BVB in der Champions League:Umhüllt von 1000 Wahrheiten

BVB in der Champions League: Will die Krise aussitzen: BVB-Trainer Jürgen Klopp.

Will die Krise aussitzen: BVB-Trainer Jürgen Klopp.

(Foto: AP)

Eigentlich wähnt sich Borussia Dortmund vor dem Champions-League-Spiel gegen Galatasaray Istanbul auf dem Weg der Besserung - nur sieht das im Moment niemand. Trainer Jürgen Klopp hat offenbar beschlossen, die Krise auszusitzen.

Von Freddie Röckenhaus, Istanbul

Es gibt Tage, da sagt man besser gar nichts. Neven Subotic war am Dienstag der einzige am Dortmunder Flughafen, der eine Ausnahme machen wollte. Ob Klubchef Hans-Joachim Watzke, Sportmanager Michael Zorc, Trainer Jürgen Klopp, alle drückten sich vor allzu erwartbaren Durchhalte-Statements und glitten ungewohnt wortlos zum Abflug-Gate nach Istanbul. Nur Subotic scheute sich nicht. Mit schelmischem Blick reihte Dortmunds Verteidiger jene Parolen aneinander, die jeder Zuhörer schon kannte: Wir wollen gegen Galatasaray die Wende schaffen, wir wollen konzentrierter spielen, wir wollen uns Selbstbewusstsein holen mit einem Sieg. Was man eben so sagt in der Krise.

Wobei: Siege in der Champions League scheinen für den BVB zurzeit so viel leichter zu sein als alles andere. Aber nach nur sieben Punkten in acht Bundesliga-Spielen wissen sie in Dortmund allmählich selber nicht mehr so genau, ob sie überhaupt noch Tabellenführer in ihrer Champions-League-Gruppe sind.

Aber es stimmt: In Europa hat der BVB zwei Gegner vom Kaliber FC Arsenal und RSC Anderlecht nur so weggeknipst, mit insgesamt 5:0 Toren - während sie in der Bundesliga in acht Anläufen kein einziges Mal ohne Gegentor geblieben sind. "Doch," sagt Torwart Roman Weidenfeller, "es ist gut, dass wir hier in einem anderen Wettbewerb sind." Um mit einem Hauch von Trotz anzufügen: "Wir sind schon auf dem Weg der Besserung - auch wenn man das an den Ergebnissen noch nicht ablesen kann."

Die Ergebnisse, so empfinden sie es beim BVB nach wie vor, sind das einzige richtige Problem - das sich für eine Fußball-Mannschaft aber schnell aufblasen lässt, hin zu einem generellen Infragestellen des Universums. Spätestens seit der 1:2-Niederlage am vorigen Samstag in Köln hört man überall, dass das Modell Dortmund kurz vor dem Scheitern stehe und der Untergang nahe sei.

"Unser Fußball macht keinen Sinn"

Fünfmal verloren in den ersten acht Spielen - da stellt sich für jeden Fußballer die Diktatur der Ergebnisse ein. Dabei sehen sie sich in Dortmund weiterhin und beinahe stoisch anders. Aber wer will das derzeit schon öffentlich sagen? Nach so einer Niederlagen-Serie, die man in den Jahren der Klopp-Ära, die im Sommer 2008 begann, noch nicht einmal andeutungsweise beim BVB erlebt hat.

Statistik-Freunde haben errechnet, dass der BVB auch in der Bundesliga die zweitwenigsten Torchancen des Gegners zulässt, nur übertroffen - natürlich - vom FC Bayern. Trotzdem stehen 14 Gegentore zu Buche. Wer sie in einem Video nacheinander geschnitten sähe, würde sich ein Grinsen nicht verkneifen können (es sei denn, man wäre BVB-Anhänger). Ein halbes Selbsttor nach dem anderen. "Unser Fußball macht keinen Sinn", hatte Jürgen Klopp nach den neuesten Kalamitäten in Köln gesagt, irgendwie gedankenverloren, fast ein wenig abwesend, wie man ihn in seiner Dortmunder Zeit noch nicht erlebt hat. Damit handelte sich der BVB-Trainer die typischen medialen Reflexe ein: Dortmund weiß nicht mehr weiter, spielt Fußball ohne Sinn und Verstand - so interpretierten das viele.

"Frage der Geduld"

Aber offenbar spüren sie alle beim BVB, dass es nicht so ist - und Roman Weidenfeller formulierte dann doch noch, was derzeit alle in Dortmund fest glauben: Es sei nur eine "Frage der Geduld", alles werde gut. Gegen Galatasaray Istanbul geht allerdings erst einmal alles so weiter wie anscheinend dauernd in dieser bisher so gespenstischen Saison: Am Dienstagmittag zum Abflug war Nationalspieler Erik Durm nicht dabei: verletzt. Als linker Verteidiger fehlt ohnehin schon der ebenfalls verletzte Marcel Schmelzer.

Trainiert hat Klopp mit seiner maladen, uneingespielten Truppe seit dem Köln-Spiel bisher auch nur zweimal. Das am letzten Samstag improvisiert wirkende Mittelfeld mit Gündogan, Reus, Mkhitaryan und Kagawa, das sie vor ein paar Wochen noch als Traum-Besetzung gefeiert hätten, konnte mit all seiner spielerischen Potenz so gar keinen tieferen Sinn ergeben. Und es hat auch in dieser Woche wieder kaum Zeit gehabt, sich ein wenig mehr aufeinander einzuspielen.

Nächster Entwicklungsschritt überfällig

Die BVB-Troika mit Watzke, Zorc und Klopp hat sich offenbar gemeinsam festgelegt, die unerwartete, ungewohnte Situation auszusitzen. Kurzfristig wird sich kaum etwas grundsätzlich ändern lassen - es gibt keine Atempausen, in denen lange Verletzte (wie Hummels, Subotic, Reus oder Gündogan) oder neu dazu Gekommene (wie Kagawa, Immobile oder Ramos) Automatismen einschleifen könnten. Vor lauter Durcheinander in den ständig wechselnden Aufstellungen ist an Spielsystem-Tuning gerade gar nicht zu denken.

Und warum auch? Irgendwie liegt doch das meiste nur an jenen "unerklärlichen Konzentrationslöchern", so sieht es jedenfalls Jürgen Klopp. "1000 Wahrheiten" gäbe es zu der Entwicklung der letzten Wochen, sagt er - aber für den Moment könne man "nur weiter arbeiten und versuchen, diese unerklärlichen Fehler zu vermeiden". In der Champions League, so viel weiß auch Klopp, "stellen sie sich nicht alle dermaßen hinten rein", wie es der BVB nun in der Bundesliga bei drei Vierteln aller Gegner feststellen muss.

Kann sein, dass sich der nächste Entwicklungsschritt im bis vor kurzem so endlosen Aufstieg der Dortmunder gerade als überfällig erweist. Mehr Fußball spielen, weniger Abhängigkeit vom überfallartigen Pressing und Gegenpressing - das wird der BVB lernen müssen, um die Ergebnis-Krise zu überwinden. Aber auch dazu bräuchte es mal eine Pause, um Dinge neu zu ordnen. "Das nächste Spiel gegen Hannover ist für uns megawichtig", sagte zum Abflug nach Istanbul Sportchef Michael Zorc. In der Champions League muss es dagegen irgendwie von allein gehen.

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