Zum Tod von Oscar de la Renta:"Mehr ist mehr"

FRENCH FASHION HOUSE BALMAIN AUTUMN/WINTER 2001-2002 HAUTE COUTURE FASHION SHOW IN PARIS

Oscar de la Renta bei einer seiner Modenschauen für Balmain.

(Foto: REUTERS)

Sein Tod wird betrauert, sein Leben war ein Fest: Oscar de la Renta, der Sprachlosmachende, hat mit seiner Mode eine Hommage an das Weibliche geschaffen. Er kleidete First Ladies und Weltstars. Unserem Autor hat er vor Jahren einmal einen seiner Grundsätze verraten.

Von Gerhard Matzig

Es war in New York, vor Jahren, während der Eröffnungsfeierlichkeiten einer Architektur-Ausstellung. Es gab keinen roten Teppich. Und Oprah Winfrey, Sarah Jessica Parker, Penélope Cruz ... sie alle waren nicht da. Es ging um Architektur und Kunst. Da war - unübersehbar - Oscar de la Renta, der genialische Modeschöpfer, der jetzt in seinem Haus in Connecticut gestorben ist. "Was für ein trauriger Tag für die Modebranche", kommentiert Gloria Estefan den Tod des 82-Jährigen. Und Nicky Hilton sagt in großer Sprachlosigkeit: "Eine Ikone ist von uns gegangen."

Die Ikone, der Sprachlosmachende, der Architektur und Kunst studiert hatte, der in den 1950er-Jahren lange in der Nähe des Museo del Prado in Madrid lebte (wo er das billigste "und beste" Frühstück der Stadt schätzte, "ein paar Cent, mehr nicht"), stand da also in New York im Foyer des Museums in seiner typischen Haltung: nonchalant majestätisch. Freundlich. Vor allem aber interessiert, auf der Suche nach Anregung.

Der Star unter den bedeutsamsten Modeschöpfern der Moderne, der aus Prominenten etwas weit größeres machte, Formvollendung nämlich, kam mit dem Architekturkritiker ins Gespräch - und so landete man bei Mies van der Rohe. Doch, sagte de la Renta, der Satz "less is more", wonach der Mehrwert zeitlos-moderner Ästhetik im Weglassen liege, habe seine Berechtigung: "Weniger ist mehr? Okay, beim Bauen, für Häuser". Aber in der Mode? Für Frauen? "Grober Unfug." Und dann sagte er: "Wissen Sie, junger Mann, am Ende ist es so: Mehr ist mehr und weniger ist einfach nur weniger. That's all." Das wird man nicht vergessen.

Und auch das jüngste Kleid, das kürzlich erst für Aufsehen sorgte, jenes, das Amal Alamuddin zu ihrer venezianischen Hochzeit mit George Clooney trug, erzählt noch von der Kunst de la Rentas, die auch darin liegt, aus wenig alles zu machen. Amal Clooney kann Oscar de la Renta dafür danken, dass er sie nicht wie ein Sahne-Baiser aussehen ließ - sondern wie eine Märchenprinzessin. Seine Mode, ob Cocktail- oder Hochzeitskleid, ob Bademode oder Lingerie: Sie verband etwas, was eigentlich nicht zu verbinden ist: zeitlose Eleganz und Zurückhaltung einerseits und das Leben als Fest und Freude andererseits. Oscar de la Renta ist der Renaissancekünstler der Moderne.

"Ich habe", erzählte er einmal, "jede Möglichkeit ergriffen, in einen Zug zu springen." So wurde er nicht, wie die begüterte Familie wünschte, heimisch im Versicherungsgeschäft - sondern Künstler, Architekt, Designer, Unternehmer. Alles in einem. Und indem er für die Mode das aus Architektur und Kunst einst verbannte Ornament zurückeroberte, dazu die karibische, suggestive Farbsinnlichkeit seiner Heimat (Dominikanische Republik), erschuf er seinen eigenen Kosmos des Unterwegsseins zwischen den Kulturen: ausgestattet mit einer einzigartigen Mondänität und Weltläufigkeit.

Amy Adams trägt eine Robe von Oscar de la Renta

US-Schauspielerin Amy Adams trägt bei der Verleihung der Oscars im Jahr 2013 eine Robe von de la Renta.

(Foto: dpa)

De la Renta stattete von Jacqueline Kennedy und Nancy Reagan über Laura Bush und Hillary Clinton bis zu Michelle Obama geradezu gesetzmäßig die First Ladies seiner Wahlheimat aus. Schmückte sie mit überbordend ornamentalen Träumen aus Volants und Kaskaden, aus Samt und Seide. Aber seine Kunst lag auch darin, mit wenigen Mitteln aus jeder Frau eine First Lady ihrer selbst zu machen.

Seine Abendkleider sind eine einzigartige Hommage an das Weibliche. Und man muss vielleicht als einziger Junge (und als jüngstes von sieben Kindern) unter Frauen aufgewachsen sein, um so einen wachen Sinn für feminine Kraft zu entwickeln. Und ein Künstler, Architekt und Designer obendrein. So kann man auch als Ikone gehen, die sprachlos macht und die ein Leben zurücklässt, das eines war: ein sinnlich-farbenfrohes Fest der Formen, eine Liebeserklärung an die Schönheit.

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