Hillary Clinton als Wahlkämpferin:Demokraten setzen alles auf die Frauen-Karte

Hillary Clinton Attends Campaign Rally For Mark Udall In Colorado

Hillary Clinton auf einer Veranstaltung für den Senator von Colorado, Mark Udall

(Foto: Getty Images)

Vereint gegen die Republikaner und deren "Krieg gegen Frauen": Hillary Clinton wendet sich bei Auftritten vor allem an Wählerinnen. Themen wie Verhütungskosten und Abtreibung sollen die ermüdete Basis bei der Kongresswahl motivieren. In Colorado zeigt sich, wie riskant diese Strategie ist.

Von Matthias Kolb, Aurora

Hillary Clinton lässt sich ein bisschen Zeit. Ausführlich lobt sie bei ihrem umjubelten Auftritt in Colorado die demokratischen Kandidaten, die am 4. November zur Wahl stehen. Der Gouverneur namens John Hickenlooper habe viele Jobs geschaffen und Senator Mark Udall kämpfe in Washington für wichtige Anliegen wie Klima- und Umweltschutz und Schutz der Bürgerrechte.

Jeder Satz von Hillary Clinton wird im Hotelsaal in Aurora, einem Vorort von Denver, bejubelt. Doch richtig laut wird es, als sie ankündigt, darüber zu sprechen, was bei dieser Wahl für Frauen auf dem Spiel steht. "Niemals in den vergangenen 40 Jahren waren die Rechte der Amerikanerinnen stärker gefährdet als jetzt", ruft die 66-Jährige. Die Garantie der Frauen, selbst über Familienplanung zu entscheiden, sei im ganzen Land in Gefahr, warnt Clinton.

Im Gegensatz zu den Republikanern beschimpften oder verurteilten Demokraten wie Senator Mark Udall niemals Frauen, wenn sich diese aus persönlichen Gründen für eine Abtreibung entscheiden würden, sagt sie: "Sie wissen, wie komplex solche Entscheidungen sind. Sie wissen, dass die Frauen dies mit ihrer Familie, ihrem Arzt und ihrem Glauben ausmachen müssen - und nicht mit ihrem Chef oder einem Politiker." Wenn Frauenrechte beschnitten würden, dann werde es auch für das Gemeinwesen insgesamt gefährlich.

In fünf Minuten spricht Clinton all die Punkte an, mit denen die Demokraten bei der Kongresswahl am 4. November punkten wollen. Der "Krieg gegen Frauen", den die Republikaner angeblich den Amerikanerinnen erklärt haben, wird in vielen Radio- und Videospots erwähnt und soll die Wählerinnen wütend machen - und sie motivieren, ihre Stimme der Partei von Barack Obama zu geben. Dessen ehemalige Außenministerin betont auch, dass die Demokraten dafür kämpften, dass Frauen gleichen Lohn für gleiche Arbeit bekommen würden und nicht in Teilzeitstellen gefangen blieben. Doch im Mittelpunkt ihrer Rede stehen Themen wie Abtreibung und die Kosten für Verhütungsmittel.

In Colorado dreht sich fast alles um Frauenrechte

Dass Hillary Clinton innerhalb einer Woche zwei Mal nach Colorado kommt, liegt nicht nur daran, dass der Sitz von Senator Mark Udall für die Demokraten verloren gehen könnte, womit die Mehrheit im Senat kaum noch zu halten wäre (alles über die "Mid-Terms"). Wie kaum ein anderer Kandidat setzt Udall auf die Frauen-Karte. Sein Herausforderer, der junge Republikaner Cory Gardner, hat sich im Repräsentantenhaus für ein personhood-Gesetz eingesetzt: Demnach soll bereits die befruchtete Eizelle zur Person erklärt werden, was jede Abtreibung zur Straftat machen würde (Details hier). Auch im Fall von Vergewaltigung oder Inzest soll es keine Ausnahmen geben.

Als Gardner seine Kandidatur für den Senat bekannt gab, teilte er mit, dass er seine Meinung geändert habe: "Ich verstehe nicht immer alles von allen Themen, wenn ich das erste Mal von ihnen höre. Ich kann das personhood-Gesetz nicht mehr unterstützen." Um sein ultrakonservatives Image aufzuweichen, erklärte er später auch, dass Verhütungsmittel für Frauen in der Apotheke verkauft werden sollen. Die Strategen der Demokraten ignorieren diese Aussagen geflissentlich und veröffentlichen seit August ständig neue Videos, die Gardner als "rückwärtsgewandten Extremisten" darstellen, der keinen Respekt vor Frauen habe.

In Colorado sei das Thema Frauenrechte im Wahlkampf so allgegenwärtig, dass der Demokrat Mark Udall von einigen als "Senator Mark Uterus" bezeichnet würde, berichtet der unabhängige Politik-Berater Floyd Ciruli im Gespräch mit Süddeutsche.de. Es falle auf, dass vor allem prominente Frauen für Udall werben: Michelle Obama hat sich für diesen Donnerstag angekündigt, zuvor war neben Hillary bereits die linke Ikone Elizabeth Warren und Cecile Richards, die Chefin von Planned Parenthood, in Colorado.

Ciruli zweifelt an der Wirksamkeit der Strategie: "In den Umfragen gibt es keine Anzeichen dafür, dass Udall dadurch bessere Werte bekommt. Viele Wähler sind vielmehr verstört, wie lange und intensiv die Demokraten dieses Thema besetzen." Er schätzt, dass jeder zweite Udall-Spot seinen Gegner als Frauenfeind darstelle. Mittlerweile würden sogar Umweltschutz-Gruppen in ihren Clips Gardner für dessen Positionen zu Abtreibung und Verhütungsmitteln kritisieren (Video hier).

Linksliberale Zeitung nennt Ein-Thema-Kampagne "abscheulich"

Bedenklich für die Demokraten ist nach Einschätzung des Experten Circuli, dass viele Medien und Experten von einem "Overkill" und "überhitzter Rhetorik" sprechen. So warf die Denver Post, Colorados wichtigste Zeitung, dem 64-jährigen Udall in einem Leitartikel vor, nur über ein Thema zu sprechen: "Diese abscheuliche Kampagne beleidigt Wähler, die überzeugt werden wollen." Offenbar habe er in sechs Jahren als Senator nicht genug erreicht, das er präsentieren könne. Diese Überzeugung gipfelte in der für eine linksliberale Zeitung überraschenden Empfehlung an die Leser, anstelle von Udall lieber Gardner zu wählen - dieser werde in Washington für frischen Wind sorgen.

Für Gardner ist das Plazet der Denver Post ein Geschenk. Doch gerade Wähler, die keiner Partei angehören, denken ähnlich. Auf die Frage, was sie zurzeit beschäftige, nennen sie andere Themen. "Ich bin unzufrieden mit der wirtschaftlichen Lage. Wir normalen Bürger merken nichts vom angeblichen Aufschwung", meint Don, ein ehemaliger Berufssoldat. Der 56-Jährige lebt mit seiner Frau Janine in Colorado Springs, einer konservativen Gegend. Janine ergänzt: "Obama hat kein Konzept in der Außenpolitik. Die Gefahr durch IS ist nicht gebannt und Amerika wird nicht mehr ernst genommen."

Dass Anhänger der Republikaner für Udalls Kampagne nur Spott übrig haben, ist wenig überraschend. Hannah Lott von den College Republicans in Boulder hofft, nun viele Studentinnen davon überzeugen zu können, dass eine Stimme für die Demokraten nichts bringe. Es sei doch anmaßend, zu denken, dass sich Frauen nicht auch für Themen wie Wirtschaft, Sicherheitspolitik oder Bildung interessieren würden, findet die 23-Jährige.

Aus Sicht der Demokraten ist es für einen Kurswechsel in Colorado längst zu spät - und es wird sich erst am Wahlabend zeigen, ob diese riskante Strategie aufgeht. Die demokratischen Anhänger im großen Saal des Radisson-Hotels in Aurora motivieren die vielen Reden, die um den "Krieg gegen Frauen" kreisen. "Niemand soll uns Frauen vorschreiben, wie wir unser Leben leben und was wir mit unseren Körpern machen soll", sagt etwa die 32-jährige Besucherin Alicia.

Natürlich wird vor dem Auftritt des Stargasts Hillary Clinton viel über deren Chancen geredet, 2016 ins Weiße Haus gewählt zu werden. "Ich bewundere sie unendlich und ihre Erfahrung als Außenministerin kann Amerika gut brauchen", sagt die 69 Jahre alte Diedra, eine weitere Besucherin. Clinton ist und bleibt die große Favoritin und Liebling der Demokraten: In den meisten Umfragen liegt sie bei mehr als 60 Prozent. Für sie ist es naheliegend, über Gleichberechtigung und die Hindernisse für Frauen in der amerikanischen Gesellschaft zu sprechen, denn schließlich möchte sie die erste US-Präsidentin werden.

Hillary Clinton spricht über ihre Mutter - und ihre Enkelin Charlotte

Unabhängig davon, wer Colorado künftig im Senat vertritt: Für eine potenzielle Kandidatin ist es nur sinnvoll, möglichst oft in den wahlentscheidenden swing states aufzutreten. Auf die Stimmen und den Enthusiasmus vieler Wählerinnern kann sich die 66-Jährige verlassen. Und wie schon bei einigen anderen Auftritten erzählte sie dem Publikum in Aurora auch von ihrer Enkelin Charlotte. "Wegen ihr denke ich noch mehr darüber nach, wie die Zukunft sein sollte, damit es ihr gutgeht."

Sie selbst sei dankbar, in Amerika geboren zu sein, doch es mache sie traurig, sich daran zu erinnern, dass ihrer Mutter all die Chancen verwehrt blieben, die sie selbst hatte. Persönliche Anekdoten sind Pflichtstoff in amerikanischen Wahlkämpfen, doch Hillary Clinton stellt ihre Familiengeschichte und die Chancen von Mädchen und Frauen in den größeren Kontext der wachsenden sozialen Ungleichheit in den USA, wenn sie ruft: "Niemand sollte einen Präsidenten als Großvater haben müssen, um eine gute Erziehung und eine gute Krankenversicherung zu bekommen."

Dieses Motiv könnte erfolgreicher sein als die recht einseitige Kampagne von Senator Mark Udall in Colorado.

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