Doping:Selbstgewisser Sport, reglose Politik

Doping

Doping ist in Deutschland abgeschafft. Oder?

(Foto: Patrick Seeger/dpa)

Lieber Olympia-Bewerbungen als echte Aufklärungsarbeit: Die deutsche Politik zeigt sich in Doping-Fragen reglos. Dabei müsste gerade sie handeln - zum Beispiel im Fall der Universität Freiburg.

Kommentar von Thomas Kistner

Sie haben in dieser Woche 28 Tore erzielt, die sechs deutschen Klubs in Europas Fußball-Bewerben, klar, und alle haben gesiegt. Fußball brummt, die Fans strömen, ihr "Geld schießt Tore" - das ist die überwölbende Erkenntnis.

Allzeit begehrlich auf das Füllhorn der Kicker schaut der restliche Sport. Das ist der große Teil, der mehr oder weniger von Fördergeldern leben muss und deshalb eng an die Politik gebunden ist. Hierzulande ist diese Liaison besonders ambivalent. Einerseits ist da der stete Kampf ums Geld, andererseits ein enormes gemeinsames Interesse: das an nationalen Topleistern.

Sommerspiele? Winterspiele? Egal, Hauptsache Wirbel

Was in der Vergangenheit in Ost und West in klebriges Gemauschel gemündet ist. Weil heute, legt man die limitierten Tests im Sport zugrunde, Doping in Deutschland ausgerottet ist, andererseits aber in Studien bis zu 40 Prozent Kaderathleten Dopingwissen oder -praktiken einräumen, darf sich der Betrachter aussuchen, welches Szenario er für die Realität hinter der Muskelmesse hält.

Nun kämpft der Deutsche Olympische Sportbund wieder um Geld auf allen Ebenen. Weshalb Anfang der Woche mal rasch ein olympischer Sport ausradiert wurde. Curling fällt aus der Förderung, kein Cent fließt mehr, die Angestellten sind schon gekündigt. Und tschüss. Im Wildwest-Stil setzt der Sport die Politik unter Druck: Geld oder Opfer. Aber natürlich nur solche, die keine Lobby haben.

Die Selbstgewissheit passt zu einem Vorstoß auf anderer Ebene. Olympia- Bewerbungen sind ja zum Fetisch der DOSB-Oberen geworden; sie sind wie ein neuer Sport. Einer, der Millionen freisetzt und das Geschäft der Funktionäre in die Mitte der Gesellschaft rückt, obwohl die eigentlich recht Olympia-müde ist. Nun langt die Begierde an der Schmerzgrenze an.

Flammen in Freiburg

Kaum wurde der für Dezember geplante Entscheid, ob Berlin oder Hamburg ins Rennen um Sommerspiele 2024 ziehen soll, ins kommende Jahr verschoben, kassieren die Kandidaten den nächsten Dämpfer: Ginge 2024 schief, könne man ja wieder um Winterspiele 2026 werben, findet DOSB-Chef Alfons Hörmann. Dabei sein ist alles, ungeachtet der sportpolitischen Realität.

Die sieht so aus, dass es 2024 so gut wie sicher eine Fußball-EM in Deutschland gibt. Mit 24 Teams. Verfluchte Kicker! Das manische Gezerre an allen Ringen ist nicht ermutigend für diejenigen, die einsteigen und das Geld auftreiben sollen. Aber erhellend. Der Sport macht sein Ding, und die Politik oft genug mit.

In der Nussschale zeigt das die Affäre um die Uni Freiburg, die nun aufflammt. Sie macht Baden-Württemberg zum wissenschaftspolitischen Intrigantenstadl, sofern Fachministerin Theresia Bauer nicht die Rettung offenbar brisanter Materialien ermöglicht, die die Prüfkommission zur Dopingvergangenheit im Breisgau gesammelt hat - gegen massive Widerstände der Uni.

Es tobt offener Streit. Nachdem der Uni-Rektor jede Behinderung der Arbeit bestritt und vortrug, er habe aus der Kommission keine Klagen gehört, kontern die Chefin und einer ihrer Dopingforscher in offenen Briefen: Ihre Arbeit werde gezielt torpediert. Weil es daran eingedenk der bisherigen Vorgänge wenig Zweifel gibt, muss die Ministerin ran. Es geht um Doping, die Rolle der Politik und Plagiate: Muss die Kommission ihre Arbeit da nicht beenden dürfen?

Wenn die Uni selbst diesen für sie heiklen Prozess diktiert, wenn die Gefahr besteht, dass heikle Daten vernichtet werden, macht sich das Ministerium angreifbar. Die Öffentlichkeit wird ja schon seit 2007 hingehalten. Sie wartet gern etwas länger, wenn es um die Wahrheit geht.

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