Alternative Verkehrsmittel:Des einen Streik ist des anderen Freud

Lokführerstreik - Berlin

Warten auf den Fernbus: Die Anbieter profitierten vom Streik der Lokführer.

(Foto: Britta Pedersen/dpa)

Wenn Lokführer den Zugverkehr in Deutschland lahmlegen und bei der Lufthansa die Piloten streiken, freuen sich andere: Denn Taxifahrer, Busfahrer oder Mietwagenverleiher profitieren sogar von den Arbeitsniederlegungen.

Von Lea Hampel

Kaum haben die Lokführer ihren Arbeitskampf beendet - wenn auch nur vorerst, streiken die Piloten. Die Lufthansa musste am Dienstag nahezu alle Flüge streichen, am Wochenende standen viele Bahnen still. Die Kunden suchen sich Alternativen - davon gibt es viele.

Taxifahrer

"Alles, was vier Räder hat, ein Taxischild und eine elfenbeinfarbene Lackierung, war am Wochenende draußen", fasst Thomas Grätz, Geschäftsführer des Deutschen Taxi- und Mietwagenverbands das vergangene Wochenende zusammen. Es waren so viele Fahrer wie möglich unterwegs - und das nicht nur, um in Großstädten die S-Bahn zu ersetzen. Sondern oft als Bahn- oder Flugzeugersatz auf längeren Strecken. "Vor allem Feriengäste waren nicht auf den Streik vorbereitet", erzählt Grätz. "Für die war die Überraschung groß, als sie aus dem Flughafengebäude kamen." Wer gerade mit viel Gepäck todmüde aus dem Flieger gestiegen sei, habe keine Lust zu warten. "Dementsprechend hoch war die Bereitschaft, einhundert Kilometer mit dem Taxi zu fahren und auch ohne Murren zu bezahlen."

Auch so mancher Fußballfan, der viel Geld für Bundesligatickets bezahlt hatte, entschied sich für ein Taxi, um den Anpfiff nicht zu verpassen - 30 bis 40 Prozent mehr Taxiverkehr als sonst gab es in vielen Regionen, schätzt Grätz.

Fernbusfahrer

Ihr Start im vergangenen Frühjahr auf dem deutschen Markt wurde neugierig beäugt, und spätestens die Phase von abwechselnden Bahn- und Pilotenstreiks hat sie der Allgemeinheit bekannt gemacht: die Fernbusse. Die prominentesten Anbieter, "Flixbus" und "Mein Fernbus", werden wohl noch lange gern an das vergangene Wochenende zurückdenken. Drei Mal mehr Buchungen als an gewöhnlichen Wochenenden konnten die Anbieter im Durchschnitt verzeichnen. Zusätzliche Busse waren angemietet, weitere Fahrer im Einsatz, oft fuhren Doppelstockbusse statt der Standardmodelle oder zur gleichen Zeit mehrere Busse auf Kernstrecken wie Hamburg-München, denn es ist den Unternehmen nicht erlaubt, einfach zusätzliche Fahrten zu anderen Zeiten anzubieten.

Lokführerstreik - Berlin

Warten auf den Fernbus: Die Anbieter profitierten vom Streik der Lokführer.

(Foto: Britta Pedersen/dpa)

100 zusätzliche Fahrten hat allein "Mein Fernbus" am Streik-Wochenende ins Programm genommen. "Die meisten Kunden hat es nicht mal gestört, dass es nicht wie sonst üblich in allen Bussen W-Lan gab. Die waren einfach nur froh, dass sie von A nach B kommen", sagt Bettina Engert, Sprecherin von Flixbus. Die Bahn könnte unter diesen Abwanderungen langfristig leiden - wenn so mancher Fahrgast feststellt, dass W-Lan und Niedrigpreis ihm die ein oder andere Wegstunde mehr wert sind.

Mitfahrportale

"Wir haben das beste Wochenende überhaupt erlebt, seit wir auf dem deutschen Markt sind", sagt Christian Schiller von "Blabla-Car". Das Portal, das Mitfahrgelegenheiten vermittelt, hat am Wochenende des Bahnstreiks seine Nutzerzahlen erheblich gesteigert. Schon am Dienstagabend voriger Woche, als erstmals der Streik in der Tagesschau angekündigt wurde, konnten die Webseiten-Betreiber zuschauen, wie die Nutzerzahlen steigen. Höhepunkt: Der Freitagmorgen vor dem Wochenende. Bis zu 300 Prozent mehr Verkehr herrschte laut dem Sprecher zu der Zeit auf der Website, vor allem Strecken zwischen Hamburg und Berlin sowie Stuttgart und München waren nachgefragt. Ob die verzweifelten Kunden langfristig umsteigen, ist nicht sicher. Viele der Neunutzer würden aber in solchen Momenten erstmals merken, dass Mitfahrgelegenheiten kein Studentenphänomen mehr seien, sagt Blabla-Sprecher Schiller. "Zumindest beim nächsten Streik kommen die wieder zu uns", fügt er an. Und klingt vergnügt.

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Tankstellen

Dass an deutschen Tankstellen das Benzin ausgeht, ist eher eine Seltenheit - und kommt höchstens vor, wenn sehr viel Schnee auf einmal fällt und die Tanklaster nicht fahren können. Dass bundesweit an mehreren Tankstellen Kunden keinen Sprit bekommen, und das an einem strahlenden Herbsttag, darf daher fast schon als Krisenzeichen gewertet werden. Genau das war beim Bahnstreik am Wochenende der Fall: Unter anderem in Nordhessen mussten einige Autofahrer Tankstellen suchen, die noch Diesel hatten. Dass das Wochenende eine Herausforderung werden würde, wusste man beim Mineralölwirtschaftsverband schon vorher. "Die Tankstellen werden regelmäßig beliefert, Ferien und Feiertage einkalkuliert", sagt Alexander von Gersdorff, Sprecher des Verbandes. Zu den Engpässen bei Diesel kam es "durch die Kombination aus Ausflugswetter, Reiseverkehr, günstigen Benzinpreisen und Bahnstreik". Die Folgen bekamen Autofahrer bis in diese Woche hinein zu spüren. Da rollte die Bahn längst wieder, aber die Piloten kündigten den nächsten Streik an.

Mietwagenverleiher

Vermutlich waren alle Autoverleiher Deutschlands einer Meinung mit Branchenriese Sixt. "HDGDL, GDL" verkündete das Unternehmen während des Streiks der Lokführer auf seiner Facebook-Seite. Übersetzt heißt das: "Hab Dich ganz doll lieb, Gewerkschaft der Lokführer." Ein genialer Werbestreich im Moment erhöhter Aufmerksamkeit: Schon, als die Piloten zuletzt Streiks ankündigten, hatten sich bei vielen Verleihern die Anfragen vervielfacht. Bei Budget gab es zeitweise keine Autos mehr. "Wir haben zwar versucht, uns entsprechend vorzubereiten", sagte eine Sprecherin des Unternehmens, das vor allem in Berlin und München überdurchschnittlich gut vermietete. "Aber wir können nicht von heute auf morgen die Flotte vergrößern." Streiken nun die Piloten weiter, müsste sich Sixt Gedanken über eine neue Kampagne machen. Gar nicht so einfach. Obwohl, wie wäre es mit "VLG, VC" - viele liebe Grüße, "Vereinigung Cockpit".

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