Luxus-Shopping im Netz:Harte Realität

Luxus-Shopping im Netz: Von der Maximilianstraße auf die Datenautobahn - die großen Luxuslabels bieten ihre Mode längst auch im Internet an.

Von der Maximilianstraße auf die Datenautobahn - die großen Luxuslabels bieten ihre Mode längst auch im Internet an.

Online-Shopping, das geht nicht nur bei Amazon und Zalando: Portale wie Stylebop, My Theresa oder Net-a-Porter bedienen luxusverwöhnte Käufer. Die virtuellen Edel-Boutiquen sind rappelvoll. In der Warteschlange am Postschalter sind dann alle Kunden gleich.

Von Elisabeth Dostert

Abende können so einsam sein. Offline. In den Schaufenstern der Luxusläden in der Münchner Maximilianstraße, der teuersten Einkaufsstraße der Stadt, brennt noch Licht. Ihre Türen haben Valentino, Gucci, Dior, Tod's und Louis Vuitton geschlossen. Nur auf den virtuellen Luxusmeilen ruht das Geschäft nie. Sie heißen Stylebop, My Theresa, Yoox, Net-a-Porter, Luxuryloft oder Ansarystyle. Das Straßennetz ist unübersichtlich. Es kennt keine Landesgrenzen. Es gibt große und kleine Läden, sie sind voll.

Die Tasche von Stella McCartney bei My Theresa ist vegan. Der Kunststoffbeutel heißt Falabella. Er hat sich "vom It-Bag zum ikonischen Fashion-Klassiker entwickelt", steht auf der Homepage. Ein verbales Bombardement in deutsch-englischem Kauderwelsch, der Sprache der Online-Händler: wunderbar sleek, für einen Hauch edgy Coolness sorgen Flechtdetails und eine silberfarbene Panzerkettenverzierung. Und harte Fakten: 100 Prozent Polyester. Breite 45cm x Höhe 44cm x Tiefe 11cm - als ließe sich die Unergründlichkeit einer Handtasche in Zahlen fassen. 835 Euro inkl. MwSt. zzgl. Versandkosten. Artikelnummer, Lieferkonditionen. Gleich in den Warenkorb oder erst auf die Wunschliste?

Solche Wunschlisten gibt es in keinem Laden. Warum nicht gleich das ganze, zur Tasche dargebotene "Outfit". Das gesichtslose Model ist 1,78 Meter groß und trägt Größe 34. Maße weit weg vom deutschen Durchschnitt, jenseits des Spiegelbildes und der Vorstellungskraft. Pullover, Hose, Lackleder-Pumps, macht 2255 Euro in zwei Minuten. Shoppen, ohne dass eine dieser Verkäuferinnen an den Fersen klebt, die ihren Kunden das Gefühl vermitteln, einem Dieb auf der Spur zu sein. Einkaufen ist ein Wort aus einem anderen Jahrhundert, aus den Zeiten von Karstadt und Kaufhof. Shoppen als hätten Geldbeutel und Kleiderschrank keine Kapazitätsgrenzen. Und am Ende ist der wunderbare Shoppingtraum mit ein paar Klicks gelöscht.

Online sind alle Waren gleich groß

Im Online-Laden sind alle Waren gleich groß: die Falabella und die Sonnenbrille von Victoria Beckham, alles bildschirmgroß. Das Häkelstrickkleid von Missioni ist ausverkauft. Das soll Zauderern eine Warnung sein. Der Einkauf im Internet ist ein einsames Geschäft, kein Blick voller Bewunderung, Neid oder Entsetzen - so wie im Laden. Die Sinneswahrnehmung und das Gefühl von Luxus sind zeitlich gestreckt: sehen, anmelden und Mitglied einer anonymen Gesellschaft werden, klicken, bestellen, zahlen, warten, abholen, auspacken, sehen, riechen, fühlen, behalten. Oder: Passt nicht, gefällt nicht, fühlt sich blöd an, Retourenschein ausfüllen, einpacken, wegbringen, Konto checken. Das Angebot ist groß. My Theresa verspricht mehr als "170 Top-Designer", Stylebop mehr als "250 internationale Luxus-Brands".

Die Konkurrenz ist überall groß - auf der Straße und im Internet. In diesem Jahr werden weltweit voraussichtlich 865 Milliarden Euro für Luxuswaren aller Art ausgegeben: Autos, Reisen, Lebensmittel, Möbel, Privatjets und Yachten - das geht aus einer Studie der Beratungsfirma Bain und der Fondazione Altagamma, dem italienischen Verband der Luxuswarenhersteller, hervor. Auf persönliche Güter wie Mode und Kosmetik entfallen allein gut 220 Milliarden Euro. In Deutschland werden dafür gut zehn Milliarden Euro ausgegeben. Der Anteil, der weltweit auf virtuellen Luxusstraßen für persönliche Waren ausgegeben wird, ist mit gut zwölf Milliarden noch vergleichsweise gering. Aber er wächst mit deutlichen Raten, heißt es in der Studie.

Mehr als 300 Millionen Luxuswaren-Kunden gibt es weltweit, die sind auf der Straße und online unterwegs. Etwa 400 Millionen sollen es 2020 sein. Auch im Netz gibt es Läden, die viele Marken bieten, und solche mit einer Marke. Hersteller wie Burberry betreiben eigene Online-Shops. Ware allein reicht nicht. Auf seiner Internetseite zeigt die britische Traditionsmarke ihre Schauen. Der Musiker James Bay bespielt auf dem Laufsteg die Damenmode Frühjahr/Sommer 2015. Kate Moss sitzt in der ersten Reihe. Kleidung und Accessoires können direkt vom Laufsteg geordert werden, auf Wunsch mit dem eigenen Namen auf dem Etikett. Die Online-Anbieter bespielen alle Kanäle der anonymen Online-Community: Facebook, Twitter, Pinterest. Sie wollen Nähe erzeugen, wo keine ist. Es ist schwer, Kunden zu binden.

Luxus im schlichten Pappkarton

Luxus-Shopping im Netz: SZ-Grafik: Lisa Borgenheimer; Quelle: EHI Retail Institute

SZ-Grafik: Lisa Borgenheimer; Quelle: EHI Retail Institute

So weit voneinander entfernt sind stationäre und virtuelle Händler gar nicht. Bevor Susanne und Christoph Botschen 2006 ins Netz gingen, betrieben sie schon zwei Jahrzehnte lang einen Laden in München. Mitte September übernahm der US-Händler Neiman Marcus Group (NMG) für 150 Millionen Euro die bayerische Firma. Neiman setzte im Geschäftsjahr 2013/2014 (Ende August) 4,8 Milliarden Euro um, die Botschens machten im Laden und Online zusammen etwa 130 Millionen Dollar Umsatz. Mario Eimuth führte bis 2005 mit seinem Bruder ein Geschäft in München, das verkaufte er ein Jahr nach der Gründung von Stylebop. Mehr als 90 Prozent des Kapitals von Net-a-Porter, im Jahr 2000 von der Modejournalistin Natalie Massenet gegründet und nach eigenen Angaben die weltweit führende Online-Adresse für Luxusmode, gehört seit 2010 Richemont. Die Schweizer Luxusgütergruppe veröffentlicht keine Zahlen. Nach Schätzungen der Bank Vontobel vom Februar setzte Net-a-Porter zuletzt 550 Millionen Euro um und macht weiter Verluste. Den Wert von Net-a-Porter veranschlagte das Institut damals mit 2,5 Milliarden Euro. Ebenfalls im Februar brachte Net-a-Porter mit Porter ein gedrucktes Magazin auf den Markt - in die alte Welt.

Klingeln Paketboten jemals?

Der Luxus von Stylebop kommt nach drei Tagen im schlichten weißen Pappkarton. Ein Zettel im Briefkasten. Klingeln Paketboten jemals? Die Marktverhältnisse im Online-Handel machen Warteschlangen bei der Post greifbarer als jede Statistik. Mehr Amazon, mehr Zalando. Weniger Stylebop, weniger My Theresa. In der Schlange sind alle Kunden gleich. Spart der Einkauf im Netz wirklich Zeit? 4,2 Kilogramm wiegt das weiße Paket. 60 mal 40 mal 16 Zentimeter. Für die übrigen Einkäufe ist jetzt keine Hand mehr frei. Es regnet. Ein Schirm für die analogen Begleiterscheinungen des Online-Geschäfts wäre nicht schlecht. Mehr als 15 000 Produkte führt Stylebop, aber nur ein Schirm-Modell.

Im Karton stecken weiße Schachteln, die aussehen wie Geschenkpakete mit Schleife. Papier raschelt. Endlich der Geruch und das gute Gefühl von Leder, und das von schäbigem Baumwollstoff in mattem Schwarz. Alles muss zurück binnen zwei Wochen. Retourenschein ausdrucken, ausfüllen. Einpacken. Die Verkäuferin im Naturkosmetik-Laden die Straße runter ist immer freundlich, wenn sie die Retouren-Pakete in Empfang nimmt.

Die Online-Händler wissen jetzt mehr als eine Verkäuferin im Laden je erfahren wird. Taillenumfang, Hüftumfang, Körpergröße. Sie kennen die Adresse. Sie verschicken fast täglich Mails. "Albert Elbaz exploriert mit seiner aktuellen Kollektion für das Traditionshaus Lanvin die düsteren Facetten der Weiblichkeit ... We are in love!" Sind wir nicht, My Theresa! Stylebop verkündet zum x-ten Mal die kostenlose Lieferung, aber "nur für kurze Zeit".

Abende sind wunderbar. Offline.

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