Freising:Die Heilige Helena ist pikiert

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Die Altarfiguren der Neustifter Pfarrkirche Sankt Peter und Paul müssen umziehen. Sie sind Teil der großen Rokoko-Ausstellung "Mit Leib und Seele" in der Kunsthalle der Hypokulturstiftung in München

Von Birgit Goormann-Prugger, Freising

Die Herrschaften scheinen sich unwohl zu fühlen, vor allem die Heilige Helena schaut reichlich pikiert drein. Kein Wunder, seit Mitte des 18. Jahrhunderts hat sie ihren Platz in einem der Seitenaltäre der Neustifter Kirche und kann von dort herabblicken auf das Kirchenvolk. Nun hat man sie einfach weggetragen und Helena muss sich zusammen mit König David, Augustinus und Norbert von Xanten, Begründer des Prämonstratenserordens, ein paar Quadratmeter nackten Kirchboden teilen. Verborgen hinter ganz profanen Plastikplanen, umgeben von Baulärm. Noch dazu wird an ihr mit einem kleinen Wattestäbchen herumgepinselt, das eine junge Frau zuvor in eine Benzinlösung eintaucht.

Das hat natürlich einen guten Grund, denn das weiß polierte Gewand der vier Heiligen ist mit den Jahren schmuddelig geworden, eher staubgrau. So können sich Helena, David, Augustinus und Norbert am 12. Dezember in der Kunsthalle der Münchner Hypokulturstiftung nicht vor großem Publikum sehen lassen. Dort wird dann in Kooperation mit dem Freisinger Diözesanmuseum die große Ausstellung "Mit Leib und Seele" eröffnet, eine Schau zum Münchner Rokoko. Diese selbst in internationaler Perspektive einmalige Blütezeit der Kunst wird erstmals seit 30 Jahren wieder mit einer Ausstellung gewürdigt und Carmen Roll, stellvertretende Leiterin des Diözesanmuseums, ist sich sicher, dass es so etwas in den nächsten 40 Jahren wohl nicht mehr geben wird: "Der Aufwand ist einfach zu groß."

Im Mittelpunkt stehen herausragende Künstler wie die Asam-Brüder, Cosmas Damian (1686 bis739) und Egid Quirin (1692 bis 1750), Johann Baptist Straub (1704 bis 1784), Franz Anton Bustelli (1723 bis 1763) und eben Ignaz Günther (1725 bis 1775), einer der bedeutendsten Vertreter des bayerischen Rokoko. Er hat Helena, David, Augustinus und Norbert für die Neustifter Kirche geschaffen - und die wird gerade umfassend renoviert. "Die Figuren mussten sowieso raus", erzählt Carmen Roll. Darum ergriff man die einmalige Gelegenheit, die fast drei Meter großen Altarfiguren einer größeren Öffentlichkeit zu präsentieren. "Sie werden toll aussehen", freut sich Carmen Roll, die ins Schwärmen gerät, wenn sie die Bilderhauerkunst von Ignaz Günther beschreibt, seine feine Detailarbeit, wie die Spitze an den Gewändern, der Hermelinüberwurf der Helena, der zottelige Bart von Augustinus und die ausdrucksstarken Gesichter. Schlank und elegant stehen sie da und der Schwung ihrer bodenlangen Gewänder wirkt so echt, als könnte ein Windhauch sie in Bewegung versetzen.

Judith Schieber ist noch bis Mitte November damit beschäftigt, die Altarfiguren der Neustifter Kirche zu reinigen. (Foto: Marco Einfeldt)

Die Figuren sind vermutlich aus weichem Lindenholz aus mehreren Teilen geschnitzt und dann zusammengeleimt worden. Innen sind sie ausgehöhlt, sonst wären sie viel zu schwer. Dennoch denkt Carmen Roll mit Sorge an den Transport und will sich gar nicht vorstellen, dass sie dabei beschädigt werden könnten. "Das darf einfach nicht passieren", sagt sie erschrocken. Fünf Restauratoren sind abwechselnd damit beschäftigt, den Staub der Jahrhunderte von der polierweißen Farb-Einfassung der Holzfiguren zu entfernen, bis sie wieder glänzen, als wären sie aus Marmor.

Mitte November soll das erledigt sein. Für den Transport werden die Figuren auf Paletten gestellt und um sie herum Holzkisten gebaut, die mit Schaumstoff ausgefüllt werden. Das erledigt eine Fachfirma. Wenn Helena, David, Augustinus und Norbert dann bis zum 12. April mit ihrer Anwesenheit in München für die Neustifter Rokokokirche St. Peter und Paul geworben haben, wird auch diese wieder mehr in den Fokus der Öffentlichkeit rücken, ist sich Carmen Roll sicher. St. Peter und Paul sei nicht einfach nur ein Kleinod, sondern eine wirklich "bedeutende Kirche" des bayerischen Rokoko. Bis sie wieder in ihren ganzen Pracht erstrahlt, wird es jedoch dauern. Die Sanierungsarbeiten werden wohl erst Anfang 2016 abgeschlossen sein.

"Mit Leib und Seele": Münchner Rokoko von Asam bis Günther, Kunsthalle der Hypokulturstiftung. 12. Dezember 2014 bis 12. April 2015.

© SZ vom 30.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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