Volleyball:Euphorie am Ammersee

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Volleyball-Aufsteiger Herrsching stellt Erstliga-Mannschaft vor

Von Sebastian Winter, Herrsching

Am Samstag starten Herrschings Volleyballer in Rottenburg in ihre Premieren-Saison. Zum ersten Mal spielen sie in der ersten Liga, nach vier Aufstiegen in Serie, begleitet von viel Euphorie in der Mannschaft und im Umfeld. Aber auch mit einigen Baustellen, wie fehlenden Trainingszeiten und einer Arena, die zwar den schönen Namen Nikolaushalle trägt, aber nicht wirklich fürs Oberhaus taugt. Der Verein besetzt die Lücke, die Generali Haching, der so erfolgreiche, aber am Ende ohne Hauptsponsor untergegangene viermalige Pokalsieger, in die Münchner Volleyballlandschaft gerissen hat. Und er tickt völlig anders als die Hachinger: Amateurhafter, aber auch frischer, frecher. Am Freitag präsentierte der Geilste Club der Welt - mit diesem diskussionswürdigen Titel vermarkten sich die TSV-Volleyballer - seine Mannschaft. Im Technologiepark Seefeld, was irgendwie passt. Denn Standortwechsel werden diese Saison noch oft das Bild von Herrschings Volleyballern prägen.

Volleyball 3.0

Die Leinwand im Veranstaltungsforum des Technologieparks hat fast Kinogröße, darauf zu sehen: Ein Werbefilm für Herrschings Volleyballer, unterlegt mit pompösen Melodien. Davor: Die Mannschaft, auf Stühlen, ihre Stimmungslage: belustigt-beschwingt. Es gibt ja auch Bier, alkoholfrei natürlich. Ganz an FC-Bayern-Inszenierungen kommt die siebenminütige Darbietung nicht heran, aber sie hat Charme. Männer beim Singen, Feiern, Schabernack treiben. Auch sonst macht Herrsching das, was Haching nie richtig hinbekommen hat: Gute Werbung über soziale Netzwerke und einen eigenen TV-Sender, Helfer-Warm-Ups mit Spanferkel-Essen und Motto-Heimspiele mit freiem Eintritt für entsprechend Kostümierte. Ziemlich unheimlich könnte so manches Spiel um Halloween herum werden - auch für die Gegner.

Heimatpflanzen

Eine Söldnertruppe, wie der Vorjahres-Halbfinalist Bühl sie etwa hat und wie sie sich in Teilen Friedrichshafen gönnt, wollten und konnten die Herrschinger sich nicht leisten. Wie auch, bei einem Minietat von 300 000 Euro. Ihr Rezept: Auf die Heimat setzen, auch bei den Zugängen. Nur der australische Nationalspieler Luke Smith und Zuspieler Tobias Neumann aus Moers haben keinen regionalen Bezug, wobei: Smith besuchte 2013 mit seinen Aussie-Kollegen das Oktoberfest. Die anderen Spieler kennen sich bestens aus in der Gegend: die Malescha-Brüder Florian und Daniel sind Münchner, wie auch Thomas Ranner. Sebastian Prüsener stammt aus Ottobrunn, Jan Wenke aus Wörthsee, Michael Wehl aus Gauting, Benedikt Doranth aus Herrsching. Julius Höfer und Fabian Breinbauer haben beim VCO Kempfenhausen ihr Volleyball-Handwerk gelernt. Das Internat liegt allerdings am Konkurrenzgewässer: dem Starnberger See.

Kneif' mich: Bene Doranth (l.) und Max Hauser freuen sich auf die 1. Liga. (Foto: Georgine Treybal)

Vorreiter im Jubiläums-Jahr

Auch Frank Bleydorn, der neue Sprecher der Volleyball-Bundesliga, ist am Freitag an den Ammersee gereist. Und er sparte nicht mit Lob für den Aufsteiger. "Viele andere Vereine können sich von Herrsching etwas abschauen." Bleydorn spricht, apropos Imagefilm, vom Eventcharakter, den die TSV-Heimspiele schon in der zweiten Liga gehabt hätten, von den gelungenen Kampagnen, die der Klub initiiere. "Ich glaube, dass Herrsching hierfür der Vorreiter ist und war", sagt Bleydorn. Dass ein Neuling, der vor vier Jahren noch im tiefsten Amateurbereich angesiedelt war, Vorreiter ist, sagt einiges aus über die erste Liga. Herrsching wird ihr im Jubiläumsjahr gut tun. So wie der Liga 1860 München in der Premierensaison 1974/75 gut getan hat. Die Sechziger wurden damals deutscher Volleyball-Meister.

Kein Nikolaus-Geschenk

Das größte Problem der Herrschinger ist die Halle. Sie fasst nur ein paar hundert Zuschauer und wird jetzt so sehr aufgemotzt, dass circa 1000 Fans darin Platz haben. Das sind die Mindeststandards der Liga. Außerdem ist sie eigentlich zu flach, deshalb haben die Herrschinger eine zweijährige Ausnahmegenehmigung erhalten. Das zweitgrößte Problem ist, dass die Mannschaft nur zweimal pro Woche in der Nikolaushalle trainieren kann, die sie sich mit den anderen TSV-Sparten teilt. Trainer Max Hauser und seine Spieler müssen mehrmals pro Woche auf andere Hallen ausweichen, in Gilching, München und anderswo. Manchmal kann Hauser seinen Spielern erst am selben Tag sagen, wo sie abends trainieren. Am Freitag übten sie in Hechendorf am Pilsensee. Und Luke Smith zeigte schon mal, was in seinen Beinen stecken muss: je eine elastische Sprungfeder.

Trampen an den Bodensee

Die Aussage von Max Hauser, der in Herrsching als Ur-Vater des Volleyballmärchens gilt, ist schon ein geflügeltes Wort: "Dann trampen wir nach Berlin", sagte der 30-Jährige im April. Die Frage war, ob der TSV sich die erste Liga finanziell leisten kann. Nun wollen sie tatsächlich zu einem Auswärtsspiel trampen, ausgerechnet im kalten Februar nach Friedrichshafen. Kleiner Marketing-Gag. "Wäre nur schlecht, wenn uns dann keiner mitnimmt", sagt Hauser.

© SZ vom 14.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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