Theater:Himmel und Hölle

Das Fliegende Theater Berlin erzählt mit einer drastischen Performance im Ludwig-Thoma-Haus eine Geschichte von und über Paul Klee. Was die Einordnung des Künstlers betrifft, bleibt der Besucher etwas ratlos zurück

Von Dorothea Friedrich, Dachau

Fliegender Wechsel am Freitagabend im Ludwig-Thoma-Haus: Die letzte Veranstaltung des diesjährigen Poetischen Herbstes ist zugleich der Auftakt der Dachauer Theatertage 2014. Auf dem Programm stehen: Fantasien zu Paul Klee, eine Performance von und mit dem Fliegenden Theater Berlin. Die Erwartungen sind hoch, die Resonanz am Ende ist gemischt. Sind doch viele Zuschauer gekommen, um etwas mehr über den vielseitigen Paul Klee zu erfahren, dessen Werk so aufregend ist wie die Zeit, in welcher der Geige spielende Maler lebte.

Wer aber auf biografische Details hoffte, durfte nach der Vorstellung iPad oder Notebook zur Hand nehmen. Wer auf gültige Interpretationen, auf die Einordnung in eine bestimmte Kunstrichtung spekuliert hatte, blieb ein wenig ratlos zurück. Wer sich aber, wie die zwölfjährige Lina, unvoreingenommen auf das vielschichtige Bühnengescheh en einließ, ging voller Neugierde auf den Maler und den Menschen Klee (1879 - 1940) nach Hause. Lina nämlich sagte: "Mir gefällt's, ich mag Malerei, obwohl ich nicht viel davon verstehe." So betrachtet, bekommt das auf den ersten Blick so merkwürdige Gebaren dreier seltsamer Gestalten (Bernd Raucamp, Marie-Elsa Drelon, Rudolf Schmid) auf der Bühne plötzlich einen inneren Zusammenhang, erschließen sich Worte und Sätze, Musik und Gestik, Kostüme und Sprache auf eine hintergründig-faszinierende Weise.

Theater: Mit Lichteffekten und skurrilen Figuren inszenierte das Fliegende Theater Berlin Fantasien zu Paul Klee.

Mit Lichteffekten und skurrilen Figuren inszenierte das Fliegende Theater Berlin Fantasien zu Paul Klee.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Subtil schleichen sich die Darsteller mit Musik und Tanz, mit allerlei mechanischen Figuren, mit Motiven aus Paul Klees Bildern ins Gemüt, erschaffen einen Mix aus kindlicher Neugier und abgebrühtem Zynismus, dem man sich so wenig entziehen will wie einem Buch, das einem nicht wirklich gefällt, einen aber gefangen hält. Denn irgendetwas Unbestimmtes verleitet, verführt, motiviert dazu, immer weiter zu lesen - bis zur letzten Seite um zu bedauern, dass die Geschichte schon zu Ende erzählt ist. In diesem Fall eine Geschichte von und über Paul Klee in dessen eigenen Worten - seinen Tagebucheinträgen, ganz ohne Vorleser, sondern begleitet von allerlei mechanischen Gestalten, von Pinselstrichen auf riesigen Leinwänden, Marionetten, Handpuppen, einem fast buddhamäßigen Kopf. Der ist jedoch, wie die Theaterleute schreiben, einem Selbstporträt Klees nachempfunden.

Der Kopf spielt eine stumme, aber bewegliche Rolle, lässt sich öffnen, gewährt bildhaften Einblick in die Gedanken- und Gefühlswelt des Künstlers und lässt - wie viele Puzzleteile dieser Collage - angstvolles Schaudern und helles Entzücken zu. Klees teils drastische Wortwahl, die mal chaplineske, mal sehr an Hitler gemahnende Sprache und Gestik von Rudolf Schmid, lassen die Schrecken des Ersten Weltkriegs, in dem Klee bei der Fliegerabteilung in Schleißheim bei und in Gersthofen Dienst tat, aber auch die Verfemung durch die Nazis, die seine Werke als entartete Kunst brandmarkten, wieder auferstehen. Himmel und Hölle werden in der Beschäftigung mit Klees Sohn, den Reminiszenzen an die Münchner Zeit, die legendäre Tunisreise der Künstlerfreunde Paul Klee, August Macke und Louis Moilliet im April 1914 und der künstlerischen Entwicklung Klees deutlich. Fragen wie beispielsweise, wann Klee wo ausgestellt hat, wie Kunsthistoriker ihn einordnen oder wie sehr ihn die Musik beeinflusst hat, sind plötzlich unwichtig. Ein Besuch im Lenbachhaus kann darauf Antworten geben und nach diesem alles in allem beeindruckenden Abend zu einer ganz neuen Sichtweise auf Paul Klee und den weltberühmten "Blauen Reiter" führen. Aber das wird eine andere Geschichte.

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