Leverkusen-Sieg gegen Schalke:Calhanoglus famoser Freistoß

Bayer Leverkusen's Calhanoglu celebrates with Bender after scoring against Schalke 04 during Bundesliga soccer match in Leverkusen

Jubel in Leverkusen. Torschütze Hakan Calhanoglu (r.) und Lars Bender.

(Foto: REUTERS)

Agiles Leverkusen, passives Schalke: Bayer beherrscht das Spitzenspiel der Fußball-Bundesliga klar, das knappe 1:0 ist noch gnädig für die Gäste. Das intensive Spiel fordert auch den Schiedsrichter.

Von Philipp Selldorf, Leverkusen

Roberto Di Matteo hat in seinem Einführungskursus als Trainer in Gelsenkirchen ein neues Kapitel aufgeschlagen. Nach zwei Siegen mit seinem neuen Klub musste der Italiener am Samstagabend im Spiel bei Bayer Leverkusen die erste Niederlage hinnehmen. 0:1 lautete das Resultat, das gnädiger klingt, als die Partie der Schalker über weite Strecken ausgesehen hat. Bayer Leverkusen war von der ersten bis zur letzten Minute das dynamischere und bessere Team und ließ sich dafür mit Recht auf einer Ehrenrunde ausgiebig feiern.

Beide Trainer griffen auf die Teams zurück, die sie während der Woche in der Champions League eingesetzt hatten. Di Matteo musste allerdings auf den angeschlagenen Kevin-Prince Boateng verzichten, an seiner Stelle spielte - wie am Dienstag schon beim 4:3 gegen Sporting Lissabon - Eric-Maxim Choupo-Moting. Eine Schwächung der Schalker musste man aus dieser Umbesetzung nicht ableiten, Boateng machte zuletzt einen urlaubsreifen Eindruck, manche meinen, das sei schon so, seitdem er aus den Sommerferien heimgekehrt ist.

Bayer setzte den Gegner, wie es der Brauch ist, seit Roger Schmidt die Regie übernommen hat, andauernd und auf die größtmöglich enervierende Weise unter Druck. Allerdings hat das Team seine Überfall-Strategie ein wenig modifiziert, die Attacken auf die ballführenden Spieler werden jetzt nicht mehr überall und unterschiedslos mit derselben Heftigkeit ausgeführt, sondern etwas dosierter betrieben. Das bedeutet keine Abkehr von Schmidts Dogma des Radikal-Pressings, sondern eine alltagstauglichere Weiterentwicklung.

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Schalke nahm zum Auftritt der Gastgeber eine weitgehend passive Haltung ein. Die Mannschaft suchte ihr Heil in einer dicht gestaffelten Defensive, ein strukturiertes Offensivspiel fand nicht statt. Klaas-Jan Huntelaar war daher um seinen Job nicht zu beneiden. Er hielt den einsamen Posten in der Angriffsmitte, wenn seine Mannschaft verteidigte, und er sollte den Ball erobern und nutzbringend verwerten, wenn einer der Kollegen wieder einen Befreiungsschlag in seine Richtung geschickt hatte. Das kostete viel Kraft und kann ihm auch nicht viel Freude gemacht haben, denn meistens war seine Mühe ohne Aussicht auf Erfolg. Obendrein sparte sein Bewacher Ömer Toprak nicht mit Tritten von hinten, wofür er sich dann auch die verdiente gelbe Karte einhandelte.

Ohnehin schwer gefordert: das Augenmaß von Schiedsrichter Manuel Gräfe. Das Spiel bestand während der ersten Halbzeit aus einer Ansammlung von Zweikämpfen, die ziemlich ausnahmslos mit hoher Intensität geführt wurden. Alle zehn Sekunden sah sich Gräfe gefordert, zwischen erlaubter und unerlaubter Härte zu unterscheiden. Die permanenten Kampfhandlungen setzten auch die Mannschaftsärzte in ständigen Alarm, für Stefan Reinartz war das Spiel nach einem Zusammenprall mit einem Schalker nach 25 Minuten vorbei. Blut floss und das rechte Auge war dick geschwollen. Trainer Schmidt sprach nach dem Spiel von einem Augenhöhlenbruch. Für Reinartz rückte der multifunktionale Tin Jedvaj ins defensive Mittelfeld, der bisher bei Bayer als Außen- oder Innenverteidiger tätig war. Ziemlich beachtlich für einen Spieler von gerade 18 Jahren. Dass er trotzdem noch einiges lernen muss, zeigte sich bei seinem redlich verdienten Platzverweis in der 85. Minute. Er hatte den eingewechselten Jan Kirchhoff rüde von den Beinen geholt.

Draxler und Obasi enttäuschen

Torszenen gab es eher selten zu bestaunen, Schalker Torszenen sogar noch viel seltener. Meistens kamen Benedikt Höwedes und sein Abwehrpartner Kaan Ayhan dazwischen, wenn sich die Leverkusener dem Tor von Ralf Fährmann näherten. Die beste Gelegenheit eröffnete sich den Rheinländern in der 32. Minute, als Julian Draxler den tödlichen Pass spielte - allerdings dem falschen Mann. Er servierte nicht dem erwartungsvoll bereitstehenden Uchida den Ball, sondern dem Leverkusener Son, der stracks in den Strafraum vordrang und im richtigen Moment den richtigen Pass auf Kießling spielte, jedoch nicht mit dem richtigen Timing - der Mittelstürmer rutschte am Zuspiel vorbei.

Dass just Draxler der Übeltäter war, passte zu seinem vorwiegend missratenen Auftritt. Der Weltmeister wurde seinem Adelstitel nicht gerecht, er nahm kaum produktiv Einfluss aufs Schalker Offensivspiel, verzettelte sich regelmäßig in solistischen Unternehmungen und fabrizierte Fehlpässe als Dutzendware. Da Obasi auf dem rechten Angriffsflügel sogar noch weniger gelang, scheiterten Schalkes gelegentliche Konterversuche schon im frühen Stadium.

In der zweiten Halbzeit wurde die schnelle, aber unruhige und wegen der vielen Brüche im Spielfluss nicht allzu attraktive Begegnung besser - aber nur für die Leverkusener. Nachdem der super-agile Karim Bellarabi eben noch eine gute Gelegenheit ausgelassen hatte, beendete Hakan Calhanoglu in der 53. Minute mit einem famosen Freistoß die Schalker Hoffnungen, die Null irgendwie ins Ziel zu retten. Auf den Rückstand wussten die Schalker keine Antwort. Sie waren nicht in der Lage, dem Spiel eine neue Richtung zu geben, Bayer blieb das bestimmende und weitaus zielstrebigere Team.

Ein einziges Mal schafften es die Schalker, Huntelaar den Weg in den Strafraum zu eröffnen, doch sein Schuss blieb an Toprak hängen. Obasi machte dann Sidney Sam Platz, der von den Leverkusener Fans mit herzlichen Pfiffen empfangen wurde, die möglicherweise auch von Sorgen kündeten, der Überläufer könne dem Spiel noch eine Wende geben. Sam hatte lang genug in Leverkusen seine Fähigkeiten als Stürmer nachgewiesen, in Schalke ist er die Beweise aber noch schuldig geblieben. Nicht mal Indizien haben sich bis jetzt ergeben, auch am Samstagabend nicht, als Sam sich dem bescheidenen Niveau der Kollegen anpasste. Auch die Überzahl konnten die Königsblauen in den letzten Minuten nicht mehr zum Sturmlauf nutzen. Verdientermaßen fuhren sie ohne Lohn nach Gelsenkirchen zurück.

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