Sinn des Weltspartags:Geld sparen kostet

Zu horten bringt nichts, Sparer verlieren wegen niedriger Zinsen Geld. Statt Spardosen zu verschenken, sollten Banken den Weltspartag zum Anlass nehmen, ein gesellschaftliches Problem anzugehen: das der mangelhaften Finanzbildung.

Kommentar von Simone Boehringer

Traditionen sollten gepflegt werden. Ja. Aber nur, wenn sie sich nicht ad absurdum führen. Dann sollten sie abgeschafft oder neu gestaltet werden. Alles andere ist ein Armutszeugnis.

Der Weltspartag ist so ein Fall. Es gibt ihn seit 90 Jahren und ist damit fast so alt wie unser modernes Geldsystem. Er wurde als Reaktion auf die Währungsreform 1923 eingeführt, bei der viele Deutsche das Vertrauen ins eigene Geld verloren. Sie und viele andere Bürger in Europa sollten vom Wert des Sparens überzeugt werden. Auch heute ist das so. Bloß neben das Sparbuch sind noch viele andere Sparformen getreten - die alle eines gemeinsam haben: Sie bringen nichts, bei einigen verlieren die Sparer sogar Geld. Genauer gesagt verlieren sie Kaufkraft. Das ist immer so, wenn die allgemeine Teuerungsrate höher liegt als der Zinssatz, den es für Sparguthaben, Tages-, Festgeld oder andere Spielformen der sicheren Geldanlage noch gibt.

Und solange die westliche Welt in Schulden versinkt, mit noch wachsenden Staatsschulden, teils auch hohen privaten Verschuldungsquoten und mit sich und den Schuldtiteln in ihren Bilanzen ringenden Banken - solange werden die Leitzinsen nahe Null bleiben. Daraus machen die Zentralbanken auch kein Geheimnis. Steigende Zinsen können sich viele maßgebliche Schuldner nicht leisten, insbesondere die Krisenstaaten nicht. Eine Pleite eines großen Landes würde die Geldwelt erschüttern, mindestens so arg wie zu Beginn der Finanzkrise die Pleite der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers.

Den Weltspartag zur Aufklärung nutzen

Das will sich derzeit kein Notenbanker und kein Politiker wirklich ausmalen. Also wird weitergewurstelt, mit einer Mischung aus Niedrigzinsen, Staatsanleihe-Aufkäufen und wiederum neuen Krediten für wahlweise klamme Länder oder klamme Banken muss das Schuldenhaus ständig an irgendeiner Stelle stabilisiert werden.

Wozu also sparen? Geld an sich hat keinen Wert mehr. Es aufzubewahren kostet. Nur wer es arbeiten lässt, etwa in Unternehmen (über Aktien), es anderen borgt, damit es für sie arbeiten kann (Anleihen) oder es zumindest in etwas anderes Werthaltiges eintauscht (Immobilie, Stück Land, Edelmetalle), hat derzeit die Gewähr, mehr als nichts dafür zu bekommen.

Fairerweise ist an dieser Stelle zu sagen, dass es auch sein kann, dass Sparer bei derlei Investments je nach Kursverlauf und Timing des An- und Verkaufs auch viel Geld verlieren können. Und genau hier kommen die Banken ins Spiel. Alle, aber insbesondere jene, die den Weltspartag noch so intensiv begehen als sei nichts gewesen und die Minizinsen noch schulterzuckend verteidigen - obwohl sie oft die Spargelder der Verbraucher gar nicht benötigen, weil sie sich bei der Zentralbank viel günstiger, praktisch zum Nulltarif, refinanzieren können.

Statt mit Spardose, Comics und Geschenken junge Kundschaft in die Filialen zu locken, könnte die Finanzbranche den Weltspartag zum Anlass nehmen, ein anderes großes gesellschaftliches Thema breit aufzugreifen, das der Finanzbildung.

Kunden haben oft keine Ahnung - es fehlt die Finanzbildung

Wie Umfragen und Analysen immer wieder belegen, kennen sich die meisten Deutschen bei Geldangelegenheiten sehr schlecht aus. Nicht einmal der Dreisatz sitzt, räumen Lehrer wie Politiker regelmäßig ein, wenn es um Zahlenarbeit geht, unerlässlich für jeden, der ein Kredit- oder Anlageangebot beurteilen will. Die mangelnde Finanzbildung ist auch der Hauptgrund dafür, warum Beratungsgespräche bei Banken und anderen Geldverwaltern inzwischen vom Gesetzgeber so stark durchreguliert sind, dass die Kunden nach einigen Stunden zwar viele Formulare unterschrieben, aber zumeist immer noch wenig verstanden haben von den Produkten oder Wertpapieren, die ihnen dann auch noch irgendwann empfohlen werden.

Die Banken handeln also auch in eigenem Interesse, wenn sie den Weltspartag zum Weltaufklärungstag oder Weltbildungstag umfunktionierten. Ihre Produktempfehlung will an diesem Tag freilich niemand hören. Es geht darum, wie das Finanzsystem funktioniert, aber auch darum, zu erkären, was der Unterschied zwischen einer Aktie und einer Anleihe ist und was eine Effektiv-Verzinsung oder eine Dividende bedeutet.

Ansatzpunkte für eine groß angelegte Beteiligung der Branche an der Finanzbildung der Deutschen gibt es genug: In Baden-Württemberg ist Wirtschaft gerade zum Schulfach erklärt worden. In Niedersachsen gibt es ein Institut, das Lehrer in ökonomischer Bildung unterrichtet und Konzepte für Schulbücher erarbeitet. Der Vermögensverwalter-Verband ist im Gespräch mit der Politik, um einen Finanzführerschein einzuführen und andere Vereinigungen und Verbände animieren Fachleute, direkt in Schulen zu gehen, um Aufklärungsarbeit zu leisten.

Man kann den Weltspartag immer noch ganz abschaffen

Wie wäre es, wenn plötzlich ein Chef oder Ex-Chef einer Großbank am Weltspartag eine öffentliche und verständliche Vorlesung übers Finanzsystem halten würde ? Oder die Bundesbank einen renommierten Vertreter schicken würde, den Geldumlauf zu erklären? Schon der Promi-Charakter würde dafür sorgen, dass die Menschen zuhören. Wichtig ist, dass die Banker bereit sind, die Menschen da abzuholen, wo sie sind. Nicht Hedgefonds- und Zockerstrategien interessieren die Sparer, sondern Grundsätzliches und Naheliegendes, etwa Anhaltspunkte, wie sie möglichst verlustfrei durch die Minizinsphase kommen können.

Die Bildungseinrichtungen freilich sollten den Branchenvertretern eine faire Chance geben und nicht hinter jedem Banker als Gastredner einen gierigen Geschäftemacher wittern. Das oft gehörte Argument, mit Vertretern der Finanzbranche in Klassenzimmern mache man die Böcke zu Gärtnern, ist zu kurz gedacht. Denn unter den Böcken sind viele, die sich bestens auskennen. Und: Die Banken müssen dringend Vertrauen aufbauen, das sie in der Finanzkrise verloren haben. Und viele wollen das auch.

Wenn sie keine verständlichen Erklärungen und Antworten liefern können für ihre Kunden, kann man den Weltspartag immer noch ganz abschaffen. Aber eine Chance hat das Projekt verdient.

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