Elektroautos in China:Der Trick mit dem Nummernschild

Panamera S-Hybrid

Volkswagen will bis 2018 in China den Panamera S-Hybrid auf den Markt bringen.

(Foto: dpa-tmn)

China will die E-Mobilität voranbringen, um sein Umweltproblem zu lösen. Doch Autokäufer greifen weiterhin lieber zum Benziner. Deshalb wird nun die Politik aktiv - zur Freude deutscher Autobauer.

Von Marcel Grzanna, Shanghai

Die Luftverschmutzung in China macht nicht einmal mehr halt vor dem goldenen Herbst. Der Oktober gab den Einwohnern der Hauptstadt einen Vorgeschmack auf einen trüben Winter, der sich anbahnt. Wochenlang versteckte sich die Sonne hinter einer dicken Smogwolke. Auch am Mittwoch dieser Woche kletterte der Anteil gesundheitsschädlicher Partikel teils auf das Achtfache des internationales Grenzwertes. Wer die Hauptschuld für das Umweltdesaster trägt, wird seit Jahren heiß diskutiert. Klar ist: Ein Grund ist das wachsende Verkehrsaufkommen.

Jochem Heizmann ist Vorstandsmitglied bei Volkswagen und als solches verantwortlich für das Geschäft in China. "Wir dürfen uns unserer Verantwortung nicht entziehen. Wir müssen unsere Emissionen weiter senken", sagt Heizmann. Denn die Regierung setzt den Unternehmen die Pistole auf die Brust. Der Durchschnittsverbrauch der gesamten Flotte eines Herstellers muss bis 2020 runter auf fünf Liter, fast zwei Liter weniger als heute.

"Größere Herausforderung als in Europa"

Und das ausgerechnet in dem Land, in dem die Autos länger und schwerer sind, weil die Kunden gerne damit protzen. "Das ist eine größere Herausforderung, als wir sie in Europa zu bewältigen haben", sagt Heizmann. In der EU liegt die Vorgabe zwar bei rund vier Litern, aber dort ist auch der sparsame Dieselmotor weitverbreitet. In China liegt der Anteil von Diesel bei einem Prozent.

Volkswagen ist zuversichtlich, das Ziel zu erreichen. 20 Elektro- und Hybridmodelle will der Konzern bis 2018 in China auf den Markt bringen. Der Panamera S-Hybrid von Porsche bildete die Vorhut. Jetzt folgen der e-up und der e-Golf als reine Elektrofahrzeuge sowie der Golf GTE als Plug-in-Hybrid.

Die Fahrzeuge sind allesamt importiert und kommen daher für die üppigen Subventionen, die Peking an die Käufer ausschüttet, nicht infrage. Unfair finden das die Wolfsburger. "Wir hoffen auf gleiche Bedingungen für importierte Fahrzeuge, weil die genau so nützlich gegen die Luftverschmutzung helfen wie die lokal produzierten", sagt Heizmann.

Erpressung? Na klar!

Erst im Jahr 2016 beginnt der deutsche Konzern mit der lokalen Fertigung. Dann werden der Audi A6 als Hybrid und ein neues C-Klasse-Modell in China gebaut. Erst mit der lokalen Produktion erfüllt Volkswagen dann auch die Vorgaben des Staates. Der zwingt die ausländischen Unternehmen zum Bau von Elektrofahrzeugen im Land. Wer andere Pläne verfolgt, darf in China keine neue Fabriken bauen. Klingt nach Erpressung, ist es auch. Aber die Hersteller verdienen so viel Geld auf dem größten Automarkt der Welt, dass sie das Spiel klaglos mitspielen.

Mercedes ist seit Kurzem an der Seite des privaten Herstellers BYD aus Shenzhen mit seinem Densa auf dem Markt. BMW machte kurzerhand aus seinem X1 ein E-Modell namens Zinoro, der mit dem staatlichen Partner Brilliance unters Volk gebracht wird.

Weit entfernt von den eigenen Zielen

Elektroauto Denza

Der Denza ist ein von Daimler entwickeltes und bei BYD in China gebautes Elektroauto.

(Foto: WGO)

Jedes zusätzliche E-Fahrzeug hilft der Volksrepublik ein winziges Stück weit aus ihrem Dilemma. Denn bis 2015 sollte eine halbe Million verkauft sein, hieß es einmal. Doch ob das klappt? Im Jahr 2013 waren unter den mehr als 20 Millionen verkauften Autos nur 17 600 Elektro- oder Hybridmodelle. In diesem Jahr werden es mehr als doppelt so viele, weil der Staat Teile seines eigenen Fuhrparks elektrisiert und neue Gesetze erlassen hat, um die Lade-Infrastruktur zu schaffen. Aber die grüne Revolution, die China Anfang des Jahrzehnts versprochen hat, lässt auf sich warten. "Wir sind noch weit davon entfernt", sagt Yang Jian vom Branchendienst Automotive News.

Jetzt sollen die Kommunen ein Signal an die kaufunwilligen Bürger senden. Vom Jahr 2016 an sollen 30 Prozent aller neuen Behördenfahrzeuge mit Strom betrieben werden. Staatliche Einrichtungen müssen außerdem Ladestationen auf Mitarbeiter-Parkplätzen anbieten. Auch Immobilienentwickler privater Wohnanlagen erhalten vielerorts diese Auflage.

Regional unterschiedliche Subventionen

Gleichzeitig hat der Staat angekündigt, sein Subventionsprogramm auf unbestimmte Zeit über das Jahr 2015 hinaus zu verlängern. Peking gewährt bis zu 60 000 Yuan Nachlass für den Käufer eines E-Autos, rund 7700 Euro. Bei einem Hybrid gibt es 35 000 Yuan. Hinzu kommen weitere Nachlässe lokaler Behörden. In Shanghai unterscheidet sich die Förderung sogar von Distrikt zu Distrikt.

Doch reicht all das aus, um einen Boom auszulösen? Wer in China das Geld hat, kauft lieber einen großen Benziner. Wer es nicht hat, dem ist ein Elektroauto auch subventioniert zu teuer. Peking und Shanghai locken Interessenten deshalb nicht nur mit Geld, sondern mit einer Zulassung. Wer elektrisch fahren will, erhält sofort ein Nummernschild. Alle anderen benötigen entweder Glück wie in Peking, um eine von monatlich nur 20 000 Lizenzen im Losverfahren zu ergattern, oder wie in Shanghai das nötige Kleingeld, um eine Plakette für bis zu 10 000 Euro zu ersteigern. Die Autoindustrie rechnet mit einer Flut an Städten, die künftig ähnliche Regulierungen aufstellen werden und die Elektro- und Hybridfahrer davon ausklammern. In 25 Millionenstädten im ganzen Land gibt es bereits Quoten für Elektroautos, die bis 2016 erfüllt sein sollen.

Hybrid- statt reine Elektroautos

Die Hersteller verbreiten Optimismus. "Es wird jetzt immer schneller gehen mit der Entwicklung", sagt VW-Vorstand Heizmann. Die Wolfsburger setzen jedoch vor allem auf Hybrid, obwohl die staatlichen Förderungen bei den reinen E-Autos deutlich höher sind. Aber Volkswagen ist sicher: Die Kunden wollen mehr Flexibilität. Zum Beispiel so: Erst 30 Kilometer elektrisch bis zur Stadtgrenze - und dann 500 Kilometer mit Verbrennungsmotor durch die Wildnis. Das geht nur mit Hybrid. Volkswagen hat deshalb die Produktion von lokal entwickelten Elektroautos an der Seite seiner chinesischen Partner FAW und SAIC auf Eis gelegt. Deren Einfluss beim Bau der Autos gilt ohnehin als begrenzt.

Eigentlich wollte die Regierung in Peking die nationale Autoindustrie mit der Förderung alternativer Antriebe in die Weltspitze katapultieren. Doch Marktführer BYD profitiert vor allem von der Zusammenarbeit mit Daimler. Der Rest der chinesischen Anbieter dagegen läuft schon jetzt hinterher. "Wir wähnen uns in Sachen Technologie einen Schritt voraus", sagt Heizmann. Und hofft darauf, dass die E-Auto-Revolution in China doch noch kommen wird.

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