wie das erwirtschaftet werden kann, was man anschließend verteilen will. Im Mittelpunkt des nächsten Parteitags soll deshalb die Wirtschaftspolitik stehen. Ein Problem werden die Delegierten aber nicht so einfach per Beschluss abstellen können: dass der CDU im Moment Wirtschaftspolitiker vom Schlage eines Friedrich Merz fehlen.

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