Große Koalition:Schmähungen alter Schule

Große Koalition: Spitzen der schwarz-roten Koalition: Kanzlerin Angela Merkel und Stellvertreter Sigmar Gabriel

Spitzen der schwarz-roten Koalition: Kanzlerin Angela Merkel und Stellvertreter Sigmar Gabriel

(Foto: AFP)

Die große Koalition war wegen der guten Wirtschaftslage in Deutschland bisher eine Schön-Wetter-Regierung. Doch jetzt trübt sich die Konjunktur ein - und schon wird der Ton zwischen Union und Sozialdemokraten merklich rauer.

Kommentar von Robert Roßmann

Es gibt viele Gründe, warum kaum einer die schwarz-gelbe Regierung vermisst. Dazu gehört sicher auch der Umgangston, den Union und FDP gepflegt haben. Die wechselseitigen Beschimpfungen sind legendär. Schwarz-Gelb ist als Wildsau-Gurkentruppen-Koalition in Erinnerung geblieben. Am Ende war das Vertrauen zwischen Union und FDP dahin.

Dass die große Koalition so gute Noten bekommt, liegt auch daran, dass es Merkel, Gabriel, Seehofer & Co. bisher anders gehalten haben als ihre Vorgänger. Doch mit dieser Contenance scheint es jetzt vorbei zu sein. Der CDU-Generalsekretär ätzt, Ralf Stegner sei eine "rote Null".

Der SPD-Vize erklärt dafür, Peter Ramsauer von der CSU habe "nicht mehr alle Latten am Zaun". Die Liste der Freundlichkeiten ließe sich fast beliebig fortsetzen. Die Konjunktur trübt sich ein - und mit ihr auch das Klima in der Regierung.

Paradies für Haushaltspolitiker

Bisher war die große Koalition eine Schönwetterregierung. Wegen der deutschen Sonderkonjunktur wussten der Finanzminister und die Sozialversicherungen fast nicht wohin mit dem vielen Geld. Die Steuereinnahmen sind auf dem höchsten Stand der deutschen Geschichte. Die Rentenversicherung freut sich über eine Finanzreserve von 32 Milliarden Euro. Krankenkassen und Gesundheitsfonds hatten zeitweise mehr als 30 Milliarden Euro Überschuss.

Im Paradies hätten es Haushaltspolitiker kaum schöner haben können als im Deutschland des vergangenen Jahres. In solchen Zeiten kann jeder einigermaßen harmonisch regieren. Der Koalitionsvertrag ist kein Spar-, sondern ein Weihnachtspaket voller Geschenke. Wegen der sprudelnden Einnahmen reichte es trotzdem für einen Haushalt ohne Neuverschuldung und neue Steuern.

Doch damit ist es jetzt vorbei. Die natürlichen Gegensätze zwischen Union und SPD lassen sich nicht mehr mit Geld zukleistern. Und schon brechen die alten Konflikte wieder auf. In der SPD träumen viele von schuldenfinanzierten Konjunkturprogrammen nach roter Schule. Und in den Union trauen sich die Marktwirtschaftler alter Schule wieder ans Pult. Dass es da anfängt, in einer Koalition zu haken, ist klar.

Warum es in der SPD rumort, liegt auf der Hand. Die Partei hat ein gewaltiges Feuerwerk gezündet, liegt aber trotzdem nur bei 25 Prozent. Jetzt ist das Pulver abgebrannt - und keiner weiß so recht, wie die SPD wenigstens auf Schlagdistanz zur Union kommen soll. Statt das rote Herz zu streicheln, muss sich Parteichef Gabriel jetzt mit Rüstungsexporten, TTIP und der Energiewende herumquälen. Dass die Seele der Sozialdemokraten wund wird, ist da kein Wunder.

Frust an der CDU-Basis

Viel erstaunlicher ist die Gemütslage der Christdemokraten. Die Union steht stabil bei gut 40 Prozent. Selbst der Aufstieg der AfD hat an den guten Umfragewerten für die Christdemokraten nichts geändert. Aber an der CDU-Basis dominieren Frust und Klagen. Das zeigen auch die Reaktionen auf die Stippvisite von Friedrich Merz Anfang der Woche.

Wenn der Name Merz falle, erinnere sich die CDU an ihre Seele, sagt der Thüringer Fraktionschef Mike Mohring - und trifft damit ziemlich genau das Gemüt vieler Christdemokraten. Ihrer Ansicht nach ist die CDU zurzeit im falschen Gewand erfolgreich. Früher hatte die Partei Positionen, jetzt scheint Merkel ihren Kurs nur noch am Mainstream auszurichten. Früher gab es Attacke, jetzt nur noch den attentistischen Führungsstil der Kanzlerin.

Entsprechend blank liegen die Nerven in der CDU. Der Einbruch der Konjunktur ist da ein willkommener Anlass, endlich mehr reine Lehre zu fordern. Auch deshalb dürften die nächsten Wochen für die Koalition ziemlich ungemütlich werden. Die roten Nullen und fehlenden Latten am Zaun sind da nur der Anfang.

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