BVB-Sieg in der Champions League:Ach wär' es doch die Bundesliga

Galatasaray Istanbul - Borussia Dortmund

Endlich wieder Jubel: Adrian Ramos (rechts) und Pierre-Emerick Aubameyang.

(Foto: dpa)

Guter BVB, schlechter BVB: In der Champions League gegen Galatasaray Istanbul entdecken Jürgen Klopps Dortmunder verloren geglaubte Stärken wieder. Das Rätsel um die zwei Gesichter des Teams geht weiter.

Von Felix Meininghaus, Istanbul

Beim Traditionsklub Galatasaray Istanbul wird Wert auf Tradition und Stil gelegt. Man hält was auf sich und die ruhmreiche Vereinsgeschichte, was unter anderem dadurch dokumentiert wird, dass im großzügig eingerichteten Presseraum des Stadions ein Löwe aus Marmor zu bewundern ist, der die Besucher mit grimmigem Blick empfängt. Die Botschaft ist klar: Hier wird es für jeden Gegner furchterregend. So etwas funktioniert jedoch nur, wenn es dann auch eine Mannschaft gibt, die auf dem Rasen Angst und Schrecken verbreitet.

Doch jene schickt der türkische Pokalsieger in dieser Champions-League-Saison nicht in den Wettbewerb. Im Gegenteil: Das Team des italienischen Trainers Cesare Prandelli agiert - um im Bild zu bleiben - harmlos wie ein Schmusekätzchen. Dem 1:4 in London ließen die Türken vor heimischem Publikum ein 0:4 gegen Borussia Dortmund folgen.

Vor allem in der ersten Halbzeit offenbarte das Spiel der Gastgeber im Vergleich zum BVB ein solch erschreckendes Tempodefizit, dass die Deutschen mit spielerischer Leichtigkeit zu drei Toren von Pierre-Emerick Aubameyang (2) und Marco Reus kamen. Der vierte Treffer kurz vor Schluss durch Adrian Ramos zählte nur noch für die Statistik, das einseitige Kräftemessen war längst entschieden.

Dortmund schoss also auswärts vier Tore. Natürlich ist das erst einmal erfreulich, doch was viel schwerer wog, war der Umstand, dass es keinen Gegentreffer gegeben hatte. Nach all den filmreifen Fehlleistungen in der jüngsten Bundesliga-Geschichte ist das durchaus erwähnenswert. "Wir haben vieles gut gemacht und vor allem defensiv stabil gestanden und es durchgezogen", sagte ein sichtlich erleichterter Trainer Jürgen Klopp, dem noch vier Tage zuvor nach der Niederlage in Köln die Ratlosigkeit ins Gesicht geschrieben stand: "Heute haben wir vor allem auf der hintersten Linie angemessener verteidigt."

Klopp hatte einiges dafür getan, um die Sicherheit in der schwächelnden Defensivabteilung zu stärken. So beorderte er mit Sokratis einen Innenverteidiger auf die linke Außenbahn. Das war eine Maßnahme, die schon Joachim Löw bei der WM in Brasilien gewählt hatte, als er mit Benedikt Höwedes ebenfalls einen Mann aus dem Zentrum verschob, um mehr Robustheit zu generieren.

Es klappte genau wie die Volte, mit Kehl und Bender auf zwei zweikampfstarke Abräumer vor der Abwehr zu setzen. "Zu null ist für uns Verteidiger immer ein Highlight", betonte Neven Subotic. Diese an sich profane Erkenntnis gelte derzeit für die Dortmunder ganz besonders, "nach allem, was wir in den letzten Wochen erlebt haben".

Erinnerungen an Anderlecht

Prandelli sprach voller Ehrfurcht davon, man müsse diese Niederlage nicht dramatisieren. Schließlich habe man "gegen einen großen Gegner verloren, der aus dem Land des Weltmeisters kommt". Diese Einschätzung stimmt nicht uneingeschränkt, denn während die Borussia im europäischen Vergleich regelmäßig glänzt, taumelte sie im heimischen Wettbewerb zuletzt von Pleite zu Pleite.

Im Revier darf weiter trefflich gerätselt werden, warum in den beiden relevanten Wettbewerben nicht nur die Ergebnisse, sondern auch die Darbietungen so krass divergieren. In der Champions League wurden bislang neun Punkte aus drei Begegnungen bei einem Torverhältnis von 9:0 verbucht. So etwas bezeichnet man als makellos. In der Bundesliga steht dagegen mit sieben Punkten aus acht Spielen die Bilanz eines Abstiegskandidaten. Drei Mal spielte der BVB in dieser Saison zu null, und zwar jedes Mal, wenn es europäisch zuging. In der Liga gelang das nie.

So richtig weiß keiner zu erklären, warum es die beiden Gesichter der Dortmunder gibt. In Istanbul wurde Klopp gefragt, ob es daran liegen könne, dass die deutsche Konkurrenz die Borussia besser analysiert habe. "Es würde mich ehrlich gesagt überraschen, wenn uns Arsenal, Anderlecht und Galatasaray nicht kennen würden", hat der Trainer geantwortet: "Aber unsere Gegner in der Champions League wollen Fußball spielen. Das macht es einfacher."

Das sieht sein Kapitän ganz ähnlich: "In der Champions League ist es ein anderes Spiel", sagt Mats Hummels, "wir haben hier mehr Räume für unsere Konter."

Nun gilt es also, im nächsten Schritt auch mal wieder einen Gegner zu schlagen, der sich verbarrikadiert und auf Konter lauert. Am Samstag bietet sich die Gelegenheit. "Noch dreimal schlafen, dann steht Hannover da", sagte Klopp: "Wir werden keine Räume mehr hergeben. Das ist der Plan." Und Sportdirektor Michael Zorc ergänzte: "Jetzt einen Abend freuen und dann nachlegen." Gündoğan, Kehl, Subotic, sie alle hatten ähnliche Statements im Repertoire. Der Zuhörer hatte den Eindruck, das ganze Szenario sei eine Wiedervorlage der Sequenzen nach dem Sieg in Anderlecht. Auch da beschworen die Profis die Dringlichkeit, nun auch in der Liga die Trendwende zu schaffen. Das Ergebnis: 0:1 gegen den Tabellenletzten aus Hamburg.

Mats Hummels bekannte, dies sei "die erste Woche in meinem Leben, in der die Wünsche nach einem Sieg in der Bundesliga größer sind als in der Champions League." Würde nur dort auch mal wieder ein Sieg gelingen. In der Nacht von Istanbul wurde mehr als deutlich, dass sich der BVB in einer Situation befindet, in der nur noch Ergebnisse zählen. Bevor Jürgen Klopp das Stadion verließ, formulierte er das neue Anspruchsdenken so: "Wir müssen bereit sein für dreckige Siege."

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