Mord in Herrsching:Tödliche Verwechslung

Lesezeit: 2 min

Mehr als 18 Jahre nach den tödlichen Schüssen auf einen Bibliotheks-Angestellten in Herrsching am Ammersee steht der mutmaßliche Täter vor Gericht. Er hatte einen Polizisten mit ähnlichem Namen töten wollen, den er für ein Mitglied der Russenmafia hielt.

Von Andreas Salch, Herrsching

Der Prozess hat begonnen. Mehr als 18 Jahre liegen die tödlichen Schüsse auf einen Bibliotheks-Angestellten in Herrsching inzwischen zurück, nun muss sich der mutmaßliche Täter vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts München II verantworten. Es handelt sich um den in München geborenen Klaus G. Der heute 65-Jährige ist seit Anfang der Achtzigerjahre psychisch schwer krank. Zuletzt ließ sich G. freiwillig im Isar-Amper-Klinikum in Haar behandeln. Dort offenbarte er im November 2013 einem Arzt, dass er am Morgen des 8. Januar 1996 Josef Enzesberger vor dessen Haustüre erschossen hat. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Polizei jahrelang ohne Erfolg nach dem Täter gefahndet.

Josef Enzesberger wurde Opfer einer tragischen Verwechslung. Denn eigentlich hatte Klaus G. geplant, den Leiter der Polizeiinspektion Herrsching Max Enzbrunner zu töten. Er glaubte, der Beamte sei Mitglied der Russenmafia und habe ihr den Auftrag erteilt, ihn ermorden zu lassen. Nach dem Willen der Staatsanwaltschaft soll Klaus G. zeitlich unbefristet in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik untergebracht werden. Denn wegen seiner psychischen Erkrankung kann er strafrechtlich für den mutmaßlichen Mord nicht zur Verantwortung gezogen werden. In einer Erklärung, die G. dem Gericht im Mai zugesandt hatte, bedauerte er seinen Irrtum und bat die Witwe des Opfer um Vergebung.

Angst vor Russenmafia

Als zwei Polizeibeamte Klaus G., der inzwischen im Rollstuhl sitzt, kurz vor Verhandlungsbeginn in den Gerichtssaal schoben, lächelte er und winkte seiner geschiedenen Frau zu, die im Zuschauerraum Platz genommen hatte. Der 65-Jährige erklärte dem Vorsitzenden Richter Martin Rieder, dass er weder Angaben zu seiner Person noch zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft machen werde. Sein Verteidiger, Alexander Eckstein, werde alles erledigen, sagte G. Daraufhin verlas einer der Richter die Stellungnahme vom Mai, in der sich G. noch einmal zu der mutmaßlichen Tat bekannte. Darin betonte der 65-Jährige, dass er den Vorwurf aufrecht erhalte, wonach der ehemalige Leiter der Polizeiinspektion Max Enzbrunner Mitglied der Russenmafia sei.

Den Ermittlungen zufolge hatte Klaus G. vier Tage vor dem mutmaßlichen Mord mit Max Enzbrunner auf der Dienststelle in Herrsching gesprochen. Dabei soll er Enzbrunner gesagt haben, dass Mitglieder der russischen Mafia Fotos im Altarraum der Klosterkirche von Andechs gemacht hätten. Während dieser Unterredung, soll G. den Eindruck gewonnen haben, dass der Polizeihauptkommissar mit der Russenmafia gemeinsame Sache mache. Da er befürchtet habe, dass der Dienststellenleiter ihn durchschaut haben könnte, glaubte G., dass er nun die russische Mafia damit beauftragen werde, ihn zu töten.

Verwechslung im Telefonbuch

Zwei Tage nach diesem Gespräch suchte Klaus G. in einem Telefonbuch in einer Telefonzelle in Herrsching nach dem Wohnort von Max Enzbrunner. Da er sich an den genauen Namen des Beamten nicht mehr erinnerte, glaubte er, dass es sich bei dem späteren Opfer Josef Enzesberger um den Polizeidienststellenleiter handelt. Im Telefonbuch stand der Name Enzesberger direkt unter dem des Polizisten.

Am Morgen des 8. Januar 1996 fuhr Klaus G. von München aus nach Herrsching. Er trug eine Pistole bei sich. Gegen 8.45 Uhr stand er vor dem Haus von Josef Enzesberger, das für das des Polizeihauptkommissars hielt. Kurz darauf trat der Mann vor die Tür. Da er genau wie der Polizist einen Oberlippenbart trug, war Klaus G. fest davon überzeugt, dass der Polizeibeamte vor ihm stehe. Er sprach den Bibliotheks-Angestellten an und fragte ihn: "Sind Sie Herr Enzesberger?"

Unmittelbar darauf schoss G. aus kurzer Entfernung auf sein Opfer. Der 52-Jährige hatte keine Chance. Er wurde von vier Kugeln getroffen. Laut dem Gutachten eines Rechtsmediziners war der zweite Schuss bereits tödlich. Er traf Josef Enzesberger in der linken Brust. Dadurch, so der Sachverständige, wurden die Lunge und das Herz verletzt. Der Prozess dauert an.

© SZ vom 22.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: