Real-Sieg gegen Barcelona:Madrider Gemälde-Fußball

Karim Benzema, Real Madrid, FC Barcelona

"Neuner" des Abends: Reals Angreifer Karim Benzema

(Foto: AFP)

Die große Bühne war bereitet für Luis Suárez. Doch der Stürmer des FC Barcelona muss bei seinem Einstand im Clasico gegen Real Madrid zusehen, wie ein anderer Neuner brilliert. Reals Beständigkeit beim 3:1-Erfolg nimmt beängstigende Züge an.

Von Javier Cáceres

Es war alles bereitet, um den 229. Clásico des spanischen Fußballs zum Abend des Uruguayers Luis Suárez werden zu lassen, denn es gibt keine größere Bühne als dieses ewige Duell zwischen Real Madrid und dem FC Barcelona. Seit dem 24. Juni hatte Suárez nicht mehr an einem Pflichtspiel teilnehmen dürfen. Nachdem er bei der WM den Italiener Giorgio Chiellini in die Schulter gebissen hatte, hatte er vom Weltverband Fifa eine viermonatige Sperre aufgebrummt bekommen. Die endete just am Samstag - und das ermöglichte Suarez das Debüt für den FC Barcelona, der ihn trotz des Skandals in Brasilien für 80 Millionen Euro vom FC Liverpool erworben hatte.

Doch die Show stahl ihm der andere "Neuner" auf dem Rasen: Real-Stürmer Karim Benzema, der oft als phlegmatisch bezeichnete Franzose, krönte mit seinem Tor zum 3:1 (61.) eine formidable Leistung. Der Sieg ließ den Rückstand der Madrilenen auf den zuvor ungeschlagenem Spitzenreiter Barcelona bis auf einen Punkt schmelzen.

Erst eine Stunde vor Beginn der Partie war bestätigt worden, dass Gästetrainer Luis Enrique dem Rat eines seiner berühmten Vorgänger gefolgt war: "Warum sollte Suárez nicht spielen? Wenn er keinen Schnupfen hat...", hatte Johan Cruyff vor dem Spiel gesagt und daran erinnert, dass er selbst in den Siebzigern auch mal fünf Monate aussetzen musste, ehe er für Barcelona sein erstes Spiel bestreiten durfte. Ajax Amsterdam hatte ihm damals die Freigabe nicht erteilen wollen.

Suárez also debütierte tatsächlich im Clasico - und fügte sich sofort gut ein: Er entlarvte nach drei Spielminuten mit einem formidablen 40-Meter-Querpass, einem Flügelwechsel parallel zum Strafraum, eine große Lücke in der Real-Abwehr. Sein neuer brasilianischer Sturmpartner Neymar musste nicht mal mit den Hüften wackeln, um die desorientierten Madrid-Verteidiger Carvajal und Pepe auszutanzen. Dann setzte er den Ball zum 1:0 neben den rechten Pfosten.

Doch überraschender Weise diente dieses frühe Tor nicht dazu, dass Barcelona nun die Hausherren durch geduldiges Kombinationsspiel vor sich hergetrieben hätten, im Gegenteil.

"Wenn du Gnade walten lässt, musst du büßen"

Das lag auch daran, dass Real Madrid zu keinem Zeitpunkt Zweifel an seinem Konzept erkennen ließ, während Barcelonas Spiel in seiner Trägheit eher den lauen Temperaturen (28 Grad) Rechnung zu tragen schien. "Wir haben den Kopf auch nach dem Gegentreffer nicht verloren", sagte Real-Trainer Carlo Ancelotti nach der Partie.

Einer ersten kurzen Periode des Madrider Sturms und Drangs, in der Benzema (11.) einen Kopfball mit einschüchternder Gewalt an die Latte setzte, folgten zwar noch zwei Barça-Großchancen: Lionel Messi (23.) und Neymar (28.) scheiterten jeweils aus fünf Metern an Real Madrids Torwart Iker Casillas. Doch in der 35. Minute leistete sich der bis dahin solide Gäste-Innenverteidiger Gerard Piqué einen slapstick-reifen Ausrutscher im Strafraum. Er fiel mit der Hand auf den Ball, und den völlig berechtigten Elfmeter verwandelte Cristiano Ronaldo mit seinem 16. Saisontreffer zum 1:1.

Bravos Serie reißt, Kroos gibt eine Torvorlage

Der Portugiese beendete die Serie des Barça-Torwarts Claudio Bravo: Der Chilene, der in der Liga bisher den Vorzug vor dem deutschen Zugang Marc-Andre ter Stegen erhält, war bis dahin seit Saisonbeginn 754 Minuten ohne Gegentor geblieben. Ähnlich machtlos war Bravo dann auch bei den anderen beiden Treffern der Madrilenen, die nach der Pause ungleich aggressiver agierten und ihren verdienten Sieg erspielten.

In der 50. Minute traf Pepe nach einem Eckstoß des sehr umsichtigen Mittelfeldlenkers Toni Kroos, und in der 61. Minute machte Real Madrid den Sieg mit einem Gemälde von Konter nach Art des Hauses perfekt. Erst jagte Isco dem früheren Weltmeister Andrés Iniesta an der Mittellinie den Ball ab, es folgten fulminante Pässe nach je zwei Ballkontakten von Isco auf Ronaldo, Ronaldo auf James Rodriguez und James Rodriguez auf Benzema, der den Endstand herstellte. "Kariiim, Kariiim", feierten ihn die Zuschauer, als er kurz vor Schluss für den deutschen Nationalspieler Sami Khedira ausgewechselt wurde.

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"Dieser Abend hat gezeigt, dass es Rivalen gibt, die mindestens genauso gut, wenn nicht besser sind als wir", sagte Barcelonas Trainer Luis Enrique, die Überlegenheit Reals erkannte er neidlos an. Und sein Kapitän Xavi seufzte mit Blick zurück auf die Phase nach der eigenen Führung: "Wenn du im Bernabeu-Stadion Gnade walten lässt, musst du büßen."

Die Saison ist noch lang, doch die Beständigkeit und Form Madrids ist schon jetzt beängstigend. Am Samstagabend blieben die Madrilenen sogar unter dem bisherigen Saisonschnitt von 3,7 Treffern pro Spiel. Sollte Real diese Reiseflughöhe behalten, käme der Klub am Ende dieser Saison auf rund 200 Pflichtspieltore. Der nackte Wahnsinn liegt längst im Bereich des Vorstellbaren.

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