Republikaner-Kandidat Cory Gardner:Jung, sympathisch und sehr konservativ

Cory Gardner, Kandidat der Repbulikaner für den Senat

Cory Gardner, Kandidat der Republikaner für den US-Senat

(Foto: Reuters)

Cory Gardner ist anders als viele andere Republikaner. Der 40-Jährige gibt sich kompromissbereit und so gut gelaunt, dass es wehtut. Seine Heimat Colorado ist Mini-Amerika - wenn Gardner hier Senator wird, hat dies Auswirkungen auf das ganze Land.

Ein Report von Matthias Kolb, Fort Collins/Colorado

Solche Sätze sind selten in amerikanischen Wahlvideos. "Mein Gegner ist ein wirklich netter Kerl", sagt Cory Gardner über den Demokraten Mark Udall. Doch leider, so fährt der Republikaner fort, sei Udall zu nett, um in Washington etwas ändern zu können. Seit 18 Jahren vertrete Udall Colorado im Kongress und habe nichts bewirkt. Noch schlimmer: Udalls Vater wollte einst US-Präsident werden. "Mein Vater verkauft Traktoren, genau wie mein Großvater. Darauf bin ich verdammt stolz", sagt Gardner und deutet nach hinten, wo sein Vater steht und grinst.

Die Botschaft des Clips ist typisch für die Republikaner: Nirgends ist es schlimmer als in Washington, wo Demokraten und Bürokraten alles tun, um den US-Amerikanern das Leben schwerzumachen. Es brauche ganz normale Bürger, um dort aufzuräumen. Seit Längerem versuchen die US-Konservativen, mit diesem Argument die Wähler für sich zu gewinnen - und meist scheitern sie damit (in fünf der vergangenen sechs Präsidentschaftswahlen bekamen die Demokraten mehr Stimmen). Das lag auch daran, dass ihre Kandidaten mit Sprüchen über "legitime Vergewaltigungen" oder die angebliche Faulheit vieler Amerikaner (Mitt Romneys "47 Prozent") viele Wähler verschreckten.

Cory Gardner gehört zu einer Generation, die bislang nicht gepatzt hat und er will dazu beitragen, die Misere der Republikaner zu beenden. Neun Tage vor der Kongresswahl am 4. November führt Gardner in fast allen Umfragen mit etwa fünf Punkten vor Udall, obwohl der von Polit-Promis wie Michelle Obama und Hillary Clinton unterstützt wird. Colorado ist eine Art Mini-Amerika: Hier gibt es liberale Ecken wie die Uni-Stadt Boulder, aber ebenso Hochburgen von evangelikalen Christen wie Colorado Springs. Die Bevölkerung ist jung. Mehr als jeder fünfte Einwohner hat Latino-Wurzeln.

US-Kongresswahl auf SZ.de

Süddeutsche.de berichtet über die US-Kongresswahl von Dienstagabend an die ganze Nacht mit einem Liveblog aus Washington und San Francisco und ordnet Entwicklungen und Ergebnisse ein. Am Mittwochmorgen werden die Mehrheitsverhältnisse in Senat und Repräsentantenhaus in Kommentaren und Analysen aufbereitet. Sie als Leser sind eingeladen, die Entwicklungen und Resultate zu diskutieren - der Community-Bereich wird die ganze Nacht betreut.

Optimistischer Blick in die Zukunft

Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist, dass auch Gardner ein netter Kerl ist. Beim "GOP Lunch" der Republikaner in Fort Collins ist das gut zu beobachten: Gardner lacht ständig, umarmt alte Parteifreunde, klopft Neulingen und Reportern auf die Schultern, schüttelt Hände, lacht weiter und posiert für Erinnerungsfotos. Doch im Gegensatz zu anderen Politikern wirkt dies nicht gekünstelt, sondern echt.

Während die 60 Zuhörer (ausschließlich weiß, ziemlich alt und anti-Obama) Hähnchen und Kartoffelsalat essen, skizziert Gardner sein Programm. Natürlich muss er das Publikum nicht überzeugen - wichtiger sind die Spenden-Schecks und das Motivieren der Freiwilligen. Gardner bewältigt den Pflichttermin fehlerlos. Er gibt sich optimistisch: Amerika habe eine große Zukunft vor sich. Obama und Senator Udall seien schuld daran, dass die Löhne der Mittelklasse stagnieren, ruft Gardner. Die Öl- und Gasvorräte werden Jobs in Colorado schaffen und er werde als Senator Führungsstärke beweisen. Mit dem Spruch "Wir brauchen mehr Colorado in Washington und weniger Washington in Colorado" endet sein Auftritt.

In der Fragerunde zeigt sich, wieso der 40-Jährige viele Hoffnungen weckt (Details hier). "Wir müssen etwas gegen die Zuwanderung tun, wir haben sowieso schon zu wenig Wasser", ruft ein älterer Mann. Er fährt fort: "Und was ist mit den nächsten 100 000 Jobs, sollen Amerikaner die bekommen oder sind die für Migranten?" Gardner erwidert: "Wir brauchen ein besseres Einwanderungsrecht, damit Migranten legal hierherkommen können, um ihren Kindern eine bessere Zukunft zu bieten. Genau das haben auch meine Vorfahren gewollt. Die meisten von uns kommen von woanders her." Elf Prozent der Wähler in Colorado sind Latinos - und mit dieser Antwort hat der Republikaner die wichtige Wählergruppe sicher nicht verschreckt. Auch andere heikle Fragen meistert Gardner gekonnt.

Was Cory Gardner zu einem "neuen Republikaner" macht

"Die Republikaner haben aus ihren Fehlern gelernt. Die Parteispitzen in Washington und hier in Colorado haben dafür gesorgt, dass es keinen Gegenkandidaten gab", sagt der unabhängige Politik-Berater Floyd Ciruli zu Süddeutsche.de. Gardner musste sich also nicht in einer primary bewähren - in diesen Vorwahlen drängten Tea-Party-Kandidaten oft die anderen Republikaner nach rechtsaußen und boten den Demokraten Material für schmutzige Angriffe. 2014 haben die Republikaner in fast allen US-Bundesstaaten Mainstream-Kandidaten aufgestellt, die unabhängigen Wählern vermittelbar sind (nur in Georgia macht dem GOP-Bewerber dessen Lob auf Outsourcing Probleme).

Den Erfolg von Cory Gardner führt Politik-Experte Ciruli auch auf dessen sympathisches Auftreten und sein recht junges Alter zurück. "Jeder zweite Wähler sagt, dass er Gardner eine Chance geben würde und obwohl ihn die Demokraten seit Monaten als radikalen Frauen-Feind darstellen, liegt Gardner bei Wählerinnen nur etwa sieben Punkte zurück", sagt Ciruli (mehr über die riskante Strategie der Demokraten, vor allem auf Wählerinnen zu setzen). In der Gunst der Männer liegt der Republikaner hingegen deutlich vorn.

Während jedes zweite Video des 24 Jahre älteren Demokraten Mark Udall Gardner unterstellt, das Recht auf Abtreibung abschaffen sowie den Zugang zu Verhütungsmitteln begrenzen zu wollen, wirkt Gardner in seinen Clips viel freundlicher. Mal zeigt er sich mit seinem Vater und seinem Sohn bei symbolischen Schuhebinden, ein anderes Mal erzählt er die Geschichte seiner 90 Jahre alten Oma Betty.

In anderen Clips reagiert Gardner auf die Dauerangriffe der Demokraten und bezeichnet diese als Lügen und als "typisch alte Politik". Sich selbst stellt er gern als "neuen Republikaner" dar: Also als jemanden, der Windenergie gut findet und angeblich bereit ist, mit den Demokraten zusammenzuarbeiten.

Wie glaubwürdig Gardners Schwenk in die Mitte ist und ob er die sogenannten personhood-Gesetze nun wirklich für falsch hält oder ob dies nur ein Manöver ist, lässt sich schwer beurteilen. (Durch die Gesetze soll bereits die befruchtete Eizelle zur Person erklärt werden, was jede Abtreibung zur Straftat machen und keine Ausnahmen bei Vergewaltigung oder Inzest zulassen würde.) Fraglos ist Gardner sehr konservativ und befürwortet etwa Fracking und die Keystone-XL-Pipeline: 2012 standen nur neun Abgeordnete noch weiter rechts außen. Aber seine Disziplin, der professionelle Wahlkampf und seine persönliche Art sorgen dafür, dass diese Fragen kaum gestellt werden.

Sogar Demokraten finden Gardner sympathisch

"Es ist keine gute Idee, jemanden als Unmenschen darzustellen, der das nicht ist", seufzt ein junger Mann, der in Washington für einen demokratischen Abgeordneten aus Colorado gearbeitet hat. "Ich finde Gardners politische Überzeugungen schrecklich, aber er ist ein netter Kerl", sagt der Demokrat. Dass Gardner seinen sicheren Sitz im Repräsentantenhaus aufgegeben hat, um für den Senat zu kandidieren, hat vielen imponiert - auch die eigentlich recht liberale Denver Post, die ihren Lesern empfiehlt, den "energiegeladenen" Republikaner zu wählen. Dieses endorsement unterstreicht den Erfolg von Gardners Strategie.

Wenn Senator Mark Udall seinen Sitz verliert, dann scheint es fast unmöglich, dass die Demokraten ihre Mehrheit im Senat behalten und Präsident Obama sich nicht mit einem republikanisch geführten Kongress herumplagen muss. Doch viele Journalisten und Analysten blicken noch aus einem anderen Grund nach Colorado: Hier lässt sich ablesen, wie es der konservativen Partei geht.

"Wenn es den Republikanern nicht gelingt, mit diesem exzellenten Kandidaten hier, in einem Jahr wie diesem zu gewinnen, wo der Präsident schrecklich unbeliebt ist, dann werden sie nie siegen", bilanziert Mike Littwin vom Colorado Independent. Eine Partei, die in diesem swing state keine Chance hat, die hat auch schlechte Aussichten, 2016 oder 2020 wieder den Präsidenten zu stellen. Sollte Gardner aber reüssieren, so orakelt man in Washington, dann könnten die Republikaner-Strategen versuchen, seine Erfolgsstrategie "jung, sympathisch, konservativ" 2016 zu kopieren.

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