1. FC Magdeburg im DFB-Pokal:Schon vor Anpfiff gewonnen

1. FC Magdeburg

Jubel in blau-weiß: Nach dem Erstrunden-Sieg gegen Augsburg führt Magdeburgs Torschütze Christian Beck (rechts) eine Polonaise an.

(Foto: Jens Wolf/dpa)

In der DDR ein Topverein, danach nie wieder im Profifußball vertreten: Der 1. FC Magdeburg stürzte nach der Wende in die Bedeutungslosigkeit. Nun tritt der Regionalligist an zum Pokalspiel gegen Bayer Leverkusen - und plötzlich ist da wieder eine Chance.

Von Saskia Aleythe

Entgehen wird Bayer Leverkusen schon etwas, wenn der Mannschaftsbus am Mittwoch von der A 2 aus Richtung Braunschweig nach Magdeburg rollt. Zum Beispiel der Jahrtausendturm. Ein schiefer Zwiebelturm, 60 Meter hoch und damit das höchste Holzgebäude Deutschlands. Aber sie sind ja hier nicht zum Sightseeing hier, das sind Fußballer nie.

Nur zwei Kilometer entfernt vom schiefen Turm steht das Stadion des 1. FC Magdeburg. Der Klub hat in der ersten Pokalrunde den Bundesligisten FC Augsburg 1:0 besiegt, dann kam das Los Leverkusen. 24 500 Zuschauer haben sich angekündigt. Ausverkauft - ein selten gebrauchtes Attribut in den vergangen Jahren. Der DFB-Pokal ist für den Verein ein absoluter Glücksfall.

Denkmal von Fans selbst finanziert

Entsprechend euphorisch klingt es, wenn die Magdeburger über Leverkusen sprechen. "Wir treten gegen einen Champions-League-Gegner an, das ist nicht so häufig, dass wir das genießen dürfen", sagt Mario Kallnik, der beim Viertligisten ehrenamtlich als Sportchef fungiert. Er hat auch die Finanzen im Blick: Mit den Einnahmen von etwa 350 000 Euro konnte der Klub seine Bilanz enorm verbessern, außerdem wurde ein Trikotsponsor gefunden. "Wir werden mit dem Geld kein Harakiri spielen, wir sind nun solide aufgestellt, das ist das Wichtigste für die sportliche Entwicklung." Damit soll es nun endlich vorangehen.

In der DDR ein Top-Verein, im vereinigten Deutschland nie im Profifußball vertreten gewesen: Der 1. FC Magdeburg ist das Extrembeispiel für den Sturz in die Bedeutungslosigkeit nach der Wende. Während sich ehemalige Oberliga-Konkurrenten wie Dresden, Cottbus oder Halle derzeit in der dritten Liga begegnen, hängt Magdeburg seit 2006 in der Regionalliga fest. Die Gegner heißen Wacker Nordhausen, Neustrelitz oder Plauen. Das traditionsreichste Derby, das in der Liga noch möglich ist, ist die Begegnung mit Carl Zeiss Jena.

An der Tradition kommt in Magdeburg niemand vorbei, auch Leverkusen nicht: Wer ins Stadion hineinwill, trifft auf das Denkmal von Heinz Krügel. Er hatte die Mannschaft 1974 zum Europapokal der Pokalsieger geführt, mit einem 2:0 gegen den AC Mailand. Krügel ist mittlerweile verstorben, sein Abbild in Bronze auf dem nach ihm benannten Vorplatz ist kaum zwei Monate alt. Die Fans finanzierten es zum 40. Jubiläum des Erfolgs selber, fast 28 000 Euro kamen dabei zusammen. Die Leidenschaft hat die Jahre überdauert.

Abschied vom handgreiflichen Trainer

"Wir haben es nur der Tradition zu verdanken, dass es den Verein überhaupt noch gibt", ist sich Kallnik sicher. Der Zuschauerzuspruch ist für die Liga verhältnismäßig stark, 6500 kommen in der aktuellen Saison im Schnitt. Und Mario Kallnik blickt lieber nach vorne als zurück, der 39-Jährige hat viel durchgemacht im Verein: Nach der Insolvenz 2002 blieb er als einziger Spieler in Magdeburg, führte die Mannschaft bis 2008 als Kapitän an. 2012 hielt der Klub nur durch die Reform in der Regionalliga die Viertklassigkeit, Kallnik übernahm den Posten im Vorstand.

Fußball: DFB-Pokal - 1.FC Magdeburg gegen FC Bayern München  5 : 3 (n. E.)

Das größte Spiel der vergangenen Jahre: Magdeburg schlägt Bayern München in der zweiten Pokalrunde am 1. November 2000 mit 5:3 nach Elfmeterschießen.

(Foto: DPA)

"Für mich war das mal eine Chance, etwas mit aufzubauen", erzählt er. Wirtschaftlich und personell stellte sich der Verein klüger auf, doch Schlagzeilen machte nur der handgreifliche Trainer: Im Herbst 2013 wurde Andreas Petersen für vier Spiele gesperrt, nachdem er den Trainerkollegen aus Nordhausen attackiert hatte. Von Petersen hat sich der Verein im Sommer getrennt, Jens Härtel kam als Nachfolger aus der Nachwuchsarbeit von RB Leipzig. Derzeit findet sich Magdeburg auf Rang zehn wieder - Aufstiegspläne sind eher passé.

Ein "Fußballfest in Blau-Weiß" wünscht sich Kallnik nun gegen Leverkusen, "wichtig ist, dass wir uns am Ende des Tages nichts vorwerfen müssen". Magdeburg ist überhaupt nur einer von drei Amateurvereinen, die in dieser Spielrunde noch mitmischen, neben den Kickers Offenbach und den Würzburger Kickers. Die Wahrscheinlichkeit eines Erfolges gegen Leverkusen tendiere gegen null, da will Kallnik erst gar keine Begehrlichkeiten aufkommen lassen. Sein Verein hat ohnehin schon so viel gewonnen in dieser Pokalsaison.

Im Dezember feiert der Verein sein 50-jähriges Bestehen. Dass es der Holzturm nebenan auch so weit bringt, ist unwahrscheinlich: 1999 für die Bundesgartenschau erbaut, ist er schon jetzt ein Sanierungsfall. Da nützt auch der Name Jahrtausendturm nichts.

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