Steuerfall:Schweiz hilft deutschen Ermittlern mit Razzia

Offices Of Bank Sarasin And Cie. AG

Eines der ältesten Schweizer Geldhäuser, die J. Safra Sarasin AG, steht im Fokus der Ermittler.

(Foto: Bloomberg)
  • Erstmals hilft die Schweiz deutschen Ermittlern in einem großen Steuerfall und führt eine Razzia bei Bankern durch.
  • Geldhäuser und Fonds sollen im großen Stil mit dubiosen Aktiendeals den deutschen Fiskus geschröpft haben.
  • Betroffen ist vor allem eines der ältesten Schweizer Geldhäuser, die J. Safra Sarasin AG aus Basel.

Von Thomas Knellwolf und Klaus Ott

Der Durchsuchungsbeschluss, den am Donnerstagmorgen zahlreiche Banker und Juristen in Basel, Zürich und anderswo präsentiert bekamen, enthielt einen sehr ungewöhnlichen Hinweis. Die Verdächtigen konnten dort nachlesen, dass in Deutschland gegen sie ermittelt und im Wege der Rechtshilfe nunmehr auch in der Schweiz nach Beweisen gefahndet werde.

Vor wenigen Wochen war eine Kölner Staatsanwältin da gewesen, um die Aktion vorzubereiten. Die eidgenössischen Behörden waren mit dem Zugriff einverstanden und leisteten tatsächlich die erbetene Amtshilfe. Einige der Beschuldigten dürften ziemlich erstaunt gewesen sein. Eine Razzia bei Bankern in der Schweiz wegen eines deutschen Steuerfalls, das hat es bislang so nicht gegeben. "Das ist ein Novum", sagt ein Steuerfahnder aus der Bundesrepublik.

Deutscher Fiskus soll um viel Geld betrogen worden sein

Dieses Novum trifft vor allem eines der ältesten Schweizer Geldhäuser, die J. Safra Sarasin AG, die früher einfach nur Sarasin hieß und im "Haus zum Eichbaum" in Basel ansässig war. Die Eigenschaften dieses Baumes sollten die "unverwechselbaren Eigenschaften" des 1841 gegründeten Instituts sein: feste Wurzeln, kräftiger Stamm, gesundes Wachstum. Ob die internationale Expansion der Bank aus Basel tatsächlich nachhaltig war, das bezweifelt die Kölner Staatsanwaltschaft.

Die Strafverfolger ermitteln wegen fragwürdiger Börsengeschäfte, bei denen der deutsche Fiskus um viel Geld betrogen worden sein soll. Banken und Fonds hätten sich, so lautet der Verdacht, beim Handel von Aktien mit (Cum) und ohne (Ex) Dividende eine nur einmal gezahlte Kapitalertragsteuer mehrmals von den Finanzbehörden erstatten lassen. Der Gesamtschaden für Deutschlands Steuerzahler soll mehr als zehn Milliarden Euro betragen.

Bei den Kölner Ermittlungen geht es um mehr als 460 Millionen Euro. Eine mutmaßliche Tätergruppe von mehr als 30 Bankern, Börsenhändlern und Fondsbetreibern soll diesen Betrag vom Fiskus ergaunert haben, oder dies zumindest versucht haben. Viele Spuren führen in die Schweiz, wo die dortigen Behörden jetzt in sieben Kantonen und Halbkantonen zuschlugen: Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Zürich, Zug, Graubünden, St. Gallen und Schwyz. Mehr als 20 Büros und Wohnungen wurden von örtlichen Staatsanwälten und Polizisten gefilzt. Betroffen war auch J. Safra Sarasin in Basel und Zürich.

Vor wenigen Jahren noch, als deutsche Staatsanwälte massenhaft Schwarzgeldkonten in der Schweiz enttarnten, war solch eine Kooperation undenkbar. Im Gegenteil. Drei Steuerfahnder aus Nordrhein-Westfalen wären, anders als jetzt die Staatsanwältin aus Köln, im Falle einer Einreise nicht willkommen gewesen - sondern im Gefängnis gelandet.

Steuerfahnder versus Bankgeheimnis

Die eidgenössischen Behörden hatten Haftbefehl wegen Verstoßes gegen das Bankgeheimnis und wegen "Beihilfe zur nachrichtlichen Wirtschaftsspionage" erlassen. Die Schweiz warf den drei NRW-Fahndern vor, am Kauf einer CD mit Daten der Credit Suisse beteiligt gewesen zu sein. Der kleinen silbernen Scheibe konnten deutsche Finanzbeamte die Namen und Kontostände von gut 1100 Landsleuten entnehmen, die bei der Züricher Großbank Geld vor dem Fiskus versteckt hatten.

Solche CDs wurden fleißig gehandelt und in der Bundesrepublik gerne gekauft, um Steuerhinterzieher mit Konten bei der Credit Suisse, bei der UBS, bei Julius Bär und anderen bekannten Geldhäusern in der Schweiz zu enttarnen.

Finanzminister Steinbrück hatte mit der "Kavallerie" gedroht

Viele Politiker im Nachbarland empfanden das als Hehlerei, als üble Geschäftemacherei mit kriminellen Bankern, die gestohlene Daten verkauften und so ihre Heimat verrieten. Das Bankgeheimnis gehörte zur Schweiz wie das Matterhorn. Wer dieses Geheimnis missachtete, der war der Übeltäter. Die Berner Justiz wollte der drei Steuerfahnder aus NRW, um sie einsperren zu können, sogar per Rechtshilfeersuchen an die deutschen Behörden habhaft werden.

Was deutsche Politiker empörte, vor allem Sozialdemokraten und Grüne. "Ungeheuerlich, skandalös, an Dreistigkeit kaum zu überbieten", lauteten die Reaktionen. Die früher gutnachbarschaftlichen Beziehungen waren auch deshalb so belastet, weil Peer Steinbrück zu seiner Zeit als Finanzminister der Schweiz mit der "Peitsche" und der "Kavallerie" gedroht hatte, falls die deutschen Steuerhinterzieher dort weiterhin geschützt würden.

In Bern kam das, gerade mal ein Menschenalter nachdem Deutschland in viele Staaten einmarschiert war, gar nicht gut an. Ein eidgenössischer Minister soll aus Protest sogar seinen Mercedes gegen einen Renault getauscht haben. Inzwischen haben sich die Gemüter beruhigt. Deutsche Politiker haben rhetorisch abgerüstet. Und Schweizer Banker haben eingesehen, dass Schwarzgeldkonten kein Geschäft mit Zukunft sind. Der internationale Druck auf sogenannte Steueroasen ist einfach zu groß geworden.

Die Credit Suisse, die UBS und Julius Bär haben wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung insgesamt etwa eine halbe Milliarde Euro Geldbußen in der Bundesrepublik gezahlt. Die drei Großbanken werfen inzwischen sogar deutsche Kunden hinaus, die ihr Schwarzgeld dem Fiskus nicht offenlegen.

Geflecht quer durch Europa

Urs Rohner, Verwaltungsratschef der Credit Suisse, hat längst die "Weißgeldstrategie" als neues Geschäftsmodell verkündet. Die Zürcher Finanzbranche bemüht sich um ein neues Image. Da kommen die neuen Ermittlungen rund um J. Safra Sarasin sehr ungelegen.

Die Bank aus Basel hat vermögenden Kunden jahrelang empfohlen, in spezielle Fonds mit Namen Sheridan zu investieren. Dabei soll die Eichen-Bank aber verschwiegen haben, wo der Profit herkomme. Vom deutschen Fiskus, der bei schwer durchschaubaren Aktiendeals gezielt ausgetrickst worden sei und deshalb mehr Steuer erstattet habe, als er eingenommen habe. Dem Staat wäre also, anders als bei der klassischen Steuerhinterziehung, nicht Geld vorenthalten worden, das ihm zustünde. Sondern Geld entwendet worden, das er schon gehabt hätte.

Schweizer Behörden brauchten lange für ihre Razzia

Die Kölner Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Steuerhinterziehung und Betrugs. Zwei prominente Sarasin-Kunden, die sich von der Bank arglistig getäuscht sehen, haben in Köln Anzeige erstattet: Investor Carsten Maschmeyer, der mit einem umstrittenen Finanzvertrieb reich wurde und schon früh mit der Basler Bank zu tun hatte. Und Erwin Müller, Besitzer eines Drogerie-Imperiums.

In ihren Strafanzeigen wird ein internationales Geflecht geschildert, das quer durch Europa führe. Auf dieses Netzwerk und den eigentlichen Zweck der Fonds sei man erst nachträglich gestoßen. Die Behörden haben auch viele eigene Erkenntnisse, vor allem im Bundeszentralamt für Steuern in Bonn.

Bei der Schweizer Amtshilfe gibt es nur ein Manko. Die eidgenössischen Behörden haben lange gebraucht für ihre Razzia. In Deutschland und in vielen anderen Staaten waren verdächtige Firmen bereits vor zehn Tagen durchsucht worden. Darunter eine Filiale von Sarasin in Frankfurt. Die sechstgrößte Bank in der Schweiz, die in fünfter Generation mit der Basler Patrizierfamilie Sarasin verbunden ist, steht unter Druck. Eric Sarasin, einer der Chefs, hat schon früh schlaflose Nächte gehabt, wie er mal in einer E-Mail schrieb.

Zu der Durchsuchung äußert sich J. Safra Sarasin nicht. "Es ist unsere gängige Praxis, ein laufendes Verfahren nicht öffentlich zu kommentieren." In der Bank geht man aber davon aus, dass dies alles ein gutes Ende nimmt. Sarasin hat die Vorwürfe schon wiederholt zurückgewiesen.

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