Kölner Krawalle:Was Hooligans und Neonazis verbindet

Hooligan-Demo gegen Salafisten

Demonstranten werfen bei den Ausschreitungen in Köln ein Polizeiauto um

(Foto: dpa)
  • Die Kölner Hooligan-Demo brachte dem Verfassungsschutz zufolge verschiedene Strömungen aus der rechten und der Hooligan-Szene zusammen.
  • Den Ton sollen Hooligans angeben, Rechtsextreme von außerhalb der Szene springen auf.
  • Das Feindbild Salafismus beschert der Szene Experten zufolge eine neue "hohe Mobilisierungsfähigkeit".

Von Jannis Brühl, Köln

Am Ende bleiben Scherben von Bierflaschen und Pfützen auf dem Boden, die Wasserwerfer hinterlassen haben. Der Breslauer Platz neben dem Kölner Hauptbahnhof gleicht am Sonntagabend einem zwangsbefriedeten Gebiet. Hunderte Bereitschaftspolizisten in schwarzer Einsatzmontur überwachen, wie Männer der Stadtreinigung die Reste der rechten Hooligan-Krawalle aufkehren. Selbst die Filiale einer Fast-Food-Kette stellt vier Wachmänner an ihre Türen, so angespannt ist die Lage. Köln, die Stadt, die sich selbst als bunt und offen versteht, ist schockiert nach der Eskalation der rechten Hooligan-Demo.

Es war ein lauter Auftritt der Islamfeinde und rechten Schläger am Sonntag. Fußball-Hooligans aus dem ganzen Land, sonst bis aufs Blut verfeindet, kamen zusammen, um "gegen Salafisten" und den Islamischen Staat (IS) zu demonstrieren. Einige wollten vielleicht ganz "unpolitisch" Polizisten verprügeln, aber die Demo war auch Anlaufpunkt für Rechtsradikale. In Internetforen und auf Facebook riefen Rechte mit ausländerfeindlichen Parolen zur Demo auf. Mehrere Teilnehmer riefen während der Demo "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus" und die Nazi-Parole "Frei, sozial und national". Die Hooligans griffen Polizisten an und verletzten 44 von ihnen. Der Veranstalter brach die Demo ab. Wer und was hinter den Ausschreitungen steckt - ein Überblick.

Gemeinsames Feindbild Salafisten

Salafisten sind Muslime, die ihr Leben nach einer wörtlichen Interpretation des Koran ausrichten. Der Großteil der Salafisten ist nicht gewalttätig, aus ihrem Umfeld rekrutiert die Miliz Islamischer Staat (IS) allerdings immer wieder Kämpfer für den Krieg in Syrien und im Irak. Wegen versuchter Terroranschläge standen und stehen radikale Salafisten auch in Deutschland vor Gericht. Bis vor kurzem demonstrierten vor allem Kurden - die in Syrien vom IS bedroht sind - und Linke gegen die Miliz. Von rechts wird die Angst vor dem IS nun gekapert.

Kooperation zwischen Rechten und Hooligans

Der gemeinsame Hass auf den Islam brachte am Sonntag mehrere Gruppen am Kölner Bahnhof zusammen, so sieht es der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz: gewaltbereite, aber nicht besonders politische Hooligans; rechtsradikale Hooligans; dazu Mitglieder von NPD, der Partei "Die Rechte", Skinheads und Teile der rechten Musikszene. NRW-Verfassungsschutzchef Burkhard Freier sieht aber keine neue rechte Bewegung, der sich Hooligans anschließen, sondern umgekehrt: Die Hooligans hätten das Feindbild "Salafisten" entdeckt und würden nun Zulauf von Neonazis bekommen, sagte er dem Sender WDR 2.

Ähnlich sieht es Alexander Häusler, der an der Fachhochschule Düsseldorf über Rechtsextremismus forscht. Bei der Organisation der Aktionen gäben Personen aus der Hooligan-Szene den Ton an, keine "externen" Rechtsextremen: "Das sind Strippenzieher aus der Szene, die ein elitäres Selbstverständnis haben. Die lassen nicht jeden mitmachen." Parteipolitisch seien die meisten rechten Hooligans uninteressiert. "Die sind in erster Linie auf Action aus" - also Gewalt.

Mobilisierung über rechte Hooligan-Szene hinaus

Seit dem Frühjahr organisiert sich die deutsche Szene. Die ersten Demonstrationen der "Hooligans gegen Salafisten" fanden, teils noch unter einem anderen Slogan, in Mönchengladbach, Mannheim und Dortmund statt, unter anderem gegen den salafistischen Prediger Pierre Vogel. Sie hatten nur wenige Hundert Teilnehmer. Das hat sich in Köln geändert. Neu sei, dass das Feindbild Salafismus der Szene eine "hohen Mobilisierungsfähigkeit" verschaffe, sagt Häusler. Die Demo vom Sonntag könnte diesen Effekt noch verstärken: "Es steht zu befürchten, dass es zu Wiederholungen kommt."

Das Mobilisierungspotenzial der "Hooligans gegen Salafisten" geht offenbar weit über die rechte Hooligan-Szene hinaus. In der Datei "Gewalttäter Sport" sind bundesweit 400 Personen als "rechtsgerichtet" erfasst. Auf den Breslauer Platz kamen allerdings etwa 4000 Menschen.

Verbindung zu Pro NRW

Teile der Demonstranten haben Anschluss an das Milieu der organisierten Islamfeinde in NRW. Angemeldet hat die Demo Dominik Roeseler, der zur Pro-NRW-Parteiengruppe gehört. Sie kämpft gegen eine angebliche Islamisierung Nordrhein-Westfalens, macht unter anderem Stimmung gegen Moscheebauten. Kurz vor der Demo distanzierte sich Pro NRW jedoch von der Veranstaltung. Roeseler zog sich offiziell von der Organisation zurück.

Der Extremismusforscher Häusler hält die Hooligan-Symbolik für nicht kompatibel zum Auftreten der Partei: "Schlagringe, Vermummte - das ist etwas ganz anderes als bei Parteien wie Pro NRW, die eine bürgerliche Maskerade versuchen."

Veranstaltungsgegnern des Bündnisses "Kein Veedel für Rassismus" ("Veedel" heißt auf Kölsch "Viertel") zufolge gab es nach Roeseler einen neuen Versammlungsleiter. Er fällt auf Facebook dadurch auf, dass er antimuslimische Videos, Bilder von Reichskriegsflaggen und Slogans vom "nationalen Widerstand" postet.

Was "SS-Siggi" mit der Demo zu tun hat

Auch rechte Dortmunder Hooligans um Siegfried Borchardt alias "SS-Siggi" kamen nach Köln. Wenige Personen stehen so sehr für die Verbindung von Hooligans mit rechtem Gedankengut. Borchardt ist Teil der rechten Dortmunder Fan-Gruppe "Borussenfront" und saß zwischenzeitlich für "Die Rechte" im Dortmunder Stadtrat. Die Partei ist Sammelbecken für Anhänger der in NRW verbotenen Neonazi-Vereinigung Nationaler Widerstand.

Borchardt machte als Abgeordneter nach kurzer Zeit einem anderen Rechtsradikalen Platz - angeblich aus "gesundheitlichen" Gründen. Allerdings könnte die Rochade auch geplant gewesen sein und Borchardt der Liste nur im Wahlkampf mit seiner Bekanntheit als Stimmenfänger gedient haben. Als gut vernetzter Veteran der Szene kümmert er sich nun offenbar um die Anti-Salafismus-Demos. Auch bei einer Veranstaltung vor wenigen Wochen in Essen war er schon aufgelaufen.

English Defence League als mögliches Vorbild

In Großbritannien gibt es bereits eine antiislamische Hooligan-Bewegung, die in den vergangenen Jahren mehrere Zehntausend Mitglieder gewonnen haben soll: die English Defence League. Sie entwickelte sich als Abspaltung der Hooligan-Szene und kämpft gegen eine "Islamisierung" Großbritanniens. Sie liefert sich Kämpfe mit linken Gruppen, ihre Mitglieder fallen immer wieder durch Aggression gegen muslimische Briten auf. Eine der Gruppen, die auf Facebook dazu aufrief, nach Köln zu fahren, nennt sich "German Defence League".

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