Schauspieler Johannes Hallervorden:Im Namen des Vaters

Schauspieler Johannes Hallervorden: "Richtig versteht man ein Stück doch erst, wenn man es neun, zehn Mal gesehen hat, oder?" Johannes Hallervorden auf der Bühne.

"Richtig versteht man ein Stück doch erst, wenn man es neun, zehn Mal gesehen hat, oder?" Johannes Hallervorden auf der Bühne.

(Foto: Regina Schmeken)

Johannes Hallervorden ist 16 Jahre alt, der Sohn von Komiker Dieter Hallervorden, und schreibt politisch-satirische Theaterstücke. Zum Mädchenschwarm hat ihn aber das Fernsehen gemacht. Ein Treffen.

Von Claudia Fromme

Natürlich wird nicht über den Vater geredet, jeder hat sein eigenes Leben. Klar, klar. Zwei Paar Schuhe, schon verstanden. Total unterschiedliche Biografien, ganz anderer Typ.

Aber dann setzt er dieses Gesicht auf, unverhofft, in einer Pause, nach einem stundenlangen Dreh in einer Schule in Berlin-Kreuzberg. Johannes Hallervorden macht sein Gesicht lang, zieht die Augenbrauen hoch, reckt das Kinn nach vorn. Wie nennt man den Blick? Spöttisch ist er nicht, verdutzt oder ungläubig auch nicht. Irgendwo dazwischen. Es gibt kein richtiges Wort dafür, das beste wäre wohl: hallervordisch.

Johannes Hallervorden, 16, ist also der Sohn von Dieter Hallervorden, 79, dem Schauspieler und Fernsehkomiker und Kabarettisten, der das lange Gesicht zum Markenzeichen gemacht hat. Der Sohn ähnelt dem Vater unfassbar, in der Mimik, der Sprachmelodie, dem Berlinerischen mit den französisch eingefärbten Pausen, die auch auf den Effekt des Gesagten ausgerichtet sind, was zeigt, dass Johannes Hallervorden zwar noch zur Schule geht, das Geschäft aber schon sehr gut kennt.

Verzückte ältere Damen

Im Frühjahr saß er zum Beispiel bei Carmen Nebel auf der Showcouch und wurde von der Volksmusikmoderatorin befragt. Zur Schule und zu Vater Dieter, der direkt neben ihm saß, und man sah, dass dieser sehr stolz war auf seinen Sohn. Johannes also durfte über die Schrullen seines Vaters reden. Dass der Bier nur mit Schaum mag. Lacher im Studio. Und Champagner, wenn er umsonst ist. Brüller im Studio. Carmen Nebel schaute verzückt und sagte "super, toll", was ungefähr so klang wie "fein gemacht". Johannes Hallervorden lächelte höflich, ein paar Gags abgefeuert, Erwartungen erfüllt. Die älteren Damen im Publikum klatschten beglückt.

Johannes Hallervorden steht mit seinem Vater auf der Bühne in dessen Schlossparktheater, seit er 13 ist. In Hallervordens Kabarett "Die Wühlmäuse" im Berliner Westend hat er als Kleinkind in den roten Plüschreihen Fangen gespielt, er sieht jede Aufführung, mindestens einmal. "Richtig versteht man ein Stück doch erst, wenn man es neun-, zehnmal gesehen hat, oder?" Der Satz ist erstaunlich für einen 16-Jährigen, wie auch seine Kommentare auf seiner Facebook-Seite zur Weltpolitik, zur Pressefreiheit, zum Leben an sich.

Zum Mädchenschwarm macht einen das nicht, dafür ist dann doch das Fernsehen zuständig. Dort lief vor einem Jahr Binny und der Geist als Testballon, der so viel Beachtung fand, dass aus dem Piloten zu der Spukkomödie für Jugendliche eine Serie mit 13 Episoden geworden ist. Am Sonntag startet sie im Disney Channel. Für den deutschen Ableger des US-Kindersenders, der seit Januar im freien Fernsehen läuft, ist es die erste große Eigenproduktion, gedreht von der Ufa. Zu sehen sein wird sie in Europa, im Nahen Osten und in Afrika.

Die Geschichte wird Teenie-Herzen rühren. Johannes Hallervorden spielt Melchior, der seit 100 Jahren tot ist und als adrett angezogener Geist in einem Herrenhaus am Wannsee spukt. Das 13-jährige Großstadtmädchen Binny (Merle Juschka) zieht mit seinen Eltern dort ein, zwei Welten begegnen sich - und alsbald lösen Binny und Melchior gemeinsam als Detektive Fälle und überführen Gauner. Hier das Netzmädchen ("Die einzig unsichtbare Kraft, an die ich glaube, ist Wlan"), dort der rührend hüftsteife Geist ("Du warst ein sehr exzellenziöser Schüler") mit Gehrock und Taschenuhr. Ein bisschen Fantasy, ein bisschen Komödie, ein bisschen Liebe, ein bisschen jugendliches Heldentum - beste Zutaten also für Gesprächsstoff auf dem Pausenhof.

Klappe. Die Szene im Schullädchen ist im Kasten, Johannes Hallervorden setzt sich auf einen Holzstuhl. Der Kindercoach klopft ihm auf die Schulter, reicht ihm ein Wasser. Es ist ganz normal und vom Gesetz vorgeschrieben, dass er da ist, sind doch fast alle Darsteller am Set minderjährig. Trotzdem wirkt es befremdlich, vielleicht auch, weil Johannes Hallervorden schon so erwachsen erscheint. Wenn er vom Schlossparktheater oder von den Wühlmäusen spricht, redet er von "wir". Etwa: "Da waren wir ausgebucht." Oder: "Da gehen wir in die zweite Spielzeit." Mit seinem Vater hat er ein Statement auf Facebook gepostet, in dem sie ein Ende der Siedlungspolitik Israels in den besetzten Palästinensergebieten fordern. Auf Twitter schreibt einer: "Ist das ein Witz?" Johannes Hallervorden sagt, dass er es gar nicht leiden kann, wenn Menschen ihm zu verstehen geben: Spiel lieber mit deinen Kuscheltieren, als dich politisch zu äußern. "Können junge Menschen etwa keine politische Meinung haben?"

Nicht nur "der Sohn von Didi"

Manche Kinder prominenter Eltern drehen durch, tragen lustige Hüte oder führen schrille Freundinnen spazieren, werden trunken aufgelesen und von Anverwandten irgendwo in irgendwelchen Nebenrollen untergebracht. Johannes Hallervorden wirkt da sehr abgeklärt und sagt, dass er erst einmal sehen will, was das Leben so bringt. Als Kind war er schon bei Galas, mit Pullunder und Krawatte, und wenn er jetzt einen etwas altklugen Geist spielt, ist das vom echten Leben des Darstellers gar nicht so weit entfernt.

Seine Hauptrolle in der TV-Serie habe nichts mit seinem Vater zu tun, mit etwaiger Protektion, er sei eben in diesen Karteien junger Schauspieler, darum zum Casting eingeladen gewesen - und genommen worden. Entschieden habe er alles allein, aus dem Bauch heraus. Sein eigenes Ding, es gibt wohl nichts, was weiter von Dieter Hallervorden entfernt ist als eine Teenie-Serie. Johannes Hallervorden sagt: "Man muss als Schauspieler aufpassen, dass man nicht als Kopie eines Anderen auftritt." Er habe nichts dagegen, "der Sohn von Didi" zu sein, das sei er nun einmal, aber schlussendlich sei er auch ein Mensch für sich. Dafür, dass er nicht über seinen Vater reden will, redet Johannes Hallervorden doch ziemlich viel über seinen Vater.

Drei Jahre lang war Johannes Hallervorden an einer Berliner Kinder- und Jugendschauspielschule, stand mit 13 Jahren erstmals als Pirat vor der Kamera für die ZDF-Kinderreihe Terra Max, schreibt politisch-satirische Theaterstücke und will später das Schlossparktheater übernehmen. Die Jugendserie Binny rückt ihn wieder an sein tatsächliches Alter heran. Ein Segen, möchte man fast sagen.

Er ist kein Strebertyp, sondern einfach erstaunlich bis unheimlich klar für sein Alter. Fragt man ihn etwas, fragt er meist zurück. Mit dem Traum vom großen Theater hat Binny wenig zu tun, oder? Johannes Hallervorden ist zu höflich, um die Frage als Affront zu nehmen. Der Dreh habe ihm unglaublich Spaß gemacht, sagt er. Vielleicht mache er nun mehr Theater oder wieder Fernsehen, sicher aber erst: das Abitur. "Es ist doch ein Privileg, sich in meinem Alter noch nicht festlegen zu müssen, oder?"

Derzeit ist Johannes Hallervorden in der 11. Klasse, er belegt Leistungskurse in Politik und Französisch, was dann doch wieder viel mit seinem Vater zu tun hat. Der hat sich vor bald 30 Jahren eine Insel mit einem neugotischen Schloss vor der bretonischen Küste gekauft. Johannes ist in Frankreich geboren, dort zur Schule gegangen und erst vor fünf Jahren fest nach Deutschland gekommen. Er ist der Sohn Hallervordens aus dessen zweiter Ehe mit Elena Blume, hat zwei Halbgeschwister, Schauspieler ist aber nur Johannes geworden.

Dreh in Kreuzberg

Politik, sagt er, sei zu Hause immer ein Thema gewesen. Vor allem wohl auch, weil sein Vater eben nicht nur der Mann mit dem "Palim, Palim" und der Flasche Pommes ist, sondern vor allem ein politischer Mensch, der aus der DDR wegen der eingeschränkten Meinungsfreiheit 1958 nach West-Berlin floh. Die Geschichte, dass er mit anderen Regimekritikern ein Attentat auf SED-Parteichef Walter Ulbricht plante, eine Freundin ihn aber davon abhielt, habe er oft am Küchentisch gehört.

In der Bar bei den Wühlmäusen hängt ein Foto vom Brandenburger Tor, davor das Schild "Achtung, Sie verlassen jetzt West-Berlin", auf das jemand gesprüht hat: "Wie denn?" Johannes Hallervorden sagt, dass dieses Bild doch alles sage über die deutsch-deutsche Geschichte.

Zum Dreh in der Kreuzberger Schule ist eine Familie aus Dessau gekommen, den Setbesuch haben sie bei einem Preisausschreiben gewonnen, irgendwas mit Frischkäse, sagt die ältere Dame, die ihren Mann und ihre zwei Enkel mitgebracht hat. Eine Überraschung für die Mädchen sollte es sein, mal beim Fernsehdreh zuzugucken, dort sind es dann aber vor allem die Augen der Großeltern, die leuchten. Sie unterhalten sich mit Johannes Hallervorden über die Kulturlandschaft im Osten, die Theater, die kaputtgespart werden. Ob er vielleicht mit einer Leinentasche, die für den Erhalt des Theaters Dessau wirbt, posieren würde? Sein Vater komme doch gebürtig aus Dessau. Johannes Hallervorden lacht höflich, klar, können wir später machen.

Dann bauen sich alle zum Gruppenbild vor der Schule auf. Die Enkelinnen mit den Zahnspangen, die sich für Dessau und Didi so überhaupt nicht interessieren, stellen sich ganz dicht neben Johannes Hallervorden und blicken versonnen.

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