Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel:Heimatlos im Fahrerlager

F1 Grand Prix of Russia

Hatte schon mal ein besseres Leben in der Formel 1: Sebastian Vettel.

(Foto: Getty Images)

Die ehemals innige Beziehung zwischen Sebastian Vettel und seinem Red-Bull-Team ist schlagartig erkaltet. Das Misstrauen wächst. Drei Rennen müssen beide Seiten noch miteinander aushalten.

Von René Hofmann

Viermal ist Sebastian Vettel Formel-1-Weltmeister gewesen. Als solcher ist er viel gefragt in der ganzen Welt. Seine Sprache hat der inzwischen 27-Jährige seinem Status aber nie angepasst. Bei einem Besuch bei David Letterman sprach er einst so unbekümmert, dass sein Vortrag mehrmals mit Piep- Tönen kaschiert wurde. Auch nach dem ersten Großen Preis von Russland am Sonntag in Sotschi benutzte Vettel wieder eindeutige Worte. "Bescheuert" findet er die Regel, die vorschreibt, dass jeder Fahrer pro Saison aus Kostengründen nur fünf Motoren benutzen darf. Baut er weitere ein, wird er jedes Mal strafversetzt.

Dieses Schicksal wird Vettel, der bereits fünf Aggregate verschlissen hat, am 2. November in Austin/Texas ereilen. Um den Nachteil möglichst klein zu halten, will Vettel in der Qualifikation dann gar nicht starten. Denn: Wer sich von vorneherein entscheidet, aus der Boxengasse ins Rennen zu rollen, kann in der Nacht vor dem Start die Abstimmung seines Wagens noch ändern und einmal etliche neue Teile an den Antriebsstrang schrauben lassen.

Das kann klüger sein, als irgendwo im hinteren Mittelfeld loszuziehen. Für die Zuschauer, die in drei Wochen den Fernseher anschalten und ihn dann tatenlos herumstehen sehen, hatte Vettel zum Abschied aus Sotschi einen Rat parat: Sie sollten sich doch bitte an die Fachleute wenden, die könnten erklären, was es mit all der komplizierten Technik auf sich hat, die sich hinter den Kürzeln wie "ECU", "MGUK" oder "MGUH" verbirgt.

"Eine Tonlage irgendwo zwischen Ernüchterung, Zynismus und Lustlosigkeit" nahm der Reporter der Deutschen Presse-Agentur wahr, nachdem Vettel in Sotschi von Startplatz zehn aus Achter geworden war. Der Champion der vergangenen vier Jahre ist in dieser Saison selten gut gelaunt in das Gatter getreten, das alle Fahrer nach dem Rennen für Interviews durchschreiten müssen. Am Schwarzen Meer aber erreichte Vettels schlechte Laune offensichtlich einen neuen Tiefpunkt. Bereits am Samstag war das zu beobachten gewesen, als der nach Erfolgen stets zu überschwänglichen Plaudereien Neigende seine Gesprächsverpflichtungen in weniger als zwei Minuten mit einer total verspiegelten Sonnenbrille auf der Nase abwickelte. "Keine Balance", "zu viel Übersteuern", "kein Grip auf der Hinterachse": Viel mehr hatte Vettel zum Aus vor dem letzten Qualifikationsdurchgang nicht zu sagen.

Risse werden immer deutlicher

Das Dilemma ist offensichtlich: Beim Japan-Grand-Prix Anfang Oktober hat Vettel Red Bull und die ganze Welt wissen lassen, dass er 2015 für ein anderes Team starten wird. Das aber darf er noch nicht benennen. Und so lange das so bleibt, ist er im Fahrerlager quasi heimatlos. "Ich habe mit 13 Jahren schon den Partner fürs Leben gefunden." Das hat Vettel einmal über die lange Unterstützung durch Red Bull gesagt. Nun aber ist die innige Beziehung schlagartig erkaltet. Und wie immer, wenn heiße Luft abrupt auf kalte trifft, drohen heftige Niederschläge.

Drei Rennen müssen sie es noch miteinander aushalten, aber die Risse zwischen dem Team und seinem einstigen Vorzeigefahrer werden immer deutlicher. Vettel mäkelte in Russland erneut an der fehlenden Kraft seines Motors herum, er klagte, dass Ersatzteile fehlten. Und mit der Taktik, die ihn erneut hinter seinem Teamkollegen Daniel Ricciardo (Siebter) ankommen ließ, war er auch nicht zufrieden. "Im Nachhinein hätten wir anders reagieren können. Anzeichen waren da."

Drei Rennen hat Daniel Ricciardo, der zuvor noch in keinem Top-Auto saß, in diesem Jahr gewonnen. Vettel noch keines. Dieses Ungleichgewicht hat den einstigen Seriensieger misstrauisch werden lassen. Und dieses Misstrauen bricht sich nun, nachdem die Trennung feststeht, Bahn. Man müsse nur genau hinsehen, dann seien die Hintergründe schon zu verstehen, hat Vettel das Fachmagazin auto, motor und sport vielsagend wissen lassen.

Was auch auffällt: Wie oft Red Bull betont, wie leicht es dem Team gefallen sei, Ersatz zu finden. Bloß "zehn Minuten" habe das gedauert, prahlt Helmut Marko. Den erst 20 Jahre alten Vettel-Ersatz Daniel Kwiat überschüttet der einflussreiche Motorsportberater der Firma geradezu mit Vorschusslorbeeren: Der Russe habe "einen unglaublichen Speed und eine unglaubliche Kontrolle über das Auto", so Marko. Und der nächste in der Nachwuchsreihe, der gerade einmal 17 Jahre alte Max Verstappen, der 2015 bei Toro Rosso einsteigen darf, ist angeblich noch besser. In ihm sieht Marko "einen wie Senna".

Derlei Schwärmereien können für Vettel nur heißen: So ein Ausnahmetalent warst du nun auch wieder nicht! Manchmal sei einfach "Zeit für Veränderungen", hat auch Dietrich Mateschitz am Montag Vettel nachgerufen. Und in der Kleinen Zeitung verriet der Red-Bull-Chef dann auch noch, wo es Vettel hinzieht: zu Ferrari.

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