Studentenjobs:"Sie sind immer noch Vollzeitstudent"

Geld muss her, ein Job. Nur welcher? Die meisten Studenten arbeiten neben dem Studium, um sich das Leben in der Uni-Stadt leisten zu können. Davon ist nicht jeder Professor angetan.

Von Pia Ratzesberger und Jan Willmroth

Es verspricht ein gutes Semester zu werden. Gerade verbringen die neuen Studenten ihre ersten Tage an deutschen Universitäten, da ist das Studium schon nicht mehr genug. Geld muss her, ein Job. Nur welcher? An Möglichkeiten mangelt es nicht, in den Schaukästen im Hauptgebäude der Ludwig-Maximilians-Universität München reiht sich ein Angebot ans nächste: Boston Consulting, Allianz, das ZDF. Ein Jeansladen, ein Buchverlag, selbst ein Kindergarten. Sie alle suchen für das neue Semester, sie alle suchen studentische Aushilfen.

Auf den ersten Blick sind die viel umworbenen Münchner Studenten eine unpassende Zielgruppe. Sie wirken, als hätten sie schon genug Geld oder längst den passenden Job. Hunderte hetzen auf dem Weg zur Bibliothek oder Vorlesung an den Glaskästen vorbei, für die Aushänge interessiert sich niemand.

Brauchen die wirklich alle keinen Job? Melanie Juling, Mitarbeiterin im Büro Student und Arbeitsmarkt, lacht. Nein, die brauchen sehr wohl einen. Die meisten allerdings suchen im Netz nach Angeboten; dort sind im Gegensatz zu den Aushängen, die jeden zweiten Tag wechseln, alle Anzeigen gesammelt aufgeführt. Jetzt zum Semesterstart verzeichnet ihre Seite mehr als 50 000 Klicks pro Tag. "Das ist für uns viel", sagt Juling. Verwundert aber nicht: Zwei von drei Studenten in Deutschland arbeiten neben ihrem Hauptberuf, dem Dasein zwischen Hörsaal, Schreibtisch und Diskothek. Wenn das Semester beginnt, geht die Suche los.

Die wichtigste Einnahmequelle sind nach wie vor Mama und Papa

Durchschnittlich landen jeden Monat 864 Euro auf dem Konto eines Studenten. An einer Hochschule eingeschrieben zu sein, das bedeutet ein Leben am Rande der offiziellen Armutsgefährdungsquote, das heißt für viele ein paar Jahre Knausern für ein später höheres Einkommen.

Wer weniger als 670 Euro im Monat zur Verfügung hat, studiert nach der Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks aus dem Jahr 2012 besonders häufig Mathematik oder andere Naturwissenschaften. Wer sich über mehr als 1000 Euro freuen kann, widmet sich dagegen häufiger der Medizin. Daraus lässt sich mitnichten schließen, dass die eine Fachrichtung lukrativere Nebenjobs ermöglicht als die andere: Die wichtigste Einnahmequelle sind für die Studenten nach wie vor Mama und Papa. Fast 90 Prozent der Studenten sind auf die Eltern angewiesen, die im Monat durchschnittlich etwa 480 Euro zum akademischen Leben ihres Sprösslings beisteuern.

Gleich danach steht der Nebenjob auf der Liste mit etwa 300 Euro. Das Bild des Studenten, der in der Bar ausschenkt, als Maskottchen in der Fußgängerzone steht oder im Telefoncenter Umfragen führt, passt dabei noch immer - die Mehrzahl der Studierenden jobbt als Aushilfe. Auf Rang zwei die Arbeit an der Uni: 29 Prozent sind als studentische Hilfskräfte an den Fakultäten tätig. Fachnahe Jobs, die auch dezidiert Kenntnisse aus dem Studium voraussetzen und als Karrierebeschleuniger wirken können, haben dagegen nur sehr wenige; etwa sieben Prozent aller Hochschüler.

Ein studiennaher Job ist kein Muss

Da wäre es doch klug, wenn mehr Studenten im Sinne ihres Berufswunsches nebenbei arbeiteten, anstatt Teller und Tassen zu tragen. Aber nein, ein studiennaher Job sei kein Muss, sagt Anna-Maria Engelsdorfer, die bei der Münchner Bundesagentur für Arbeit Studenten berät. Zumindest am Anfang des Studiums: "Die entscheidende Frage ist: Was will ich mit dem Job erreichen? Meine Existenz sichern? Dann ist ein höher bezahlter Job, der nichts mit meinem Studium zu tun hat, gerade in den ersten Semestern okay", sagt sie.

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Danach aber sollten Studenten versuchen, dort zu arbeiten, wo sie auch später einmal hinwollen. Nicht nur um Kontakte zu knüpfen, sondern auch um herauszufinden, ob der Job tatsächlich so ist, wie man ihn sich in Schule und Hörsaal immer vorgestellt hatte. Wenn die Abschlussarbeit geschrieben ist und die Zeugnisvergabe bevorsteht, sollte jeder Student mindestens einmal außerhalb der Universität "in einem relevanten Bereich" gearbeitet haben, rät Engelsdorfer.

Mancher Professor betont auffällig oft den Begriff "Vollzeitstudium"

Dabei gilt es schon im Studium, die richtige Balance zu finden. Denn wer viel arbeitet, hat weniger Zeit für Bücher, Seminare und Prüfungen. Wenn zu den zu lesenden Texten auffällig wenig Rückmeldungen kommen, betont mancher Professor oder Dozent in seinen Kursen gern mahnend, die Studierenden absolvierten alle ein "Vollzeitstudium". Die Kritik ist nicht ganz unberechtigt. Studenten, die nebenbei arbeiten, widmen sich im Schnitt wöchentlich sechs Stunden weniger als andere ihren Büchern - ohnehin dürfen sich nur jene als Vollzeitstudenten bezeichnen, die weniger als 20 Wochenstunden arbeiten.

"Seit der Einführung des Bachelor-Systems ist es wegen der vielen Anwesenheitspflichten für Studenten noch einmal schwieriger geworden, Job und Studium zu vereinbaren", sagt Stefan Grob vom Deutschen Studentenwerk. Laut einer Umfrage der Agentur Univativ schafft es nicht einmal die Hälfte der Studenten "zeitlich sehr gut", neben dem Studium zu arbeiten.

Abhilfe schaffen kann da ein Klassiker des deutschen Hochschulsystems: Die Förderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, kurz BAföG, ein Regelwerk mit 68 Paragrafen und Vermächtnis der Regierung von Willy Brandt, von dem 2012 etwa 630 000 Studenten profitiert haben. Bislang gibt es maximal 670 Euro pro Monat vom Staat, in zwei Jahren soll der Satz spürbar steigen. Ein Schönheitsfehler aus Studentensicht ist der Darlehenscharakter der staatlichen Förderung; die Begünstigten müssen die Hälfte später zurückzahlen.

Ganz anders bei Stipendien, die in Deutschland trotz der Bemühungen um das Deutschland-Stipendium und der vielen Stiftungen und Vereine immer noch einigen wenigen, meist besonders guten Studenten vorbehalten sind. Doch wer sich früh genug kümmert, hat gute Chancen, die ein oder andere finanzielle Unterstützung abzugreifen. Auf der vom Bundesbildungsministerium betriebenen Seite stipendienlotse.de finden sich etwa 600 Angebote. Einige Stiftungen zahlen auch mal 500 Euro pro Monat aus. So schön das auch ist: Es reicht vielen bei Weitem nicht aus, um ihre Kosten zu decken.

Schlafplatz, Schrank und Schreibtisch

Das Teuerste, was sich ein Student leistet, sind Schlafplatz, Schrank und Schreibtisch: Im Schnitt gehen mehr als ein Drittel aller Einnahmen für das Wohnen drauf. Ein billiger Platz im Wohnheim ist zunehmend schwierig zu bekommen. "Die Zahl der Studierenden ist den letzten Jahren um 30 Prozent gewachsen, die Zahl der staatlich geförderten Wohnheimplätze gerade einmal um vier Prozent", sagt Grob. Der Platz in den Uni-Städten wird seit einigen Jahren immer knapper. Am meisten zahlen für ihre Miete Studenten in Köln und München mit fast 360 Euro, in Hildesheim sind es im Gegensatz dazu gerade einmal durchschnittlich 211 Euro.

Doch auch wenn mehr als die Hälfte der Studenten einen Job unbedingt braucht, um sich ihr Leben finanzieren zu können - auf die Frage, warum man neben der Uni arbeite, bekam das Studentenwerk in seiner Sozialerhebung am häufigsten eine Antwort zu hören: Um sich ein kleines bisschen mehr leisten können. Genau das ist sie, die Sache mit den verlockenden Gelegenheiten.

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