Sabine Lisicki im Fed-Cup-Team:Rückkehr der Rampensau

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Darf die extrovertierte Sabine Lisicki ausgerechnet im Finale ihr Fed-Cup-Comeback geben? Teamchefin Barbara Rittner lädt sie nach Prag ein. Ob Lisicki die formschwache Andrea Petkovic tatsächlich ersetzen wird, lässt Rittner absichtlich offen.

Von Philipp Schneider, Stuttgart/München

Vor wenigen Tagen erst gab es im Internet ein kleines Filmchen zu sehen, Andrea Petkovic sitzt auf einer gemütlichen weißen Couch, die irgendwer auf einen Tennisplatz geschoben haben muss, und vor ihr, auf dem Boden, steht eine dicke Tennistasche. Dann beginnt Petkovic zu kramen, packt aus und kommentiert: drei Tennisschläger, ein paar Laufschuhe ("habe ich immer dabei"), einen Flyer über Wal-Beobachtung ("ist mein großer Traum"), ein benutztes Trainingsoutfit ("bisschen eklig"), der ironisch-nihilistische Roman Unendlicher Spaß des Schriftstellers David Foster Wallace ("schon fast durch") sowie ein wegen Mehrfachlesung ziemlich ramponiertes Exemplar von Goethes Die Leiden des jungen Werther ("Ich glaube an Energien in Büchern") - ihrer Lieblingslektüre. Sie wollte der Welt zeigen, was manche Tennisprofis so alles mit sich herum schleppen, wenn sie sich beruflich auf Weltreise begeben.

Aber Taschenpacken und Andrea Petkovic, das war auch so das große Thema gewesen vor diesem Mittwoch, an dem Barbara Rittner endlich die Frage beantwortete, wer nun alles mitreisen darf zum Fed-Cup-Finale gegen Tschechien in Prag am zweiten Wochenende im November. Die Antwort der Teamchefin ist so überraschend wie listig: Alle dürfen mit.

Fed-Cup-Finale in Prag
:Rittner nimmt Lisicki mit

Nach 22 Jahren wollen die deutschen Tennisspielerinnen wieder den Fed Cup gewinnen: Teamchefin Barbara Rittner nominiert dafür ihr vierköpfiges Aufgebot. Sabine Lisicki darf mit nach Prag.

"Nominiert sind Angelique Kerber, Andrea Petkovic, Sabine Lisicki und Julia Görges", sagte Rittner bei der offiziellen Bekanntgabe ihres Aufgebots in Stuttgart: "Anna-Lena Grönefeld wird jedoch als fünfte Spielerin von Anfang an mit dabei sein. Sie ist Teil des Teams, und bei einer so wichtigen Partie möchte ich jederzeit reagieren können, falls etwas Unerwartetes passiert."

Eine Verletzung könnte unerwartet sein. Oder aber die andauernde Formkrise einer Spielerin, die sich selbst im Training bemerkbar machen könnte. In jedem Fall hat Rittner nun in Lisicki eine Spielerin mehr in der Kabine, die bei den Siegen im Viertelfinale in der Slowakei und Halbfinale in Australien (jeweils 3:1) nicht dabei gewesen ist. Obwohl sie als drittbeste Deutsche auf Weltranglistenplatz 27 gelistet ist, hinter Kerber (10) und Petkovic (17). "Es war eine schwere Entscheidung, ich hatte die Qual der Wahl. Aber Sabine hat bei der Asien- und US-Tour gute Ergebnisse erzielt und sich als Alternative gut präsentiert", so begründete es Rittner. Offiziell.

In den vergangenen Wochen war in der Szene heftig darüber gestritten worden, ob Lisicki ausgerechnet bei der ersten Endspiel-Teilnahme Deutschlands seit 1992 ihr Comeback geben sollte. Manche Kritiker hatten gemutmaßt, dass die extrovertierte "Rampensau", wie Lisicki mannschaftsintern liebevoll, aber treffend genannt wird, die im Team entstandene Harmonie unterwandern könnte.

Das war aber Unfug. Zumal Rittner erkannt hat, dass sie ihre Spielerin, die im September das Turnier in Hongkong gewonnen hat, womöglich als Backup in Prag benötigen wird. Bis kurz vor der Auslosung am 7. November darf sie zwei ihrer Spielerinnen austauschen. Für die schwierigen Einzel gegen die Weltranglistenvierte Petra Kvitova, Lucie Safarova (Nr. 16), oder wahlweise Karolina Pliskova (24) gesetzt sind bislang Kerber und Petkovic. Aber wer weiß schon, wie es weitergehen wird mit den nicht enden wollenden Leiden der melancholisch-tiefsinnigen Petkovic.

"Ich habe vollstes Vertrauen in Andy und stehe zu 100 Prozent zu ihr. Sie hat eine schwere Phase, aber wir werden sie in Prag wieder hinkriegen", sagte die Teamchefin, und man darf ihr die Worte auch genau so glauben. Wenn die 27-Jährige irgendwo ihr Lachen wiederentdecken wird, dann im Kreise ihrer Kolleginnen, die ja im Gegensatz zu den selbstverliebten Männern des Davis-Cup-Teams tatsächlich eine Einheit bilden.

81 Minuten Spielzeit, so gut wie keinen Ball getroffen

Beim sogenannten "Tournament of Champions" in Sofia, zu dem die besten acht Spielerinnen der Welt allerdings nicht anreisen, hatte Petkovic erst am Vortag der Nominierung zum Auftakt der Gruppenphase gegen die Spanierin Carla Suárez Navarro so gut wie keinen Ball getroffen: 0:6, 4:6 stand es nach 81 Minuten. Und nachdem sie sich schon in Linz und Luxemburg jeweils in der ersten Runde aus dem Turnierbetrieb abgemeldet hatte, war sie psychisch und körperlich kollabiert.

Ihr gehe es nicht gut, sagte Petkovic, weder privat noch gesundheitlich: "Ich bin momentan nicht in der Verfassung, Tennis zu spielen." Das müsste sie freilich in Prag, in der wichtigsten Fed-Cup-Partie seit 22 Jahren. (Immerhin gewann sie am Mittwoch in Sofia ihre zweite Partie.) Verzichten kann Rittner ohnehin nicht auf Petkovic, sorgt sie doch selbst traurig noch für Spaß, wenn auch keinen unendlichen. Für die Doppelspezialistin Grönefeld ist ihre Nominierung als Ersatzspielerin schließlich nicht die beste Nachricht. Vorerst. Denn was Rittner wirklich plant, das verriet sie noch nicht.

© SZ vom 30.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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