Migrations-Expertin Langenfeld:"Es war zu erwarten, dass mehr Flüchtlinge kommen"

Schon vor zwei Jahren hätte sich Deutschland besser auf die steigende Zahl an Flüchtlingen vorbereiten können, kritisiert die Migrations-Expertin Christine Langenfeld - und erklärt, was Bund, Länder und EU jetzt tun sollten.

Interview von Roland Preuss

Vor dem Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt werfen Migrationsexperten Ländern und Kommunen Versäumnisse bei der Versorgung von Asylbewerbern vor. Schon ab Herbst 2012 hätte man sich besser vorbereiten können, sagte die Vorsitzende des Sachverständigenrats für Integration und Migration, Christine Langenfeld, in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung. "Es war zu erwarten, dass mehr Flüchtlinge kommen." Auch künftig sollten allerdings Länder und Kommunen für die Unterbringung der Flüchtlinge zuständig sein, sagte Langenfeld. "Die Kommunen kennen die Verhältnisse vor Ort am besten." An diesem Donnerstag trifft sich Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) mit den Chefs der Staatskanzleien der Länder in Berlin, um über mögliche Entlastungen durch den Bund bei der Unterbringung von Flüchtlingen zu beraten.

Die Juraprofessorin forderte eine Reform des europäischen Asylsystems. "Eine solidarische Lastenteilung ist absolut notwendig." Das geltende Dublin-System, nach dem in der Regel der erste EU-Staat, in dem der Flüchtling ankommt, für das Asylverfahren zuständig ist, müsse ergänzt werden zugunsten von Staaten, "die wirklich überlastet sind". Langenfeld kritisierte Italien, das tausende Flüchtlinge nicht registriert und in andere EU-Länder wie Deutschland weiterreisen lässt. "Rom bricht das Recht", sagte sie.

Prof. Dr. Christine Langenfeld

Die Juraprofessorin Christine Langenfeld ist Vorsitzende des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration.

(Foto: David Ausserhofer)

Den Vorschlag von Wohlfahrtsorganisationen, die Flüchtlinge sollten selbst aussuchen, in welches EU-Land sie gehen, lehnt Langenfeld ab. "Es würde zu einer Renationalisierung der Flüchtlingspolitik führen, und dies ginge auf Kosten der Asylbewerber." Die Flüchtlinge würden sich auf einige wenige Staaten konzentrieren, wodurch manche Länder in die Versuchung gerieten, die Unterstützung für Flüchtlinge so weit abzusenken, dass diese eben nicht mehr kämen. "Wir wollen diese Abwärtsspirale nicht."

Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration gilt als das renommierteste Expertengremium für Zuwanderung. Er wird von acht großen Deutschen Stiftungen getragen, unter ihnen die Stiftung Mercator und die Volkswagenstiftung.

Das vollständige Interview lesen Sie in der Donnerstagsausgabe der Süddeutschen Zeitung vom 23. Oktober 2014.

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