Party-Tipps für Berlin:Das Tier in dir

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Ein ausgestopftes Reh in einem Berliner Lokal: Wer hip sein will, trägt jetzt das Tier im Namen - auch diverse Bands und DJs.

(Foto: AFP)

Wer viel studiert, soll auch viel feiern. Wo ginge das besser als in Berlin? Oder ist es hier gar nicht mehr so wild? Tipps in Sachen Tanz und Trank für Hauptstadt-Neuankömmlinge.

Von Ruth Schneeberger, Berlin

Die schlechte Nachricht: Die ganz wilden Berliner Zeiten sind leider vorbei. Seit der Kommerz Europas Partyhauptstadt für sich entdeckt hat, weicht kontinuierlich der Untergrund - und damit das, was der Szene Seele verliehen hat. Die Mieten steigen immer stärker, in Mitte wohnt man jetzt so teuer wie in München, die Gentrifizierung schreitet voran. Berlin hat seinen Hipness-Zenith überschritten.

Die gute Nachricht: Eine neue Hauptstadt der Coolness ist noch nicht in Sicht. Und hier ist trotzdem noch so viel an rockigem Glanz vorhanden, dass Berlin bei allen Abstrichen mehr zu bieten hat als alle anderen deutschen Städte. Der Berliner liebt ohnehin die Nostalgie, das Meckern über aktuelle und das Glorifizieren vergangener Zeiten, und vielleicht könnte man sogar sagen: Jetzt, wo die Hipster langsam wieder abziehen, wird Berlin wieder echter.

Eine Art Labor in Sachen Hypes ist die Stadt unbestritten, viele Trends erfinden sich hier immer wieder neu. Weshalb sich auch niemand sorgen muss, nicht die passende Ausgehwelt für seinen ganz persönlichen Geschmack zu finden. Kann halt sein, dass der Lieblingsladen nächste Woche schon wieder dicht macht. Bestimmt aber eröffnet kurz darauf etwas sehr Ähnliches an der nächsten Ecke.

Stürzen wir uns also ins nächtliche Getümmel der Großstadt. Zwar ist inzwischen Essen das neue Feiern, um das leibliche Wohl zu angemessenen Preisen braucht sich niemand zu sorgen. Aber es gibt noch Plätze, wo das neue Feiern das alte Feiern ist.

Wo ist was los?

Aktuellster Tipp: Das Feel-Festival an diesem Samstag im Prägewerk. Was normalerweise im Sommer am Kiekebuschsee "Freunde des Glücks" verzaubert, geht nun in die Herbst-Verlängerung im Innenraum: 40 DJs, Live-Acts, Deko-, Licht- und Projektionskünstler stehen in diesem Fall nicht für sinnlose Gigantomanie. Die Macher wissen genau, was sie tun: Mit viel Leidenschaft vereinen sie Subkulturen der elektronischen Musikwelt und kreierten in diesem Jahr den Höhepunkt der Festivalsaison.

Empfehlenswert ist deshalb immer, sich umzuhören, wo weitere Parties freier Veranstalter stattfinden, denn die sind oft die lebendigsten.

Die kühlen Klassiker

Zu den Berliner Evergreens in Sachen Clubkultur gehört an erster Stelle der Tresor. Hier muss man mal gewesen sein. Der Club der ersten Stunde spielt immer noch denselben herzerfrischend unangetasteten Techno-Kram. Wer sich in die derzeit wieder sehr angesagten 90er Jahre versetzen will, wer Stroboskope, Trockennebel und Käfigtüren will, und ein paar Urgesteine sehen, die hier im Untergrund schon seit Jahrzehnten in Neonfarben hausen, der ist im Tresor richtig. Zwar sind DJs inzwischen auch mit Krawatte anzutreffen und die spanischen Touristen, wie überall in dieser Stadt, manchmal in der Überzahl, aber das Gefühl und die Musik sind geblieben - als ob sich die Welt seit 20 Jahren nicht verändert hätte. Das Museum unter den Berliner Clubs.

Ein weiterer Dinosaurier, wenn auch jünger, dafür aber größer und inzwischen wirkmächtiger, ist das Berghain. Viel wurde schon über die Legendenhaftigkeit dieses Technoschuppens geschrieben, wenige wussten wirklich, was sie da beschreiben sollten. Aber gesehen haben muss man auch das mit eigenen Augen, vor allem aber gehört haben mit eigenen Ohren, auch wenn der Club vor allem von seiner wilden Darkroom-Vergangenheit lebt. Nicht wundern: Spiegel gibt es hier keine, die Türsteher lassen am liebsten Menschen rein, die ihnen nicht die Show stehlen. Also bloß nicht aufbrezeln, dann hat man womöglich zwei Stunden umsonst angestanden. Drinnen lohnt sich vor allem die Panorama-Bar, besonders in den Morgenstunden - oder auch tagsüber, sonntags. Dann ist hier drin zwar noch tiefste Nacht, aber der Light-Jockey gönnt den Tanzenden ab und an ein Blinzeln durch die Jalousien, passend zum Takt. Das ist dann, wie wenn Gott seinen tanzenden Jüngern zuzwinkern würde - sehr erhebend. Und die Musik kann hier immer noch so bombastisch sein, dass man auch nach zwölf Stunden Tanzen einfach nicht weg kann. Wie zu guten alten Love-Parade-Zeiten.

Ansonsten muss man sagen: Die altbekannten Läden, wie Watergate, wie Weekend, die einst wie alle anderen auf der Erfolgswelle der 90er- und Nullerjahre schwammen, gibt es zwar noch, aber sie haben sich selbst überlebt. Nach den kühlen Elektroschuppen mit sehr cooler Großstadt-Aussicht (im einen Fall über die Dächer der Stadt, im anderen über die Lichter der Spree) haben im neuen Jahrzehnt andere Konzepte das Regiment übernommen: Spielplätze für Erwachsene.

Spielplätze für Erwachsene

Die fröhlichen Bunten

Bunte, schrille, lustige Läden, in denen Zirkus, Deko wie aus dem Kinderzimmer, märchenhafte Traumwelten und Alice im Wunderland sich vereinen. Das Katerholzig war so ein Fall, das Sysiphos (gerade zu), das Ritter Butzke und die Wilde Renate sind es noch, um nur die nettesten zu nennen. Gemein ist ihnen, dass sie die Coolness abgelöst haben und für eine freundlichere Phantasiewelt stehen, in die sich Nachtschwärmer gerne für mehrere aufeinanderfolgende Nächte inklusive der Tage verirren.

Und wärend hier auch schon wieder die ersten schließen, hat sich bereits ein neuer Trend entwickelt: das Tier. Bei Katerholzig steckte es schon im Namen, folgerichtig wurde kürzlich unter dem Namen Kater Blau neueröffnet. Zahlreiche weitere Clubs, Bars und Restaurants tragen in Berlin inzwischen Tiernamen. Das ist eine Weiterentwicklung der Spaß-Locations - aber sie sind jetzt nicht mehr zwingend auf kindlich getrimmt. Sondern eher auf kitschig, auf trashig, auf clean-chic oder was sonst auch immer schon Trend war in Berlin. Nur braucht das Kind eben alle paar Jahre einen neuen Namen, und der ist nun das Tier.

Gib mir Tiernamen

Passenderweise gibt es eine Bar genau dieses Namens, die nun wiederum alle Trends in sich vereint, die gerade angesagt sind in Berlin: Schick trifft rotzig trifft Kolonial-Stil trifft alternatives Rumgehänge. Natürlich in Neukölln, wo seit einiger Zeit alles sein muss, was neu und hip ist. Aber diese Bar, Tier, ist tatsächlich ganz und gar bezaubernd. Nicht zu abgerissen und nicht zu edel, die Cocktails auch für Berlin gerade noch bezahlbar, dafür aber ausgesprochen einfallsreich. "Katzengold" etwa, gib mir Tiernamen, sieht zwar aus und riecht auch ein bisschen wie das, was an der Katze eher unangenehm golden ist. Dass aber ausgerechnet ein Gemisch aus Sanddornsaft, Amaretto und Ahornsirup so vorzüglich munden kann, das lernt man wohl nur hier. Und nur hier läuft in Endlosschleife das Streicheln einer weißen Katze auf dem Schwarz-Weiß-Fernseher. Ist es die böse Bond-Katze, ist es die Namensgeberin des Hauses? Es soll gerätselt werden - an einem Ort, der vielen schon als beste Bar Berlins gilt.

Was meistens geht

Man darf also gespannt sein, was nach den Tiernamen kommt. Bis dahin kann man getrost alles weitere testen, was einem über den Weg läuft. Zum Beispiel den Würgeengel, eine sehr feine, aber oft auch sehr volle Bar, ein echtes Trinker-Paradies. Zu den ungefährlicheren Clubs und Bars, die einen nicht vom Hocker reißen, aber solide sind, gehören das Prince Charles (elektronisches Tanzen im trockengelegten Swimming Pool), der Club der Visionäre (für den Sommer am Wasser), manchmal das Golden Gate (hier geht es eigentlich nur um die passende Musik zu später Stunde und um sonst nichts).

Was nur sehr selten geht

Ein paar Warnungen vorab: Im Grand nahe Alexanderplatz ist das Publikum manchmal spießiger, als man sich das Münchner Partyvolk in seinen schlimmsten Alpträumen vorstellt. Trotzdem ist die Location hübsch, besser deshalb zum Mittags-Lunch zu empfehlen. Clubs wie Adagio oder Asphalt sind fast noch schlimmer, weil zum vermeintlich schicken Anstrich auch noch öde. Ja, sowas gibt es hier auch. Wirklich schick ist zwar die Monkey-Bar über der neuen Mall Bikini Berlin. Aber auch hier ist alles so oberflächlich und angestrengt hip, dass man sich das elende Anstehen dafür sparen kann. Fast am schönsten von diesen Edelläden ist noch die Bar Tausend - aber auch hier: weiße Oberhemden, wohin das Auge blickt. Das kann Berlin besser.

Das Matrix hat zwar jede Nacht geöffnet, zieht aber eher das Mallorca-orientierte Jungvolk an. Sogar rund um die Uhr geöffnet hat ein Laden am Hackeschen Markt, das am to pm ist allerdings wie fast alle Läden rund um diesen Platz rein touristisch orientiert, das zieht sich bis zum Bum-Bum-Schuppen M-Bia in Richtung Alex.

Die einen sagen so, die anderen so

Zwei kleinere Ausnahmen gibt es hier: Das Trust war mal kurz ein Szene-Club, geblieben ist immerhin die hübsche Einrichtung, in der inzwischen aber eher lahme Parties stattfinden. Das Eschschloraque rümschrümp lohnt eigentlich schon wegen seines Namens einen Besuch. Ansonsten finden sich auch in dieser urigen Bar eher Toruisten, die in einem Club unbedingt mal ein Fahrrad an der Wand hängen sehen wollen, total crazy.

Unverkennbar aber: Auch hier, in dieser kleinen Spelunke, stehen inzwischen stolze Blumengeflechte auf dem Tresen, wie derzeit in jeder Berliner Bar, die etwas auf sich hält. Flowerpower ist wieder angesagt, wenn auch in der edlen Version. Vorsicht übrigens vor Berliner Läden, die hip und edel sein wollen: Das geht oft daneben. Die Odessa-Bar etwa ist so ein Szeneding, wunderhübsch eingerichtet, die volle Blumenvase auf der Bar. Voll ist es hier auch meistens - aber trotzdem langweilig. Auf der Torstraße, einem aktuellen Ausgehviertel, findet man vieles in der Art, was aber Geschmackssache ist. Wer es alternativer mag, ist in Kreuzkölln besser aufgehoben. Insgesamt ist der Ostteil der Stadt anhaltend die bessere Wahl zum Feiern als der gediegene Westteil. Wer teure kleine Schmuckläden, hübsche Hausfassaden, Bars, die um ein Uhr schließen, und Promi-Restaurants mag, der geht halt nach Charlottenburg.

Und wer es ganz nackt mag, der geht in den Kitkatclub. Der ist aber erst recht Geschmackssache. Man sollte wissen, dass hier schon am Eingang Ausziehen gefragt ist, dass in den Ecken viele einsame Gaffer stehen und in den Morgenstunden gerne alle erdenklichen Tabus gebrochen werden. Ist nichts für Zartbesaitete oder reine Ästheten.

Was immer geht

Ein Phänomen ist das King Size, wo Nomen gar nicht Omen est: In der winzigen Bar gibt es alles, was sich der Berliner Nachtschwärmer erträumt: mal experimentelle, mal zurückhaltende, mal absolut peitschende Elektromucke, tüchtige Barkeeper, Menschen ohne Alter oder Herkunft. Nur eines gibt es nicht: Platz. Was dazu führt, dass die Stimmung immer schwül, aber auch immer sehr ausgelassen ist. Und auch der Türsteher ist freundlich. Also allet jut.

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