Schottdorf-Affäre:Weitere Labormediziner unter Verdacht

Der Fall Schottdorf ist kein Einzelfall: Die bayerische Justiz ermittelt gegen etwa ein Dutzend Labormediziner. Sie sollen mit niedergelassenen Ärzten illegale Abrechnungsgeschäfte vereinbart haben. Im Landtag spricht man von einem "Sumpf".

Von Mike Szymanski

Der mutmaßliche Betrug mit falsch abgerechneten Laborleistungen geht offenbar weit über den Fall des Augsburger Unternehmers Bernd Schottdorf hinaus. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung ermittelt die bayerische Justiz aktuell gegen etwa ein Dutzend andere Labormediziner, die ihrerseits nicht zulässige Geschäfte mit Hunderten Ärzten gemacht haben sollen. Dies geht aus einer Antwort der Staatsregierung an den Grünen-Abgeordneten Sepp Dürr hervor. Konkret ist von drei Verfahren die Rede, in denen es auch schon zu umfangreichen Durchsuchungsaktionen gekommen sei oder diese womöglich noch anstünden.

Eines dieser Verfahren richtet sich gegen elf Mediziner - überwiegend Laborärzte -, die sich zwischen 2007 und April 2013 in etlichen Fällen des Abrechnungsbetruges schuldig gemacht haben sollen. Die Ermittler gehen von bis zu 1300 Ärzten als Geschäftspartner aus. Diese Mediziner sollen Blutproben ins Labor geschickt haben, sie aber bei den Patienten abgerechnet haben, als hätten sie diese Leistungen selbst erbracht. Während die Labore den Ärzten Rabatte gewährten, machten die Mediziner geltend, was die Gebührenordnung hergab. Die Laborunternehmer sicherten sich auf diese Weise Kunden und die Ärzte besserten ihre Kasse auf.

Bislang nur Schottdorf im Fokus

Bislang konzentrierte sich die Diskussion darüber auf den Labormediziner Schottdorf, der wegen seiner Geschäftspraktiken bereits mehrfach in Augsburg vor Gericht stand und sich demnächst wieder dort verantworten muss. Die bayerische Justiz sieht sich zudem dem Vorwurf ausgesetzt, womöglich Tausende Mediziner in der Vergangenheit geschont zu haben, weil sie in dem Vorgehen keinen Betrug erkennen konnte. Rechtlich war dies tatsächlich umstritten, 2012 wertete der Bundesgerichtshof diese Praxis aber endgültig als Betrug. In Bayern waren zuvor schon etliche Verfahren verjährt oder gegen Mediziner eingestellt worden, ohne den Ausgang des BGH-Verfahrens abzuwarten.

Im Landtag geht ein Untersuchungsausschuss mittlerweile der Frage nach, ob die Justiz schwerwiegende Fehler gemacht hat. Die Aufklärungsarbeit steht noch am Anfang. Der Abgeordnete Dürr erklärte, die neuen Ermittlungen zeigten, dass es sich um einen "Sumpf" handle. Erst auf seine Anfrage hin hatten sich Justiz und Innenministerium in Bayern an die Arbeit gemacht, zu einem "möglichst aussagekräftigen Bild" beim Abrechnungsbetrug durch Ärzte zu kommen. Statistiken wurden ausgewertet, Sachbearbeiter gefragt. Nun lässt sich zumindest ein Eindruck vom Ausmaß gewinnen. "Das System Schottdorf scheint nur die Spitze des Eisbergs zu sein. Die Selbstverwaltung der Ärzteschaft ist keine Lizenz zum Kassemachen", sagt Franz Schindler (SPD), der Vorsitzende des Rechtsausschusses im Landtag.

720 Ermittlungsverfahren gegen Ärzte seit 2009

Seit Januar 2009 seien bei den Staatsanwaltschaften etwa 720 Ermittlungsverfahren gegen Ärzte wegen des Verdachts des Abrechnungsbetruges geführt worden, teilt das Justizministerium nun mit. Dabei ging es aber nicht nur um falsch abgerechnete Laboruntersuchungen. Allein im vergangenen Jahr ist nach Auskunft der bayerischen Behörden durch Betrug im Gesundheitswesen ein Schaden von mehr als 6,7 Millionen Euro entstanden. Hierbei gehe es oftmals um nicht erbrachte Leistungen - sogenannte Luftrechnungen. Aber auch mehrmaliges Abkassieren für dieselbe Arbeit kam vor.

In der Labormedizin scheinen vor allem unbegründete Leistungen ein Problem zu sein. Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) weist in einer Stellungnahme für das Gesundheitsministerium auf ein "ungezügeltes Mengenwachstum" bei Laborleistungen hin, das man entschieden bekämpfe. Die Politik hat jetzt ihrerseits weitere Schritte unternommen, betrügerischen Ärzten das Handwerk zu legen.

Justizminister Winfried Bausback (CSU) hat Anfang Oktober Schwerpunktstaatsanwaltschaften in München, Nürnberg und Hof eingerichtet. Um Abrechnungsbetrug aufzudecken sei in "besonderem Maße spezifisches Fachwissen und Erfahrung von Nöten", erklärte ein Ministeriumssprecher. In Berlin will Bausback erreichen, dass korrupte Ärzte in Zukunft besser bestraft werden können. Für freiberufliche Ärzte ist das bisher nicht vorgesehen, sie müssen nicht fürchten, wegen Bestechlichkeit belangt zu werden.

Nach Ansicht Bausbacks bleibt Korruption im Gesundheitswesen "in erheblichem Umfang straflos". Die Kassenärztliche Vereinigung begrüßt den Einsatz. Bereits vor Jahren habe man Schwerpunktstaatsanwaltschaften gefordert. Die Idee sei aber am Personalmangel gescheitert, erklärte man dort. Im zersplitterten Gesundheitswesen sei es immer schwieriger, den Überblick zu behalten. Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) dagegen versucht, sich aus der Diskussion herauszuhalten. Sie gibt an, weder für eine Bewertung der Zahlen der Strafverfolger noch für die Kontrolle in der Ärzteschaft zuständig zu sein.

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