Kampf gegen Seuchen:Woran die Hilfe krankt

Liberia Races To Expand Ebola Treatment Facilities, As U.S. Troops Arrive

Neben der Ebola-Behandung sollte auch die Grundversorgung nicht vergessen werden

(Foto: Getty Images)

Der Ebola-Ausbruch in Westafrika scheint die Weltgemeinschaft zu überfordern. Welche Versäumnisse daran schuld sind und wie Hilfe gelingen kann, erläutert ein Public Health Experte.

Von Berit Uhlmann

Olaf Müller ist Professor am Institut für Public Health der Universität Heidelberg. Sein Fachgebiet ist die Krankheitskontrolle in Entwicklungsländern.

Süddeutsche.de: Derzeit blickt die Welt nach Westafrika, wo Ebola seit Monaten außer Kontrolle ist. Ist es ein Fehler, erst dann zu helfen, wenn eine Epidemie bereits aus dem Ruder läuft?

Olaf Müller: Was Ebola betrifft, müssen wir jetzt dringend an die Nachbarländer denken. Aus Burkina Faso habe ich gehört, dass man sich dort intensiv auf ein mögliches Übergreifen von Ebola vorbereitet. Doch es ist fraglich, ob genügt, was dort gemacht wird. Jede Einrichtung wird derzeit mit einer Schutzausrüstung ausgestattet. Das reicht gerade für einen Patienten.

Und in den von Ebola betroffenen Ländern darf man die Grundversorgung nicht vergessen. Die meisten Menschen sterben derzeit nicht an Ebola, sondern an anderen Erkrankungen, die nicht mehr behandelt werden. In Liberia beispielsweise streikten die Krankenschwestern wochenlang, weil sie nicht bezahlt werden. Dagegen erhalten die Helfer, die für internationale Hilfsorganisationen in der Ebola-Bekämpfung arbeiten, ein ordentliches Gehalt. Das bekommen sie vollkommen zu Recht, doch solche Ungleichheiten sind nicht gut. Es ist daher wichtig, eine funktionierende Basisversorgung aufzubauen.

Brauchte es erst Ebola, um der Welt diese Notwendigkeit vor Augen zu führen?

Nein, diese Erfahrung wurde auch jahrelang in der Aidsbekämpfung gemacht. Es wurden moderne Aids-Stationen und -Kliniken etabliert, doch für die anderen Erkrankungen fehlten dann die Mittel und Kompetenzen. Seither wissen wir eigentlich: Isolierte Hilfe von oben überzustülpen, ist zu kurz gedacht.

Im Falle von Ebola sollen auch Anthropologen helfen, besseres Verständnis für die kulturellen Gepflogenheiten vor Ort zu erreichen. Ist das der richtige Weg?

Was Ebola betrifft, dürfen wir jetzt keine Zeit mit Grundsatzdiskussionen vertrödeln. Es gibt bereits sehr erfahrene Helfer, die mit der Region vertraut sind. Man muss sie nur schnell mit ausreichend Material ausstatten. Doch prinzipiell gilt: Es ist wichtig, sich mit der Kultur der Länder auseinanderzusetzen, in denen man helfen möchte.

Welche Vorstellungen von Krankheit und Gesundheit herrschen in den ärmeren Staaten Afrikas vor?

Das ist sehr unterschiedlich, aber generell kann man sagen, dass die biomedizinische Sichtweise des Westens nicht sehr verbreitet ist. In der Bevölkerung werden oft Dinge wie Fehlverhalten oder Magie für die Entstehung von Krankheiten verantwortlich gemacht.

Und dann suchen die Erkrankten Hilfe beim traditionellen Heiler?

Auch hier gibt es kein einheitliches Bild. Selbst auf ein und dieselbe Krankheit können Menschen ganz unterschiedlich reagieren, wie wir am Beispiel der Malaria in Burkina Faso festgestellt haben. Bei leichteren Formen der Erkrankung suchen die Erkrankten oft Heiler und gleichzeitig auch westlich geprägte Mediziner auf. Doch bei der schweren Form der zerebralen Malaria, bei der es zu Krämpfen kommen kann, ändert sich das Bild. Als Ursache vermuten viele Menschen einen Vogel, der nachts über das Dorf fliegt und ihnen die Krämpfe beschert. In dem Fall wenden sie sich fast ausschließlich an traditionelle Heiler.

Die Betroffenen nehmen also ein und dieselbe Krankheit als unterschiedliche Krankheiten wahr?

Ja, und das ist fatal. Denn auch die zerebrale Malaria ist heilbar, ohne Therapie jedoch lebensbedrohlich.

Wie kann man das Dilemma lösen?

Westliche Mediziner müssen auf die traditionellen Heiler und religiösen Führer zugehen. Sie sind hoch respektierte Persönlichkeiten, die in ihrer Gemeinschaft viel bewirken können.

Sind diese Persönlichkeiten offen für Rat aus dem Westen?

Ich habe sowohl die Menschen als auch die Heiler als sehr offen erlebt - solange man das Gespräch mit ihnen sucht. Es gibt aber westliche Helfer, die diese Kontakte überflüssig finden. Mit dem Ansatz - "Wir retten euch, wir wissen alles" - schafft man jedoch eher Misstrauen.

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